Verletzungen aus der Schminkbox: Ehrenamtliche sorgen bei Notfallübungen für eine realistische Unfalldarstellung
Katastrophenszenarien werden regelmäßig geübt, damit im Ernstfall alles klappt. Das Team der Realistischen Unfalldarstellung – kurz RUD – sorgt dafür, dass die Übungen möglichst echt wirken. Mona Lindbüchler ist ehrenamtliche Gruppenleiterin RUD bei den Maltesern in Passau und spezialisiert auf das Schminken von Verletzungen.
Darum geht’s:
Die Verletzungen müssen echt aussehen
Blutende Wunden, Verbrennungen und sogar amputierte Finger kann Mona perfekt nachstellen. Mit flüssigem Latex, Spezialwachs und Kunstblut schminkt sie den Schauspielerinnen und Schauspielern detailgetreu Wunden auf Arme, Beine und Gesicht. Ihr Einsatzort sind Notfallübungen in Passau und Umgebung. Bei diesen Übungen werden Rettungskräfte, unter anderem vom Sanitätsdienst oder dem Katastrophenschutz, auf den Ernstfall vorbereitet. Verschiedene Szenarien wie ein Großbrand oder ein Busunglück werden simuliert und die RUD sorgt dafür, dass die Übungseinsätze echt wirken. „Es macht einen Unterschied, ob man eine Puppe vor sich liegen hat oder einen echten Menschen, der schreit“, sagt Mona.
Die Teams der RUD sind Ehrenamtliche, die als Schauspielende verletzte Personen realistisch darstellen oder, wie Mona, mit Schminke täuschend echter Wunden erzeugen. Je nach Art der Verletzung benutzt sie verschiedene Techniken und Materialien, erklärt sie: „Bei einer Person mit Verbrennung arbeiten wir hauptsächlich mit Latexmilch, das ist flüssiger Latex. Bei Trauma-Szenarien, wie einem offenen Fuß oder einem abgehackten Finger, nehmen wir ein spezielles Wachs für die Haut, das man modellieren kann“. Die Materialien dafür bekommt Mona im Internet oder im Theaterbedarf. Die Farbpalette reicht von Blutrot bis Kreidebleich. „Wir schminken Schockzustände wie Herzinfarkt und Schlaganfall, wo jemand käseweiß im Gesicht ist; dazu kommen alle Arten von Platzwunden, Schürfwunden, Verbrennungen, Amputationen und Pfählungen, also Fremdkörper, die in einem Körper stecken“.
Das ist nicht immer so leicht, wie es aussieht. „Ich muss mir genau überlegen, wie die Verletzung ausschauen könnte. Welches Material verwende ich? Mit welcher Schminktechnik kann man das so detailgetreu und so realistisch wie möglich darstellen?“
„Furchtbar“ ist ein Kompliment
Im besten Fall merken die Einsatzkräfte keinen Unterschied zwischen Übung und Realität. Ein Feedback wie „Das sieht aber schrecklich aus!“ ist für Mona und ihr Team ein Kompliment: „Wir bekommen sehr oft zu hören: Wow! Das sieht ja furchtbar aus. Ich dachte, das ist echt. Das ist ein schönes Feedback, weil wir dann wissen, dass wir gut geschminkt haben“.
