Auch nach der Assad-Ära bleibt die Lage in Syrien kritisch

Als Syriens Diktator Baschar al-Assad Ende letzten Jahres in einer Nacht-und-Nebel-Aktion nach Moskau floh, war die weltweite Erleichterung groß: Die 24-jährige Gewaltherrschaft des Despoten mit Terror, Bürgerkrieg, mindestens einer halben Million Toten und sechs Millionen aus dem Land Geflüchteten war endlich vorbei. Rechnet man die ebenfalls von Unterdrückung geprägte Regierungszeit seines Vaters Hafez al-Assad dazu, endete ein rund 54 Jahre andauerndes Regime.

Doch auch unter der neuen Übergangsregierung ist die Lage im Land äußerst angespannt und instabil, ständig flammen bewaffnete Kämpfe auf, die gesundheitliche Versorgung der Bevölkerung bleibt katastrophal.

Syrien: Armut und Elend prägen weiter den Alltag

Der Großteil der 24 Millionen Menschen in Syrien lebt auch nach dem Machtwechsel in bitterer Armut. Viele sind obdachlos, sind unter schwierigen Bedingungen in Camps untergebracht, haben keine ausreichende Grundversorgung mit Strom und sauberem Wasser und sind auf humanitäre Unterstützung durch Hilfsorganisationen angewiesen. Die EU hat zwar im Frühjahr 2025 die Wirtschaftssanktionen gelockert, um dem Land eine Chance auf Stabilisierung zu geben, doch konkrete positive Auswirkungen für die Bevölkerung sind bislang kaum erkennbar.

Gesundheitsversorgung in Syrien am Rande des Zusammenbruchs

Die Infrastruktur des Landes ist nach fast 14 Jahren Krieg, wirtschaftlicher Not und dem schweren Erdbeben 2023 massiv beeinträchtigt. Mehr als die Hälfte der Krankenhäuser und viele ärztliche Einrichtungen sind zerstört, es fehlt an Medikamenten ebenso wie an medizinischer Ausrüstung und ausgebildetem Personal. Mehr als 70 Prozent der Ärztinnen, Ärzte und Pflegekräfte wurden getötet, entführt oder vertrieben. Auch die Grundversorgung mit Strom und sauberem Wasser ist weiterhin nicht gewährleistet.

Geflüchtete kehren heim – in ein Land in Trümmern

Bis Mai 2025 kehrten laut UNO-Flüchtlingshilfe 850.000 Geflüchtete, meist aus den Nachbarstaaten, nach Syrien zurück – dazu kommen 1,2 Millionen Binnenvertriebene, die in ihren Heimatorten wieder Fuß zu fassen versuchen. Doch viele Städte und Dörfer liegen in Trümmern, insbesondere in Regionen wie Idlib, Aleppo, Homs und Daraa. Rückkehrende Syrerinnen und Syrer finden ihre Häuser oft zerstört oder unbewohnbar vor, und in manchen Gebieten sind bis zu 70 Prozent der Wohngebäude zerstört. Viele der Menschen leben in Camps unter prekären Verhältnissen, Krankheiten wie Cholera breiten sich aus. Neben dem Flüchtlingshilfswerk der UNO (UNHCR) engagieren sich auch Hilfsorganisationen wie Malteser International, um die Menschen in dem leidgeprägten Land mit dem Notwendigsten zu versorgen.

Instabile Sicherheitslage erschwert humanitäre Hilfe in Syrien

Der Machtwechsel hat zwar Hoffnungen auf bessere Arbeitsbedingungen für die Hilfsorganisationen in Syrien geweckt, doch die Sicherheitslage ist weiterhin instabil und oft schwer kalkulierbar und die Hilfsmöglichkeiten von internationalen Organisationen bleiben eingeschränkt und von lokalen Machtverhältnissen abhängig. Dazu kommen terroristische Anschläge, etwa durch den IS, und eine hohe Kriminalitätsrate, die durch mangelhafte Sicherheitsstrukturen begünstigt wird.

Malteser International: seit 13 Jahren im Einsatz für Syrien

Malteser International ist seit 2012 in Syrien über starke Partnerorganisationen aktiv und zählt zu den wenigen Organisationen, die kontinuierlich unter den schwierigen und oft gefährlichen Bedingungen vor Ort arbeiten. Malteser International unterstützt u.a. 18 Gesundheitseinrichtungen in Syrien, die aktuell (Stand: Juni 2025) stark überlastet und unterfinanziert sind. Die Schwerpunkte der Arbeit der Malteser vor Ort liegen vorwiegend im Bereich Gesundheit:

  • Unterstützung von Krankenhäusern und anderen Gesundheitseinrichtungen
  • Die Versorgung der Menschen mit sauberem Wasser, Lebensmitteln und Hygieneartikeln.
  • Psychosoziale Hilfe für Traumatisierte, vor allem in den Flüchtlingscamps.
  • Versorgung der Bevölkerung mit lebenswichtigen Medikamenten.

