Inklusive Trauerbegleitung für Menschen mit Behinderung

Verlieren wir einen lieben Menschen, trauern wir. Das trifft auch auf Menschen mit Behinderung zu. „Ist doch klar“, denkst du jetzt vielleicht. Doch Trauer und Inklusion werden in unserer Gesellschaft noch viel zu wenig zusammengebracht. Zwei Trauerbegleiterinnen erzählen von Ihren Erfahrungen.

Darum geht’s:


Inklusion in der Trauerbegleitung

Trauer und Tod ist in unserer Gesellschaft immer noch ein schwieriges Thema. Am liebsten würden wir es ausblenden, damit der Schmerz uns nicht erdrückt. Mit dem Verlust geht jede Person anders um, da gibt es kein Patentrezept. Genauso ist es auch, wenn Menschen mit einer Behinderung einen Verlust erleben.

Vielen fällt es in unserer Gesellschaft schwer, auf Trauernde zuzugehen, insbesondere gilt dies bei Menschen mit einer Behinderung. Dass Menschen mit kognitiven Behinderungen oder Beeinträchtigungen den Tod gar nicht begreifen oder dass sie keine Trauer empfinden könnten, ist allerdings ein Vorurteil.

Trauer wird noch viel zu wenig inklusiv gelebt, sagt Ilona Schneider, ehrenamtliche Hospiz- und Trauerbegleiterin bei den Maltesern Würzburg: „Viele Menschen, egal ob mit oder ohne Behinderung, brauchen in der Trauer einen sicheren Rahmen. Inklusion bietet sehr viele Chancen, aber es geht noch zu langsam in der Gesellschaft.“ Ihre Kollegin Monika Spath ist Koordinatorin im Hospizdienst. Auch sie arbeitet mit Trauernden mit und ohne Behinderungen und weiß: „Menschen wollen gefragt werden und selbst entscheiden können. Bei Menschen mit Behinderung passiert es leider noch viel zu oft, dass ihnen gesagt wird: Mach es so oder so! Wir wollen die Menschen schützen und stülpen ihnen dabei etwas über.“

Nicht selten passiert es, dass Trauernde mit einer Behinderung oder Beeinträchtigung nicht mitgenommen werden zur Totenwache, zur Beerdigung oder wenn eine Person im Sterben liegt. Heute wissen wir, dass sich die Trauerarbeit erschwert, wenn der Tod nicht im buchstäblichen Sinne „begriffen“ wird. Den Sarg beziehungsweise den Sterbenden zu sehen und dabei aber nicht allein gelassen zu werden, hilft, das Geschehene einzuordnen – mit oder ohne Behinderung, in jedem Lebensalter. Durch die Ausgrenzung wird es für Trauernde mit Behinderung oft schwerer, die Trauer zu verarbeiten.

Menschen wollen gefragt werden und selbst entscheiden können. Bei Menschen mit Behinderung passiert es leider noch viel zu oft, dass ihnen gesagt wird: Mach es so oder so!

Monika Spath, Koordinatorin im Hospizdienst der Malteser Würzburg

So trauern Menschen mit Handicap

Es gibt grundsätzlich unterschiedliche Reaktionen auf Trauer, aber diesbezüglich keine Unterschiede zwischen Menschen mit oder ohne Behinderung: „Die Trauerreaktionen sind grundsätzlich erst mal gleich“, sagt Monika, „und auch das Vermissen und die Sehnsucht nach dem Verstorbenen unterscheiden sich nicht.“ Menschen mit Behinderung nehmen den Verlust eines geliebten Menschen genauso wahr wie Menschen ohne Behinderung. Das ist unabhängig davon, wie stark die kognitive Beeinträchtigung oder Behinderung ist.

„Ist eine wichtige Person plötzlich nicht mehr da, ist das eine Veränderung. Was bei Menschen mit vor allem kognitiven Einschränkungen anders ist, ist die Kommunikation“, sagt Ilona, deren Tochter eine Behinderung hat: „Ich habe in Bezug auf Menschen mit einer geistigen oder einer sonstigen Einschränkung wie bei meiner gehörlosen Tochter gemerkt: Die Trauer wird einfacher ausgedrückt, mit einfacherer Sprache, aber auch mit Gesten und Bildern. Und ich erlebe es immer wieder, dass gerade Menschen mit einer Behinderung besser in die Trauer kommen und ihre Emotionen ehrlich und wahrhaftig zeigen.“

„Eine Sache muss unbedingt beachtet werden“, sagt Ilona: „Bei Menschen mit kognitiven Einschränkungen kann es sein, dass vielleicht erst nach sechs Monaten ein Verhalten auftritt wie Aggression, Wut oder andere Emotionen, die nicht mehr mit der Trauer in Verbindung gebracht werden. Hier müssen wir mitbedenken, dass dieses Verhalten eben doch mit der Trauer zusammenhängen kann. Dieses Wissen verändert unser eigenes Verhalten in der Begleitung und lässt Raum für den empfundenen Verlust.“

