Impuls zu Mariä Lichtmess

Und da dies der Auftakt von Jesus Weg ans Kreuz ist, ist die Weihe des Kindes Jesus im Tempel immer auch schon auf seine Bestimmung hin, sein Leben für das Heil der Welt zu geben, gelesen worden. Auch im Evangelium des Festes deutet sich diese Verbindung von Geburt und Tod Jesu Christi an. Der greise Prophet Simeon spricht zu Maria: „Siehe, dieser ist dazu bestimmt, dass in Israel viele zu Fall kommen und aufgerichtet werden, und er wird ein Zeichen sein, dem widersprochen wird, - und deine Seele wird ein Schwert durchdringen.“ (Lk 2, 34f.)

In dieser Verbindung zeigt sich das tiefere Geheimnis von Weihnachten und ganz besonders mit Blick auf das zurückliegende Weihnachtsfest, das für viele nicht so schön, friedvoll und heiter sein konnte, wie es sonst war, und so bekommt dieses tiefere Geheimnis ein besonderes Gewicht. Das kann gerade in der Zeit des Lockdowns ein hilfreicher Gedanke sein. Es ist der Gedanke, dass die Inkarnation, die Menschwerdung Gottes in der konkreten Geschichte eines Individuums, eine Vermählung zwischen Gnade und Natur, zwischen Gott und Mensch ist, die sich fortsetzen muss in einen Dienst für den Nächsten, im "Sich-Aufopfern" für ihn. Und da jeder Getaufte hineingenommen ist in dieses Geheimnis der Menschwerdung, setzt sich dieser Auftrag auch für jeden von uns fort. Mit der Nachfolge Jesu verbindet sich also eine aktive Ethik des Alltags zugunsten der Armen und Leidenden: Wie Gott selbst in Jesus ein Armer und Leidender wurde, ein Zeichen dem widersprochen wird, so sollen wir ihn auch in den Leidenden unserer Tage sehen aber auch in unserem eigenen Leid.

Die Corona-Krise führt dazu, dass alle leiden: Leben und Gesundheit vieler Menschen sind bedroht. Einsamkeit und Isolation macht vielen zu schaffen. Hinzu kommt immer mehr die wirtschaftliche Not. Angesichts dessen könnte man dann mit dem Evangelium an Jesus die Frage stellen, wenn ich Dir nachfolgen soll und doch alle leiden: "Wer ist denn mein Nächster?" (Lk 10,29) Und mit dem Gleichnis vom bramherzigen Samariter könnten er uns die Antwort geben: Niemand darf auf dem Weg von Jerusalem nach Jericho im Straßengraben liegen bleiben, niemand darf auf dem Weg der globalen Menschheitsfamilie ausgeschlossen bleiben, niemand – und dies ist dann eine explizit christliche und theologische Perspektive – darf auf dem Weg zum ewigen Leben vergessen werden. Mehr noch: Der Weg zu Gott führt zum Mitmenschen oder aber er führt ins Leere. Gott ist Mensch geworden und hat sein Ebenbild, den Menschen, jedem Menschen zur Sorge und Verantwortung anvertraut.

Wer also ist mein Nächster? Angesichts dieser Frage des Schriftgelehrten an Jesus im Evangelium kann es keine Haltung der Gleichgültigkeit geben. Solche Gleichgültigkeit wäre verantwortungslos. Was jeder in der Corona-Krise auf sich nehmen muss an gesundheitlichen Risiko, an sozialer Isolation an ökonomischer Not, kann man christlich dann eben so auffassen: Unser eigenes Leiden ist auch ein Dienst an jedem anderen Bruder, an jeder anderen Schwester, der bzw. die genauso oder womöglich noch viel schlimmer leidet als ich. Wem kann ich wie helfen? Durch Kontaktreduzierung zum Beispiel. Aber auch durch einen Anruf, oder ganz klassisch einen Brief. Menschwerdung und Kreuz vollzieht sich immer zuerst im Unscheinbaren und Konkreten, in alltäglichen Gesten und auch in den kleinen Opfern. Das sind dann wie die Kerzen, die an Mariä Lichtmess geweiht wurden, kleine Lichter, die nicht nur für andere leuchten, sondern auch uns selber hell werden lassen.

Text: Msgr. Prof. Dr. Peter Schallenberg/ Diözesanseelsorger, Malteser im Erzbistum Paderborn


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