Malteser Trauergruppe: Unterstützung für Eltern von Sternenkindern
Einige Kinder erblicken gar nicht oder nur kurz das Licht der Welt. Sie werden Sternenkinder genannt. Dieser Begriff soll die Bindung verdeutlichen, die Eltern zu ihrem Kind haben, das vor, während oder kurz nach der Geburt gestorben ist. Für diese Eltern bieten die Malteser eine spezielle Trauergruppe an. Wir haben mit zwei Gruppenleiterinnen der Trauergruppe Sternenkinder in Würzburg über ihr Engagement gesprochen.
Darum geht's
Was sind Sternenkinder?
In unserer Gesellschaft gibt es aus medizinischer und juristischer Sicht eine klare Definition für eine Totgeburt: Stirbt ein Kind nach der 24. Schwangerschaftswoche, also nach dem sechsten Monat und hat es mindestens 500 Gramm gewogen, wird von einer Totgeburt gesprochen. Passiert es früher, spricht man von einer Fehlgeburt. Beide Begriffe klingen für viele Betroffene schrecklich, darum sprechen sie lieber von Sternenkindern. Das sind Kinder, die zu früh zu den Sternen gereist sind. Das kann in der 4. Schwangerschaftswoche sein oder bis zu drei Monate nach der Geburt. Der Begriff soll verdeutlichen, dass jeder Verlust eines Kindes für die Eltern schmerzhaft sein kann, egal ob das Kind überhaupt geboren wurde oder wie kurz es gelebt hat.
Im Jahr 2024 verzeichnete das Statistische Bundesamt 2900 Totgeburten in Deutschland. Die Anzahl der Fehlgeburten ist nicht verzeichnet. Das bedeutet: Tatsächlich gibt es mehr trauernde Eltern, die Unterstützung brauchen. Die Malteser bieten den Betroffenen Hilfe und Trost in speziellen Trauergruppen. Heike Nitzl und Verena Schmidt engagieren sich ehrenamtlich als Leiterinnen der Trauergruppe Sternenkinder in Würzburg. Die beiden Frauen haben ihre eigenen Berührungspunkte mit diesem Thema.
Emotionale Unterstützung in einer schweren Zeit
Heike wusste sofort, dass sie zu den Sternenkindern möchte, als sie 2021 ihr Engagement bei den Maltesern im Hospizdienst begann.
Sie ist Mutter von fünf Kindern und hatte durch eine enge Bekannte schon sehr früh Kontakt zu dem Thema. Heike erwartete ihr erstes Kind und ihre Bekannte ist zeitgleich mit ihr schwanger. „Als mein Kind sechs Wochen alt war, starb ihr Kind mit vier Wochen am plötzlichen Kindstod“, erzählt Heike. „Damals war eine Trauerbegleiterin vom Hospizverein bei ihr und diese Frau hat mich unglaublich fasziniert. Sie war so empathisch und wertschätzend und hat meiner Bekannten unglaublich gut geholfen. Da war mir klar: Das würde ich auch gerne irgendwann machen!“
30 Jahre später ist es so weit: Heike ist inzwischen zertifizierte Trauerbegleiterin und leitet die Trauergruppe Sternenkinder bei den Maltesern in Würzburg und zwar im Doppel mit Verena Schmidt.
Verena ist hauptberuflich Doula, eine nicht medizinische Geburtshelferin, die werdende Mütter vor allem emotional unterstützt. Sie hat schon mehrere sogenannte stille Geburten begleitet, wenn Kinder tot geboren werden. Sie selbst hat eine Tochter verloren. Dieses Erlebnis führte sie zu den Maltesern: „Ich bin selbst Sternenkind-Mama. Damals war für mich klar: Ich möchte Eltern in dieser Situation begleiten. Das Ganze hat dann noch etwas Raum gebraucht, bis ich meine Grundausbildung im Hospizbereich bei den Maltesern gemacht habe“. Inzwischen engagiert Verena sich seit zwölf Jahren in der Trauergruppe Sternenkinder und bringt auch ihre Erfahrungen als Doula mit in die Gruppe ein. Seit vier Jahren leitet sie Seite an Seite mit Heike die Gruppe: „Wir sind ein tolles Team und wollen den Eltern einen Raum für ihre Trauer geben.“
Mit einem Kind geht auch die Zukunft.
Einmal im Monat findet die Trauergruppe Sternenkinder in Würzburg statt. Die Gruppengröße variiert von Termin zu Termin. Mal sind vier Leute da, mal sind es zwölf. Hauptsächlich kommen Frauen, aber auch immer häufiger Paare. „Alle haben ein Kind in einem sehr frühen Stadium oder in einem sehr jungen Alter verloren“, sagt Heike. „Zu uns kommen sowohl Mamas, die still geboren haben in der 40. Schwangerschaftswoche, als auch Eltern, deren Kinder in einem sehr frühen Stadium der Schwangerschaft gestorben sind oder zumindest eine kurze Zeit gelebt haben“. Für die beiden Gruppenleiterinnen ist es wichtig, keinen Unterschied beim Alter des Kindes zu machen, sagt Verena: „Die früheste Frühgeburt bekommt den gleichen Platz und die gleiche Wertigkeit bei uns in der Gruppe wie eine Frau, die ihr Kind nach ein paar Wochen verloren hat“.