Es bestehen noch viele Unsicherheiten bei diesem Thema und auch Fachpersonal ist oft nicht ausreichend geschult im Umgang mit trauernden Menschen mit Behinderung. Darum ist es wichtig, in den Kontakt miteinander zu gehen. „Die Menschen mit Behinderung sind ja Expertinnen und Experten in ihrer eigenen Sache“, sagt Monika, „und darum sollten wir in die Begegnung gehen. Wir können so stark voneinander profitieren.“

Trauerbegleitung für Menschen mit Behinderung

Trauerbegleitung ist grundsätzlich für alle Menschen da. Sie funktioniert für Menschen mit Behinderung oft etwas anders, wenn beispielsweise die Kommunikation mit Sprache schwieriger ist. „Die Zugangswege sind anders“, sagt Monika, „und es liegt an uns, diese Zugangswege zu finden und auch im Verhalten und in der Sprache zu deuten. Und wir brauchen mehr Achtsamkeit und Klarheit in der Sprache. Oft heißt es: Er ist eingeschlafen, anstatt er ist gestorben. Die Klarheit ist wichtig, sonst haben die Menschen Angst, abends ins Bett zu gehen.“ Klarheit über den Tod zu vermitteln, ist gar nicht so leicht, wenn unterschiedliche Menschen unterschiedliche Vorstellungen vom Tod haben.
Wichtig ist, keine Berührungsängste zu haben und Menschen mit kognitiver Beeinträchtigung oder Behinderung nicht falsch verstanden schonen zu wollen. „Der Tod muss ankommen können bei den Menschen, ob mit oder ohne Behinderung. Dazu gehört es, festzustellen, dass zum Beispiel die Haut kalt ist und jemand sich nicht mehr bewegt“, sagt Monika. Dabei helfen zum Beispiel Seminare zum Thema Tod und Trauer oder auch der Besuch bei einem Bestattungsinstitut. Monika hat genau damit gute Erfahrungen mit den Bewohnerinnen und Bewohnern eines Wohnheims gemacht. „Es geht ums Begreifen mit meinen Händen. So kann ich das Thema auch besser annehmen und verstehen“, so Ilona.

Online-Trauerberatung der Malteser

Das Malteser Projekt „Via. Trauer neu denken.“ bietet online per E-Mail-Unterstützung im Trauerfall an. Was die Beratung leistet, wie sie funktioniert und was die Arbeit der ehrenamtlichen Helferinnen und Helfer ausmacht, erfährst du in unserem Artikel zur Online-Trauerberatung.

„Rituale sind ebenfalls wichtig“, sagt Monika, „denn sie können Halt und Orientierung geben. Das brauchen wir bei Menschen mit Einschränkungen vermehrter als in der üblichen Trauerarbeit.“ Und so können ein bemalter Stein oder aufsteigende Luftballons ein schönes Zeichen des Trostes sein. Für die Betroffenen ist es wichtig, den Sterbeprozess nachverfolgen zu können. Darum sollten sie unbedingt dabei sein bei Trauerzeremonien oder Beerdigungen. „Auf diese Weise können die Trauernden sich auch mit der eigenen Sterblichkeit befassen“, sagt Monika. „Die Trauernden sehen dann auch: Was passiert, wenn ich mal gestorben bin. Erinnert man sich an mich? Was bleibt von mir? Das ist etwas ganz Wichtiges.“

Was leistet die Trauerbegleitung?

Wer einen geliebten Menschen verliert, fühlt sich manchmal selbst etwas verloren. Trauer ist wichtig, denn damit verarbeiten wir den Verlust und genau dabei unterstützt die Trauerbegleitung. Trauerbegleiterinnen und Trauerbegleiter sind speziell ausgebildet. Sie bieten professionelle und emotionale Unterstützung an, indem sie zuhören, Trost spenden oder auch Bewältigungsstrategien anbieten. Sie bieten auch praktische Hilfe an wie zum Beispiel bei der Organisation der Beerdigung. Außerdem sind sie vernetzt mit Trauergruppen oder psychologischen Praxen, falls die Trauernden mehr Unterstützung benötigen. Du interessierst dich für ein Ehrenamt in der Trauerbegleitung? In diesem Artikel erzählt die ehrenamtliche Trauerbegleiterin Annika von ihrer Arbeit. Hinter dem nachfolgenden Link erhältst du weitere Infos zur Trauerbegleitung der Malteser.

Über besondere Trauer und Trauerbegleitung kannst du auf aware noch mehr erfahren: Zum Beispiel, wie Trauerbegleitung bei Kindern funktioniert oder wie man mit dem Verlust eines geliebten Haustiers umgeht.


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