Freiwilliger Einsatz an den Weihnachtsfeiertagen

Weihnachten: Das sind Feiertage – und Feiertage sind doch eigentlich frei? Nicht für alle. Millionen Menschen müssen an den Feiertagen arbeiten, weil sie in systemrelevanten Berufen tätig sind. Viele melden sich freiwillig für die Feiertagsdienste oder engagieren sich ehrenamtlich. Wir stellen dir Menschen vor, die gerne für andere an Weihnachten im Einsatz sind.

Darum geht's


Weihnachten mit Blaulicht

Wenn in Frankfurt an Heiligabend die Geschäfte schließen, wird es ruhiger in der sonst so lebendigen Stadt. Während die einen beim Essen sitzen und Geschenke unter dem Weihnachtsbaum austauschen, sind Jonas Kießling und Taylan Somuncu in Einsatzbereitschaft. Die beiden arbeiten im Rettungsdienst bei den Maltesern. „Seitdem ich im Rettungsdienst bin, arbeite ich fast immer über Weihnachten“, sagt der 25-jährige Notfallsanitäter Jonas. „Ich finde es fair den Leuten gegenüber, die Familie haben. Wenn ich vielleicht mal Kinder habe, wünsche ich mir auch, dass die Jüngeren sagen: Hey, komm, ich übernehme das.“

Wie Jonas arbeitet auch sein Kollege Taylan freiwillig an Weihnachten. Für ihn ist es ein Tag wie jeder andere auch, sagt er: „Ich bin muslimisch aufgewachsen und feiere kein Weihnachten.“ Und doch merkt der 26-jährige Rettungssanitäter die weihnachtliche Stimmung ganz deutlich: „Ich finde es immer wieder sehr faszinierend, wie viel Mühe sich die Leute geben für so wenige Tage, aber trotzdem irgendwie versuchen, noch zusammenzukommen“, sagt Taylan. Darin liegt gleichzeitig auch die Herausforderung der Einsätze an den Feiertagen. „Wenn die Familien an Weihnachten zusammenkommen, sind meistens auch mehrere Personen dabei, wenn wir gerufen werden. Dann stehen die Angehörigen drumherum und jeder hat seine eigene Meinung, die er beitragen möchte. Das kann unseren Einsatz manchmal erschweren.“ Trotzdem ist Taylan und Jonas klar, dass Notfälle an Weihnachten für die Betroffenen oft besonders viel Stress bedeuten. „An den Feiertagen ist es ein anderes Setting, wenn ein Familienmitglied einen Schlaganfall oder Herzinfarkt erleidet“, so Jonas.

Doch nicht alle sorgen sich so sehr um ihre Familienmitglieder. Während ihrer Weihnachtseinsätze im Rettungsdienst bekommen die beiden auch traurige Dinge mit, sagt Jonas: „Wir erleben es relativ häufig an Weihnachten, dass Familien immer wieder versuchen, die Pflegefälle ins Krankenhaus abzuschieben. Wir sollen dann die Mutter mitnehmen, obwohl es keine Indikation gibt. Das ist etwas, was mich sehr beschäftigt.“

Eine weitere traurige Seite, die Jonas und Taylan besonders deutlich wird, ist die Einsamkeit vieler Menschen zu Weihnachten. Jonas erinnert sich an eine ältere Dame, deren Mann nach 30 Jahren Ehe verstorben war.
„Da merkt man, dass das medizinische Problem nicht das eigentliche Problem ist, sondern der Wunsch, mal mit jemandem zu sprechen. Natürlich nehmen wir uns dann mal kurz Zeit für einen Small Talk und geben den Leuten das Gefühl, dass sie nicht ganz allein sind.“

Einsamkeit an Weihnachten kennt auch Taylan gut und zwar persönlich wie beruflich:
„Ich kenne es selbst. Weihnachten hat fast keiner meiner Freunde Zeit, weil sie alle mit der Familie etwas machen. Und dann gibt es Leute, die haben absolut keine Familie und Freunde. Die sind wirklich allein. Das kann auch zu Suiziden führen, die zu dieser Zeit öfter vorkommen. Das habe ich bei der Freiwilligen Feuerwehr schon erlebt.“ Dort engagiert Taylan sich ehrenamtlich.

Solltest du oder Menschen in deinem Umfeld von suizidalen Gedanken betroffen sein, zögere nicht, dir umgehend Hilfe zu holen. Eine erste Anlaufstelle könnte zum Beispiel die Telefonseelsorge sein, die du unter den Telefonnummern 0800 111 0 111, 0800 111 0 222 oder 116 123 erreichst. Du kannst auch per Mail oder Chat Kontakt aufnehmen.