Das Besondere an dieser Trauergruppe ist die starke Homogenität, sagt Heike: „In anderen Trauergruppen kommen 20-Jährige, die ihre Mutter verloren haben, genauso wie 70-Jährige, die ihren Ehemann verloren haben. Bei uns sind die Menschen relativ jung, so zwischen 25 und 45. Natürlich nimmt jeder den Verlust anders wahr, aber da ist sofort ein großes Verständnis und eine wahnsinnige Achtsamkeit füreinander“. Die gleiche Beobachtung teilt auch Verena: „Es ist total faszinierend, wie nah sich die Eltern sind, obwohl sie sich überhaupt nicht kennen“. Die Trauer verbindet sie sehr schnell miteinander, denn ein Kind zu verlieren ist ein bisschen anders, sagt Heike: „Ich kann und will Verlustschmerz nicht bewerten, aber ich glaube, ein Kind in so einem frühen Stadium zu verlieren, ist noch mal etwas anderes. Man hat nur sehr wenige Erinnerungen und keine Vergangenheit mit dem Kind. Und die Zukunft wurde einem genommen. Das ist, denke ich, der größte Unterschied zu anderen Trauergruppen“.
Trauernde helfen sich gegenseitig.
Ungefähr zwei Stunden dauert ein Gruppentreffen. Los geht es immer mit einer Begrüßungsrunde und einem besonderen Ritual. „Wir holen die Sternenkinder in die Mitte des Raumes“, sagt Verena. „Das machen wir, indem wir eine Kerze anzünden und laminierte Sterne in die Mitte legen. Da kann man den Namen des Kindes draufschreiben.“
Dabei kommen die Eltern oft schon ganz von alleine ins Gespräch und das ist auch so gewollt. „Manchmal werde ich gefragt: Wie schaffst du das nur?“, sagt Heike, „dann sage ich immer: Eigentlich mache ich gar nichts. Ich bin da, ich biete einen Raum und ich höre mit offenem Herzen zu. Verena und ich versuchen sehr, den Erfahrungsaustausch zwischen den Müttern und Vätern zu fördern. Wenn eine Mama erzählt, dass sie es geschafft hat, morgens wieder aufzustehen und mit der Situation umgehen gelernt hat, dann ist das für die anderen Eltern Tausend Mal hilfreicher, als wenn wir mit irgendeiner Ausbildung etwas sagen.“
Beiden Frauen ist es wichtig, achtsam für die Themen der Gruppe zu sein. Dafür braucht es Flexibilität, sagt Verena: „Wir gehen mit der Gruppe ganz offen und flexibel um und schauen immer, was die Gruppe gerade braucht. Darum variieren die Rituale zum Abschluss des Treffens. Mal leitet Verena eine Meditation an, manchmal wird etwas vorgelesen, mal wird gesungen.
Wir müssen reden!
Den Eltern hilft es, in der Trauergruppe über ihren Verlust zu sprechen. In unserer Gesellschaft ist der frühe Tod eines Kindes aber immer noch ein Tabuthema, sagt Verena: „Wir werden geboren, wir leben, wir sterben. Der eine Mensch mit 30, die anderen mit 40, 70 oder 90 Jahren. Wenn aber ein Kind stirbt, passt das nicht in unser Weltbild. Da ist viel Ohnmacht und darum brauchen wir mehr Aufklärung. Es sind ja nicht nur die Eltern, die das Kind verloren haben. Es sind auch die Großeltern und die Geschwister, die ganz oft untergehen.“.
Ein guter Weg, den Betroffenen zu helfen, ist die Anerkennung der Trauer für jedes Kind, egal wie früh es von uns gegangen ist, sagt Heike: „Es fehlt die Anerkennung dafür, dass es ein ganz fürchterlicher Verlust ist. Vor allem Väter und Mütter, die in einem sehr frühen Stadium der Schwangerschaft ihr Kind verloren haben, bekommen Kommentare zu hören wie: Das hat die Natur so entschieden, das war wahrscheinlich besser. Oder: Ach, das passiert doch dauernd, und das war ja noch kein Kind. Oder: Ihr seid doch noch jung, ihr könnt doch noch Kinder kriegen“. Selbst diejenigen, die den Verlust nachvollziehen können, tun sich manchmal schwer im Umgang mit den trauernden Eltern. Was also können wir tun, um die Betroffenen während der schweren Zeit zu unterstützen? „Solche Aussagen wie: Melde dich, wenn du etwas brauchst, sind nicht wirklich hilfreich“, sagt Heike. „Die Betroffenen wissen oft gar nicht, was sie brauchen. Besser wäre zum Beispiel: Ich komme mit einem leeren Wäschekorb und nehme die Dreckwäsche zum Waschen mit. Oder ich stell mal ein gekochtes Essen auf den Tisch. Das sind so ganz alltägliche Dinge, die helfen“.
Du möchtest dich engagieren und Menschen in ihrer Trauer unterstützen? Hier gibt’s alle Infos zum Ehrenamt in der Trauerbegleitung.