Mit ihren Skills könnte Mona vermutlich beim Film arbeiten. Tatsächlich ist ihr Beruf Zahnarzthelferin. Seit zehn Jahren engagiert sich die 25-Jährige bei den Maltesern. Angefangen hatte sie im Schulsanitätsdienst bei der Malteser Jugend, war dann in Passau beim Sanitätsdienst und seit 2017 ist sie beim Team der Realistischen Unfalldarstellung. „Das war ein Zufall“, erzählt sie. „Bei einem Tag der offenen Tür der Malteser wurde die Realistische Unfalldarstellung vorgestellt. Meine damalige Chefin hatte mich darauf aufmerksam gemacht.“ Mona macht ihre ersten Schminkversuche und schnell war klar: „Das liegt mir und da möchte ich dranbleiben“. Anfangs begleitet sie Notfallübungen und beobachtet, wie die RUD die Darstellenden schminkt, dann geht sie selbst ans Werk und schließlich bekommt sie mehr Verantwortung: „Seit letztem Jahr bin ich offiziell Gruppenleitung RUD in Passau. Damit habe ich organisatorische Aufgaben übernommen, aber ich schminke auch weiter.“
Mit Absicht Stress erzeugen
Die Realistische Unfalldarstellung kommt in vielen Gebieten zum Einsatz: In Kliniken für das medizinische Fachpersonal, bei der Polizei und Feuerwehr, im Sanitätsdienst und bei Übungen im Katastrophenschutz. „Die Übung hat einen ganz anderen Wert, wie wenn man nur mit Puppen arbeitet“, erklärt Mona das Ziel der RUD. „Wenn bei einer Übung in einem verrauchten Gebäude wirklich drei Personen drinnen sind, habe ich einen anderen Stress und andere Denkmuster, wie wenn ich weiß: da liegt eine Puppe und der kann nichts passieren“.
Auch wenn es nur eine Übung ist, erzeugen die Schauspielenden und ihre echt aussehenden Wunden eine Situation, die der Realität möglichst nahekommen soll. Ziel der RUD ist, den Stress eines echten Notfalls auszulösen, darum wird bewusst auf eine Vorwarnung verzichtet, sagt Mona: „Die Einsatzleute wissen natürlich, dass es ein Szenario ist und in der Regel wissen sie auch, dass die Unfalldarstellung dabei ist. Aber wir kündigen das nicht vorher an. Im Ernstfall wird ja auch niemand auf einen Notfall vorbereitet. Da liegt dann einfach jemand mit einer offenen Wunde und schreit“.
Keine Angst vorm Scheitern haben
Bei den Maltesern gibt es verschiedene Gruppen für die Realistische Unfalldarstellung wie in Köln, Berlin, Rheine, Meckenheim bei Bonn, Hannover und bei Mona in Passau. Wenn es nach ihr geht, sollte es mehr RUD-Gruppen geben: „Das Thema hat wirklich sehr viel Potenzial. Ich lege es jedem ans Herz, in jeder Diözese, in jedem Bundesland so eine Gruppe aufzustellen. Das macht die Übungen sehr viel wertiger.“
Einen Einblick in die Arbeit der RUD gibt es auf Instagram von der RUD Passau und der RUD Meckenheim. Wer sich engagieren möchte, sollte ein gutes Vorstellungsvermögen und Kreativität mitbringen. Es gibt zwei Aufgabengebiete: Die Theaterschminke und das darstellende Spiel. „Wer als Darsteller oder Darstellerin mitmachen möchte, sollte Freude am Schauspielern und auch ein gewisses Talent mitbringen, damit das auch realistisch funktioniert“, sagt Mona. „Wenn du im Schminkbereich tätig werden möchtest, brauchst du Kreativität, die Lust am Ausprobieren und darfst keine Angst vorm Scheitern haben, weil nicht immer alles klappt“, aber genau darin liegt für Mona auch der Reiz: „Das Schminken ist so vielfältig. Das ist eine Herausforderung, aber es ist gleichzeitig auch Entspannung. Man unterhält sich mit den Leuten und dabei vergeht die Zeit ganz schnell“.
Blackout: Großübung der Malteser in Frankfurt
In Frankfurt haben die Malteser eine Großübung durchgeführt. Geprobt wurde ein dreitägiges Szenario, bei welchem unter anderem das Stromnetz zusammengebrochen ist und sehr viele verletzte Menschen versorgt werden müssen. Mit dabei war auch ein Team der Realistischen Unfalldarstellung.
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Du möchtest dich ehrenamtlich engagieren? Ob Realistische Unfalldarstellung, Sanitätsdienst, Begleitdienst oder Katastrophenschutz – bei den Maltesern gibt es viele Ehrenämter. Informiere dich über deine Möglichkeiten, Gutes zu tun.