Bei all der Dramatik gibt es aber auch die schönen Seiten des Weihnachtsfestes, sagt Jonas: „Wenn man in die Wohnungen reinkommt, steht da der Christbaum oder der Weihnachtsbaum. Alles ist festlich dekoriert, das ist etwas Besonderes.“ Und Taylan erlebt eine stärkere Nähe zwischen den Menschen: „Die Leute sind gastfreundlicher, zeigen mehr Dankbarkeit und wollen häufiger, dass wir zum Kaffee bleiben, was wir dankend ablehnen müssen. Wir sind ja im Einsatz.“

Heiligabend im Hospiz

Ein letztes Mal Weihnachten mit der Familie feiern. Klingt traurig? Andreas Hruschka sorgt dafür, dass es ein fröhliches Weihnachtsfest wird. Der 53-Jährige ist ehrenamtlicher Sterbebegleiter bei den Maltesern im Hospiz Sankt Felix in Neustadt in der Oberpfalz. 2023 startet er mit der Hilfe von zwei Freunden eine Weihnachtsfeier im Hospiz. „Vor Jahren hatte ich eine Hospizbegleitung gemacht und die Person, die ich begleitet habe, hatte an Weihnachten keinen Besuch bekommen“, sagt Andreas. „Ich habe gedacht: Das geht nicht, dass die Person Weihnachten alleine im Hospiz verbringt. Ein letztes Mal Weihnachten möchte man doch mit der Familie verbringen.“ Er erkundigt sich, wie die Feiertage im Hospiz ablaufen. „Dann hieß es: Es ist ein Tag wie jeder andere auch. Man bemüht sich zwar, aber um es festlich zu machen, fehlt das Personal.“ Andreas bespricht sich mit der Hospizleitung und stellt mithilfe von Freunden eine Weihnachtsfeier für die Hospizbewohnerinnen und -bewohner zusammen mit deren Familien auf die Beine.

Seitdem verbringt er den Heiligabend jedes Jahr im Hospiz. Ab 14 Uhr starten er und andere Freiwillige mit den Vorbereitungen. „Wir schmücken die Tische schön, bereiten das Essen vor und um 16 Uhr beginnt dann die Feier bis circa 21 Uhr.“ Jede Familie sitzt an einem eigenen Tisch und dennoch sind alle gemeinsam in einem großen Raum. Es wird die Weihnachtsgeschichte vorgelesen, Lieder gesungen, es gibt Plätzchen und Glühwein und Andreas hat auch schon mal selbstgebrannten Schnaps mitgebracht, was zu Irritationen führte. „Da sagte eine Dame zu mir: Ich kann doch keinen Schnaps trinken mit meinen Medikamenten. Ich fragte sie: Was wollen Sie denn jetzt noch kaputt machen? Sie dachte kurz nach, lachte und sagte: 'Stimmt, gib her! ' Das sind genau solche Momente, aufgrund derer ich das mache.“

Es soll lustig und fröhlich zugehen an Weihnachten, das ist Andreas wichtig. In einem Hospiz ist das gar nicht so leicht umzusetzen, wenn der Tod allgegenwärtig ist. „Die größte Angst ist, dass alles weinerlich und traurig wird. Besonders die Angehörigen wissen oft nicht, wie sie reagieren sollen, sind ängstlich und zurückhaltend. Das Eis zu brechen und in eine Normalität zu gehen, ist für mich immer die größte Herausforderung. Ich möchte Erinnerungen an das letzte Weihnachten schaffen. Das ist zwar traurig, aber trotzdem sind es Erinnerungen. Man kann erzählen, wie es früher war oder schöne Erinnerungen für die Angehörigen schaffen.“ Genau das machte Andreas einer Bewohnerin klar, die nicht mehr aus dem Bett aufstehen wollte, auch nicht für die Weihnachtsfeier. Er redete auf sie ein, aber sie wollte nicht aufstehen.

„Es war dann 16 Uhr und ich sehe, wie die Frau im Rollstuhl in den Raum gefahren wird“, so Andreas. „Da kamen mir wirklich die Tränen. Das war so emotional, das kann man überhaupt nicht begreifen und sich vorstellen. Als ich sie fragte, warum sie jetzt doch kommt, sagte sie: 'Aber heute ist doch Weihnachten, haben Sie gesagt, und ich soll Erinnerungen schaffen.' Das war wirklich toll!“

Andreas ist gerne an Heiligabend im Einsatz. „Man bekommt so viel Dankbarkeit zurück“, sagt er. „Manchmal fragen Leute: Du müsstest heute gar nicht hier sein. Hast du keine Familie? Doch, sage ich, aber mir ist es wichtig, auch mit euch zu feiern. Das ist für mich das Besondere an diesem Tag.“

