Von der Drogensucht ins Ehrenamt: Rouls Geschichte
Der 34-jährige Roul war viele Jahre lang schwer alkohol- und drogenabhängig. Heute engagiert er sich mit viel Herzblut ehrenamtlich beim Kältebus und im Sanitätsdienst der Malteser in Kiel. Ohne die Menschen, die er dabei kennengelernt hat, wäre er vielleicht nicht mehr am Leben, sagt Roul. Uns hat er seine bewegende Geschichte erzählt.
Darum geht’s:
Wenn das Leben aus den Fugen gerät
Als Roul das erste Mal Alkohol trinkt, ist er 16 Jahre alt. Das allein wäre noch nichts Ungewöhnliches, doch bei Roul bleibt es nicht beim gelegentlichen Bier. „Ich war irgendwann nur noch betrunken“, erinnert sich der heute 34-Jährige. Und zum Alkohol kommen schnell weitere Drogen hinzu.
Mit 17 Jahren ist Roul schwer alkoholkrank und drogenabhängig. Damals lebt er in Itzehoe bei Pflegeeltern. „Die waren irgendwann total überfordert mit mir“, sagt er. Roul bekommt Probleme in der Schule, Probleme zu Hause, auch seine psychische Gesundheit leidet extrem unter seinem Konsum. Das alles treibt ihn noch tiefer in die Sucht. „Es war ein richtiger Teufelskreis“, sagt er. Mehrere Suizidversuche überlebt Roul zu dieser Zeit.
Hilfe bei Suizidgedanken und anderen Sorgen
Du hast Suizidgedanken oder brauchst jemanden zum Reden? Die Beraterinnen und Berater der Telefonseelsorge sind für dich da. Rund um die Uhr und an 365 Tagen im Jahr. Die kostenfreien Telefonnummern der Telefonseelsorge: 0800/111 0 111 und 0800/111 0 222. Mehr Infos auch unter telefonseelsorge.de.
Der Totalabsturz als Wendepunkt
Eine Weile geht das alles noch so weiter. Roul zieht zu seinem leiblichen Vater nach Kiel. Auch hier gibt es Probleme – denn der inzwischen 24-Jährige ist im Rausch ein anderer Mensch. „Ich fand mich selbst unerträglich. Ich bin dann von zu Hause weg und war eine Zeit lang obdachlos“, erzählt Roul. Sein Körper ist inzwischen gezeichnet von der Abhängigkeit. Roul bringt 280 Kilo auf die Waage. „Mein Leben war nicht mehr lebenswert.“ Dann der Totalabsturz. Roul trinkt sich ins Koma, wird mit 5,3 Promille Alkohol im Blut ins Krankenhaus eingeliefert und wacht erst zwei Wochen später wieder auf. „Der Arzt sagte damals zu mir, dass niemand wirklich daran geglaubt hat, dass ich nochmal wieder aufwache“, sagt er. „In dem Moment wusste ich: Entweder ich höre jetzt mit den Drogen auf – oder ich gehe bald drauf.“
Fragen und Antworten zum Thema Sucht
Was ist eigentlich eine Sucht und wie entsteht sie? Von was kann man abhängig werden? Was macht die Sucht mit unserer Psyche? Woran erkenne ich, dass ich süchtig bin? Und wie kann ich jemandem in meinem Umfeld helfen, der Anzeichen einer Abhängigkeit zeigt?
Die Antworten auf diese und viele weitere Fragen erhältst du in unserem Artikel „Sucht erklärt: Hintergründe, Risiken und Wege aus der Abhängigkeit“.
Raus aus der Sucht – rein ins Ehrenamt
Roul entscheidet sich fürs Aufhören. Nach dem Entzug im Krankenhaus sucht er sich professionelle Hilfe, zieht ins Wohnhaus Schwanensee Kiel. Hier finden Menschen mit psychischen Erkrankungen und einer zusätzlichen Abhängigkeitsproblematik ein Zuhause und werden rund um die Uhr professionell betreut. Fünf Jahre lebt Roul bereits im Wohnhaus Schwanensee, als ihm eine Mitarbeiterin erzählt, dass der Kältebus der Malteser Kiel Ehrenamtliche sucht. „Als ich damals auf der Straße lebte, hätte ich mir ein Angebot wie den Kältebus gewünscht. Deshalb habe ich mich sofort bei den Maltesern gemeldet“, erzählt Roul. Er darf anfangen, und das läutet einen völlig neuen Lebensabschnitt für ihn ein. Neben der Arbeit beim Kältebus engagiert er sich bald auch im Sanitätsdienst der Malteser Kiel. Seit mehr als dreieinhalb Jahren ist Roul jetzt bei den Maltesern dabei. Allein 2023 kam er auf fast 600 Stunden ehrenamtliches Engagement. „Die ehrenamtliche Arbeit macht mir Spaß und tut mir unglaublich gut“, sagt er. „Ich lerne viel und bekomme immer wieder neue Perspektiven. Ich bin wirklich stolz, ein Teil des Teams zu sein.“
Kälte- und Wärmebusse der Malteser
Unterwegs im Auftrag der Menschlichkeit: Der Kältebus der Malteser Kiel sowie weitere sogenannte Wärmebusse der Malteser sind tagsüber und abends in deutschen Innenstädten unterwegs und verteilen heiße Getränke, warmes Essen und vieles mehr an obdachlose Menschen. Mehr dazu liest du hier.
Die Malteser: Rouls zweite Familie
Roul hilft nicht nur anderen – auch er selbst profitiert von seinem Engagement. Vor allem die Menschen, die er bei den Maltesern kennengelernt hat, möchte er nicht mehr missen. „Meine Kolleginnen und Kollegen haben mich nie für meine Geschichte oder mein Aussehen verurteilt. Sie haben mir eine Chance gegeben, für die ich immer dankbar sein werde.“ Die ehrenamtliche Arbeit macht ihn stabil, sagt Roul, die Strukturen und die Menschen, mit denen er arbeitet, geben ihm Sicherheit und Selbstvertrauen. „Ich habe einen sehr guten Kontakt zum Team und zur Einsatzleitung. Wenn es hart auf hart kommt, dann sind wir alle füreinander da. Die Malteser Kiel sind eine zweite Familie für mich geworden. Ich würde sie für nichts im Leben eintauschen wollen. Der Zusammenhalt ist wunderschön – und das ist für mich mehr wert als alles Geld der Welt. Ich wurde hier aufgefangen und weiß nicht, ob ich ohne die Malteser heute noch am Leben wäre. Sie sind mein Sicherheitsnetz.“ Fragt man Roul nach seinen Träumen und Zielen, dann sagt er: „Alles darf genauso bleiben, wie es ist.“ Eine große Veränderung steht aber doch noch an. Roul wird heiraten. Den Antrag hat er seiner Traumfrau – na klar – auf der Dienststelle der Malteser gemacht.