Geburtsklinik in Bethlehem – ein ungewöhnliches Krankenhaus

Nur 800 Meter von dem Ort entfernt, an dem der Überlieferung nach Jesus Christus geboren wurde, liegt eines der ungewöhnlichsten Krankenhäuser der Welt: das Holy Family Hospital Betlehem. In der Region hat die Klinik Vorbildfunktion – doch durch die Corona-Pandemie ist die Arbeit vor Ort nur noch eingeschränkt möglich.

Darum geht’s


Was ist das Holy Familiy Hospital Bethlehem?

Das Holy Family Hospital Bethlehem (das Malteser Krankenhaus zur Heiligen Familie) wurde 1985 auf Wunsch von Papst Johannes Paul II. von den Maltesern als Geburtsklinik eröffnet. Im Zentrum der Spannungen zwischen Palästinensern und Israelis steht das Krankenhaus allen offen – ganz gleich ob Christen, Muslimen oder Juden, ganz gleich ob reich oder arm. Doch die Corona-Pandemie hat das oft als „Leuchtfeuer der Hoffnung“ bezeichnete Haus in die größte Krise seiner wechselvollen Geschichte gestürzt.

Was macht die Klinik so besonders?

88.000 Babys haben in der Geburtsklinik, die als die beste und modernste des gesamten Westjordanlandes gilt, das Licht der Welt erblickt. Auf der Neugeborenen-Intensivstation werden jedes Jahr 450 Kinder behandelt. Hier können Babys ab einem Gewicht von nur 500 Gramm versorgt werden. Zudem ist die Einrichtung das einzige Hospital in der Region, das Frühchen retten kann, die vor der 32. Schwangerschaftswoche geboren werden. Außerdem ist sie die einzige Klinik des Westjordanlandes, die in der Lage ist, Hochrisiko-Schwangerschaften zu betreuen.

Dr. Micheline Alquassi, Ärztin auf der Neugeborenen-Intensivstation: „Es ist ein ganz besonderes Krankenhaus, denn man schenkt jeden Tag Freude. Man gibt neues Leben. Wir alle versuchen unser Bestes, um die Menschen glücklich zu machen. Denn wissen Sie, unser Volk lebt hier wie in einem Gefängnis. Und wenn Menschen in die Klinik kommen, geht es nicht nur darum, bei der Geburt zu helfen, sondern ihnen auch das Gefühl eines Zuhauses zu geben. Wenn eine Mutter länger bleiben will, dann kann sie bleiben“.

Warum ist diese Geburtsklinik so wichtig?

In das Holy Family Hospital Bethlehem kommen Mitarbeiterinnen der UN genauso wie Palästinenserinnen aus allen Schichten, Frauen aus Flüchtlingslagern oder den in der Wüste verstreuten Beduinencamps. Das Motto der Klinik: „Niemand wird jemals abgewiesen.“ Religion spielt ebenso wenig eine Rolle wie ethnische Zugehörigkeit oder die wirtschaftlichen Verhältnisse. Normalerweise müssen Patientinnen 50 Prozent der Behandlungskosten selbst tragen, den Rest übernimmt das Holy Family Hospital aus Mitteln der Stiftung, Zuwendungen der Malteser und Spenden.

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„Wenn die Patientinnen nicht viel Geld haben, zahlen sie, was sie können“, erklärt Michelle Burke Bowe, Präsidentin der Holy Family Hospital Foundation, die das Krankenhaus trägt: „Aber viele sind so arm, dass sie gar keine Mittel haben“. Das Holy Family Hospital hilft ihnen allen, versorgt bedürftige Mütter und Kinder kostenlos – und das mit medizinischen Standards, von denen Expertinnen und Experten sagen, dass sie denen in Westeuropa entsprechen. Kein Wunder, dass die Geburtsklinik in dem imposanten Steinbau weit über die Grenzen Bethlehems bekannt ist. Werdende Mütter reisen aus entfernten Orten wie Hebron oder Jericho an.

Warum trifft die Corona-Pandemie das Holy Family Hospital Bethlehem besonders hart?

Schon in normalen Zeiten sind Krisen und Probleme der Normalzustand in Bethlehem. Die Stadt ist umgeben von acht Meter hohen Mauern aus Stahlbeton, die Teil der israelischen Sperranlagen entlang der Grenze zum Westjordanland sind. Der Zugang zur Stadt ist reglementiert, die Wirtschaft leidet. Bei den 17- bis 23-Jährigen etwa beträgt die Arbeitslosenquote fast 90 Prozent. Mit dem Covid-19-Lockdown kam die Haupteinnahmequelle der Region, der internationale Tourismus ins Heilige Land, vollständig zum Erliegen.

Auch viele Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter unabhängiger Organisationen (Non-governmental organisations, kurz: NGO) zogen sich aus der Region zurück, die Arbeitslosigkeit stieg wieder steil an. So kommen derzeit 45 Prozent der Patientinnen des Holy Family Hospitals aus schwierigen sozialen Verhältnissen, weitere 44 Prozent sind Flüchtlinge. Und gerade einmal neun Prozent haben einen sogenannten gehobenen sozialen Status. Michelle betont: „Nur ein Drittel unserer Patientinnen bezahlt heute überhaupt noch etwas für die Behandlung. Und das hat furchtbare Auswirkungen auf das Krankenhaus. Wir müssen schließlich 170 Angestellte bezahlen, Waren und Medikamente kaufen und dafür sorgen, dass hier nicht die Lichter ausgehen.“

Wie gefährlich ist die Situation für Neugeborene?

Durch Covid-19 wurde die ohnehin eingeschränkte Bewegungsfreiheit in der Region noch weiter limitiert. So darf zwar das medizinische Personal ungehindert zum Krankenhaus fahren, für Patientinnen und ihre Angehörigen wird das aber zunehmend unmöglich. Schwangeren Frauen, die früher weite Wege zum Hospital zurückgelegt haben, ist das durch den Lockdown weitgehend untersagt. Michelle warnt: „Damit sind diese Frauen gezwungen, zu Hause zu entbinden und riskieren dabei ihr Leben und das ihrer Babys.“ Auch der Transport von Notfällen aus dem Holy Family Hospital in dafür ausgerüstete Spezialkliniken in Jerusalem ist hochproblematisch.

„Bei Neugeborenen etwa mit Herzfehlern zählt jede Minute“, sagt Michelle. Früher habe man sie im Krankenwagen zu einem Checkpoint gebracht, wo das medizinische Personal eines Hospitals aus Jerusalem, sie übernommen habe. „Das ist jetzt nicht mehr möglich. Der Weg über die Behörden dauert zu lange. Dabei muss das Gehirn eines Säuglings auch während des Transports ständig mit Sauerstoff versorgt werden. Wie gut das funktioniert, entscheidet darüber, was für eine Art Leben er später führen wird. In so einem Fall kann man nur noch auf ein Wunder hoffen.“

Wie kannst du helfen?

„Wir hatten es hier immer schwer, aber das jetzt ist das Schlimmste, was ich je erlebt habe“, sagt Michelle über die verheerenden Folgen der Corona-Krise in Bethlehem. Die Gehälter von Ärztinnen und Ärzten sowie des sonstigen Personals im Krankenhaus wurden bereits gekürzt. „Was wir jetzt noch tun können, ist beten und um Spenden bitten.“
Schon 100 Euro sichern die Pflege eines Frühgeborenen auf der Intensivstation durch eine Krankenschwester. Hier kannst du die Geburtsklinik mit deiner Spende unterstützen.


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