Al-Shiifa-Projekt: Ärztinnen und Ärzte aus Deutschland helfen vor Ort

Eine bedeutende Hilfsinitiative ist das Al-Shiifa-Projekt, das von den Maltesern unterstützt wird. Dabei handelt es sich um einen Zusammenschluss von in Deutschland lebenden Ärztinnen und Ärzten mit syrischen Wurzeln, die ehrenamtlich in Syrien Hilfe leisten. Rund 100 von ihnen reisen in das arabische Land, um dort vor Ort in mehreren Einrichtungen Behandlungen und Operationen durchzuführen. Die Malteser unterstützen das Projekt organisatorisch und finanzieren medizinische Ausrüstungen wesentlicher orthopädischer und neurologischer chirurgischer Verbrauchsmaterialien. Des Weiteren unterstützte Malteser International auch die Transportkosten der Koordinatoren vor Ort und der medizinischen Expertenteams zu den Krankenhausstandorten während des Kampagnenzeitraums. Lokaler Partner vor Ort ist die Independent Doctors Association.

Wem helfen die Ärztinnen und Ärzte mit syrischen Wurzeln?

Insgesamt gab es für das Al-Shiifa-Projekt mehr als 12.000 Anträge von Patientinnen und Patienten, die nach Dringlichkeit und Machbarkeit sortiert wurden. 600 Operationen – insbesondere Herzeingriffe – wurden dann landesweit in 13 Einrichtungen von den Fachleuten für Kardiologie, Gefäßchirurgie und Orthopädie durchgeführt. Auf einem Kongress in Damaskus tauschten die 100 in Deutschland lebenden syrischen Medizinerinnen und Mediziner ihre Erfahrungen aus.

Eine der Patientinnen war Joud, ein dreijähriges Mädchen, das in Damaskus von einem Auto angefahren wurde, als sie mit ihrer Mutter auf dem Weg zum Supermarkt war. Bei dem Unfall brach ihre Halswirbelsäule – aber sie hatte das Glück, schnell in eine städtische Klinik gebracht zu werden. Dort behandelte sie der seit 2013 in Dresden lebende Neurochirurg Dr. Majd Alkhatib (39), der im Rahmen des Projektes in Damaskus arbeitete.

Unter welchen Bedingungen arbeiten die Ärztinnen und Ärzte?

Majd Alkhatib berichtet von den Umständen vor Ort: „Erstmal haben wir gewartet, weil Narkosemittel nicht vorhanden waren. Der Leiter der Anästhesie kam und berichtete, dass es überhaupt keine Narkosemittel gebe. Die OP wurde also verschoben und eine Stunde später kam der Leiter der Anästhesie und sagte, sie hätten etwas bekommen. Für das Kind war das eine Katastrophe, zusätzlich zu dem Unfall noch zu warten. Obwohl es ein städtisches Krankenhaus ist, müssen die Angehörigen in der Regel das Material besorgen und bezahlen, das kann man sich nicht vorstellen, auch die Schrauben für OPs.“ Inzwischen geht es der kleinen Joud besser, die Operation ist gut verlaufen. Dr. Alkhatib: „Das Mädchen hat noch eine Armschwäche, darum kümmert sich die Familie zu Hause. Physiotherapie machen hier in der Regel die Angehörigen, das wird in den Krankenhäusern nicht angeboten.“

In Syriens Gesundheitssystem muss vieles besser werden

Obwohl das Krankenhaus zu den besten in Damaskus gehört, gibt es eine sehr hohe Infektionsrate nach Operationen. „Das fängt auf der Station an“, sagt der Dresdener Mediziner Dr. Alkhatib. „Man hat keinen Alkohol zum Desinfizieren, noch nicht einmal Seife zum Händewaschen. Handschuhe gibt es nicht. Man braucht wirklich eine radikale Änderung im Krankenhausstandard. Es gibt noch etliche Punkte, die verbessert werden müssten.“ Das ist eines der zentralen Motive für die Malteser, neben allen anderen Aktivitäten auch das Al-Shiifa-Projekt weiter zu unterstützen.


„Es ist uns wichtig, den Aufbau der Gesundheitsstruktur in Syrien mit voranzutreiben.“

Clemens Graf von Mirbach, Generalsekretär von Malteser International


Hilfe vor Ort schult auch das heimische Personal

Die Zusammenarbeit mit den in Deutschland in Krankenhäusern und Kliniken tätigen Ärztinnen und Ärzten trägt zum Wissenstransfer mit dem heimischen Personal in Syrien bei. Medizinerinnen und Mediziner und Pflegende lernen von den arabisch sprechenden Kolleginnen und Kollegen aus Deutschland fachliches Know-how sowie neue Methoden in der Behandlung und Nachbehandlung. Weitere ehrenamtliche Einsätze der syrischen Medizin-Fachleute aus Deutschland sind bereits in Planung.

„Es ist uns wichtig, den Aufbau der Gesundheitsstruktur in Syrien mit voranzutreiben“, sagt Clemens Graf von Mirbach, Generalsekretär von Malteser International. „Während des Bürgerkriegs haben wir mit zahlreichen Kliniken, Gesundheitsstationen und Personal versucht, den geflüchteten Menschen im Land eine medizinische Anlaufstelle zu geben. Nach dem Ende des Assad-Regimes können wir und unsere Partner uns nun freier bewegen und besser helfen. Das Al-Shifaa-Projekt von in Deutschland lebenden Ärzte mit syrischen Wurzeln ist sehr wertvoll, weil es viele Menschen vor schweren gesundheitlichen Schäden oder gar dem frühzeitigen Tod bewahrt.“

So kannst auch du den Menschen in Syrien helfen:

Mit einer Spende kannst du Malteser International unterstützen, ihre Hilfsmaßnahmen vor Ort weiterhin aufrechtzuerhalten und den betroffenen Menschen zu helfen.


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