22-Jähriger leitet Malteser Rettungswache

Marco Schubbach (links) ist neuer Wachleiter der Malteser Rettungswache in Wiesbaden. Bereichsleiter Frank Zimmermann (rechts) steht ihm als eine Art Mentor beiseite. Foto: René Vigneron/VRM.

Gastbeitrag von Johanna Tischler, erschienen im Wiesbadener Kurier am 24. März 2023.

WIESBADEN. Als Marco Schubbach sich vor einem Jahr bei den Maltesern um einen Job bewarb, konnte er noch nicht wissen, dass er nur ein Jahr später eine 40-köpfige Rettungswache in Wiesbaden leiten würde. Der 22-Jährige ist damit aktuell der jüngste Wachleiter des Malteser Rettungsdiensts in Hessen. Normalerweise ist es umgekehrt: Erst kommt die Erfahrung, dann die Führungsposition. Frank Zimmermann, Bereichsleiter beim Malteser Rettungsdienst, sieht das anders. Für ihn ist der Rheingauer genau der Richtige für diesen Job.

Neue Führung soll nicht alte "Rettungsdienstbrille" tragen

"Wir haben bewusst gesagt, wir nehmen mal jemanden, der nicht die 20-jährige Rettungsdienstbrille aufhat", sagt Zimmermann. Zwar hat Schubbach selbst schon Einsätze gefahren, in seiner neuen Position wird er aber aus dem aktiven Dienst eher herausgehalten. Denn: "Führen bedeutet Zeit", so Zimmermann. Davon bleibe keine übrig, wenn man ständig auf Einsätzen unterwegs sei. Schubbach leitet die Wache gemeinsam mit seinem 31-jährigen Stellvertreter René Jackwerth. Als Wachleiter ist Schubbach für die Sorgen und Bedürfnisse seiner Kolleginnen und Kollegen da. Und schaut zum Beispiel auch darauf, ob die Lager gefüllt und die Rettungswagen in gutem Zustand sind.

Wie ist das für ältere Kollegen, wenn ein 22-Jähriger die Führung übernimmt? "Ich denke mal, eine allgemeine Skepsis ist von allen Kollegen da", sagt Schubbach. "Aber sobald dann das ein oder andere Mal zusammen gelacht wurde, legt sich das schnell." Eigentlich wollte Schubbach nach dem Abitur Medizin studieren, entschied sich dann aber doch für eine Ausbildung zum Rettungssanitäter. "Bevor ich dann im Studium merke, ich mag keine Patienten oder kann kein Blut sehen", sagt Schubbach und lacht. Es stellte sich heraus: Er kann. Und Patienten mag er auch.

Nach der Ausbildung blieb er bei den Maltesern - jedoch arbeitete er zunächst nicht im Rettungsdienst, sondern leitete die Notunterkunft für ukrainische Geflüchtete in Geisenheim. Dort habe Schubbach in kurzer Zeit ein neues Team aufgebaut und Konflikte stets deeskalieren können, erzählt Zimmermann. In seiner Stimme klingt Respekt mit. "Es ist erstaunlich, wie er in seinen jungen Jahren so viel Feingefühl entwickelt hat." Schubbach übernimmt die Leitung der Rettungswache in besonders prekären Zeiten des Rettungsdienstes: Die Häufigkeit von verbalen Entgleisungen und körperlichen Angriffen habe ganz klar zugenommen, beobachtet Zimmermann, der selbst 25 Jahre lang aktiv Einsätze gefahren ist. "Das ist ein gesellschaftliches Problem. Man hat keinen Respekt mehr", sagt er. Erst kürzlich sind zwei Rettungskräfte in Wiesbaden von drei Männern unter Alkohol- und Drogeneinfluss körperlich attackiert worden. Nur mit Mühe konnten sie noch rechtzeitig in den Rettungswagen flüchten und Verstärkung anfordern. Die zwei betroffenen Rettungssanitäter gehören derselben Wache wie Schubbach an. "So etwas begleitet einen schon. Das ist auch im Team eine große Sache", sagt Schubbach. Rettungskräfte der Malteser können in solchen Fällen psychosoziale Beratungsangebote in Anspruch nehmen. Zudem erhalten sie Deeskalationstrainings, um auf solche Situationen bestmöglich vorbereitet zu sein.

Nicht nur die Angriffe, sondern auch die Einsatzzahlen steigen. "Viele Einsätze werden heute gefahren, wo gar keine erforderlich sind", sagt Zimmermann. Wegen eines eingerissenen Fußnagels oder eines Schnupfens müsse man keinen Rettungswagen rufen. Hinzu komme der Personalmangel. Der Nachwuchs sei nicht das Problem, Bewerber gebe es viele. Die Schwierigkeit sei eher, die Mitarbeitenden zu halten. Sie sind Stress und hoher Belastung ausgesetzt. Viele Mitarbeitende wechselten irgendwann den Beruf oder würden abgeworben. Zimmermann möchte seine Einsatzzeit jedoch nicht missen: "Man hilft jeden Tag Menschen."

Auch Schubbach schrecken die schwierigen Bedingungen nicht ab. Er ist motiviert, die Situation im Rahmen seiner Möglichkeiten zu verbessern. Vor allen Dingen will er das Team stärken. In der neuen Rettungswache in Schierstein, in die die Malteser gemeinsam mit der Firma Ambulance Wiesbaden erst im Juli vergangenen Jahres umgezogen sind, sei jetzt viel mehr Platz, aus dem man etwas machen könne. Teambuildingevents seien schon geplant. Besonders wichtig sind Schubbach aber die kleinen Dinge, wie man im Gespräch merkt. Ein "Hey, schön, dass du da bist, wie geht es dir?" könne schon viel bewirken, sagt er.

Für Schubbach sind Rettungssanitäter "die letzten großen Abenteurer unserer Zeit". Später will auch er in den aktiven Dienst gehen, mehr Einsätze fahren, etwas erleben. Und Menschen helfen. Doch jetzt hilft er erst mal seinem Team.


Zurück zu allen Meldungen