Am Telefon zu Weihnachten

Gaby Bröckl sitzt im festlich geschmückten Büro. Neben der Computertastatur dampft der Tee im Weihnachtsbecher. Seit ihre Kinder erwachsen sind, arbeitet Gaby jedes Jahr an den Feiertagen im Hausnotruf der Malteser im hessischen Oestrich-Winkel. Dort betreut sie die Notrufe der älteren Menschen, die zu Hause Hilfe benötigen. Über einen Knopf werden sie unter anderem mit Gaby verbunden, die sich um die Person kümmert. Auf ihrem Bildschirm ploppen alle Informationen zur Krankengeschichte der Person auf.

Zu Weihnachten sind die Menschen besonders emotional und für einige Leute sind es wirklich harte Tage, sagt Gaby: „Manche lösen den Notruf aus, weil sie deprimiert sind und Gesellschaft brauchen. Es gibt auch Anruferinnen und Anrufer, die Suizidgedanken äußern.“ Gaby organisiert dann sofort Hilfe. In den weniger dramatischen Fällen hört sie vor allem zu, fragt nach und nimmt sich Zeit für die Anrufenden. Nach 15 Jahren im Hausnotruf weiß die 63-Jährige, wie sie die Dinge nicht allzu nah an sich heranlässt. Vor einigen Jahren hat sie allerdings etwas erlebt, das sie heute noch tief berührt: „Eine Dame drückte den Notrufknopf und erzählte mir, sie habe ein wunderschönes Weihnachtsfest gehabt, denn ihr Mann habe sie endlich mal wieder besucht. Bei Kaffee und Kuchen hätten sie zusammengesessen und sich unterhalten. In den Notizen las ich parallel, dass sie 97 Jahre alt war und ihren verstorbenen Mann suchte. Das hat mich sehr berührt und ich musste tief durchatmen.“

Weihnachten auf der Intensivstation

Weihnachtsbäume gibt es hier nicht. Auf der Intensivstation des Malteser Hospitals St. Franziskus in Flensburg herrschen strenge Hygienevorschriften. Logisch! Damit an den Feiertagen trotzdem ein bisschen Weihnachtsstimmung aufkommt, tragen die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter Weihnachtsmützen und schmücken den Aufenthaltsraum und den Empfangstresen mit weihnachtlicher Dekoration. Seit über 20 Jahren arbeitet Kerrin Wintschel-Peisker als Pflegekraft und das auch an Weihnachten. Seit fünf Jahren ist sie stellvertretende pflegerische Leiterin der Intensivstation und schätzt die besondere Stimmung an den Feiertagen sehr: „Alle sind besonnener. Ich habe noch nie jemanden an Weihnachten fluchen oder sich über die Arbeit oder Kollegen beschweren hören. Das Fest der Liebe macht sich bei uns allen bemerkbar.“ Auf ein gemeinsames Essen, leckere Naschereien und kleine Geschenke will niemand im Team verzichten. Darum bringen alle, die an den Feiertagen arbeiten, etwas zum Essen mit und es wird gewichtelt. Für einen besonderen Gänsehautmoment sorgt ein Chor, der jedes Jahr an Heiligabend auf der Station Weihnachtslieder singt. „Damit alle Patientinnen und Patienten die Lieder hören können, öffnen wir die Türen zu den Fluren und Zimmern“, sagt Kerrin.

Manchmal prallen besinnliche Weihnachtsstimmung und der Ernst des Lebens aufeinander. Das bleibt nicht aus auf einer Intensivstation. „Es geht mir immer sehr nahe, wenn ein Patient an Heiligabend stirbt.“ Dann stellen Kerrin und das Team die fröhliche Feststimmung aus Respekt vor den Angehörigen etwas zurück. „Das wird sonst der Trauer der Angehörigen nicht gerecht.“

Die kleinen Weihnachtswunder gibt es trotz aller Herausforderungen immer wieder. Kerrin erlebt die Patientinnen und Patienten und ihre Angehörigen an Weihnachten viel herzlicher und dankbarer. Mit Kaffee, Keksen oder Schokolade drücken sie den Pflegekräften ihre Wertschätzung aus. Das genießen die Mitarbeitenden jedes Jahr: „An Heiligabend zu arbeiten, macht mir nichts aus“, so Kerrin. „Die besonderen Weihnachtsmomente überwiegen.“

Du möchtest dich engagieren? Inspiration für dein Engagement zu Weihnachten findest du in diesem Artikel. Infos zum Ehrenamt findest du hier.


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