Kriegswinter in der Ukraine: Für die Menschen lebensbedrohlich
Die Temperaturen fallen unter den Gefrierpunkt, die Bombardements gehen weiter: Die Not der Menschen in der Ukraine wächst. Sie leiden unter Hunger, Kälte, Krankheiten. Woran es jetzt mangelt und wie du helfen kannst, erfährst du hier.
Darum geht's:
- Wie ist die aktuelle Lage in der Ukraine?
- Ukraine im Winter – ein verwüstetes Land
- Wie geht es den Menschen in den befreiten Gebieten?
- Ukraine-Winter: Was droht den Menschen jetzt?
- Wie ist die medizinische Versorgung in der Ukraine?
- Winter in der Ukraine – das Essen für die Armen wird knapp
- Wie helfen die Malteser?
Wie ist die aktuelle Lage in der Ukraine?
Die Hälfte der ukrainischen Energieinfrastruktur ist entweder beschädigt oder zerstört. Dies hat bereits Auswirkungen auf das Gesundheitssystem und die Gesundheit der Menschen. Dr. Hans Henri P. Kluge, WHO-Regionaldirektor für Europa, warnt: „Dieser Winter wird für Millionen Menschen in der Ukraine lebensbedrohlich.“
Die Lage in der Ukraine für die Menschen verschärft sich stetig. Die Männer, Frauen und Kinder leiden unter Hunger, Kälte und traumatischen Kriegserlebnissen. Und kein Ende ist in Sicht. Fast täglich greift Russland die Ukraine mit Raketen, Marschflugkörpern und Drohnen an. Ziel ist die zivile Infrastruktur, die im Winter elementar für die Bevölkerung ist. Die Angriffe auf Kraftwerke und Förderungsanlagen haben schon jetzt verheerende Folgen: Rund zehn Millionen Menschen können nicht mehr mit Strom, Gas oder Wasser versorgt werden. Es droht der komplette Kollaps, eine humanitäre Katastrophe. Kiews Bürgermeister Vitali Klitschko sagte der BILD-Zeitung, das sei der „schlimmste Winter seit dem Zweiten Weltkrieg“ für sein Land.

Die Ukraine – ein verwüstetes Land
Der landesweite Angriffskrieg hat nicht nur zigtausend Menschenleben gekostet, er hat aus der Ukraine auch ein verwüstetes Land gemacht. Russland versucht, mit massiven Angriffen auf die Energieversorgung, das Leben in den Städten unerträglich zu machen. So wurden rund 30 Prozent der ukrainischen Kraftwerke zerstört, es besteht das Risiko, dass die Stromversorgung in weiten Teilen des Landes ausfällt. „Die verheerende Energiekrise, die sich verschärfende psychische Notlage, Einschränkungen beim humanitären Zugang und das Risiko von Virusinfektionen werden diesen Winter zu einem gewaltigen Test für das ukrainische Gesundheitssystem und das ukrainische Volk, aber auch für die Welt und ihr Engagement zur Unterstützung der Ukraine machen“, sagt Hans Kluge.
Das brutale Vorgehen gegen die Zivilbevölkerung steht indes in direktem Zusammenhang mit den militärischen Misserfolgen der russischen Armee. So hat das ukrainische Militär inzwischen mehr als die Hälfte der Gebiete befreit, die Russland nach dem 24. Februar besetzt hatte. Insbesondere in den befreiten Regionen ist die Situation der Zivilbevölkerung katastrophal. Die russische Armee hinterließ eine Schneise der Verwüstung, Zivilisten wurden verschleppt, vergewaltigt, gefoltert und ermordet. Der Grad der Zerstörung in den umkämpften Gebieten etwa um Kharkiv im Nordosten der Ukraine beträgt nach Angaben der lokalen Behörden zwischen 50 und 100 Prozent.

Wie geht es den Menschen in den befreiten Gebieten?
Die Menschen hier haben kaum vorstellbares Leid erfahren – und viele von ihnen trotzdem nicht ihren Glauben an die Zukunft verloren. Das Schicksal einer 82-Jährigen steht stellvertretend für den Lebensmut vieler ihrer Landsleute. „Oma Nina“, wie sie in ihrem Dorf Korobochkino genannt wird, schlief, als ihr Haus nachts von Raketen völlig zerstört wurde. Die religiöse Frau überlebte wie durch ein Wunder und ist sicher: „Gott hat mich gerettet.“ Sie weigerte sich, ihr Dorf zu verlassen und zog stattdessen in ihre Scheune.
Freiwillige Helferinnen und Helfer der Malteser Ukraine unterstützten sie dabei, das Gebäude zu isolieren und halbwegs winterfest zu machen. Bekannte schenkten ihr einen alten Ofen und eine Gaskartusche. Hier lebt die 82-Jährige nun mit ihren vier Hunden, acht Hühnern und einer Ziege und kümmert sich um ihren Gemüsegarten, in dem ein Bombenkrater klafft. Sie sagt, sie habe ihr ganzes Leben hart gearbeitet. Und: „Ich habe auch jetzt noch genug Enthusiasmus und Energie.“
Nadiya (40) und ihre Familie verbrachten 44 Tage in einem Keller in Kharkiv, als der Krieg über die Stadt hereinbrach. Als die Bombardements aufhörten und sie mit ihren Kindern zum ersten Mal wieder in Tageslicht traten, hielt ihre kleine Tochter sich 20 Minuten lang die Augen zu – weil die Sonne viel zu hell war. „Wir haben erlebt, wie Wohnhäuser von Raketen getroffen wurden, wie Erwachsene und Kinder zerrissen wurden. Ich wünsche niemandem, das zu sehen, was meine Töchter gesehen haben.“ Inzwischen lebt die Familie in Flüchtlingsunterkünften in der westukrainischen Stadt Lviv, die von den Maltesern bereitgestellt wurden. Nadiyas Mann hat Arbeit gefunden und die 40-Jährige sagt: „Wir können uns das Notwendigste leisten.“
Ukraine-Winter: Was droht den Menschen jetzt?
Doch viele andere harren unter widrigsten Umständen in ihren Heimatregionen aus. Das Ministerium für die Reintegration der vorübergehend besetzten Gebiete rät derzeit dringend zur Evakuierung von Älteren und Menschen mit eingeschränkter Mobilität. Die Ministerin warnt: „Wir wissen, dass in der Region Kherson und in der Region Kharkiv nicht alle Siedlungen den Winter überstehen werden.“ In Teilen des Landes könnten die Temperaturen laut WHO auf -20 Grad sinken. Und, wie Dr. Hans Henri P. Kluge konstatiert: „Kaltes Wetter kann tödlich sein.“ Ohne Heizung steige bei Minustemperaturen das Risiko für Lungenentzündungen, Herzinfarkte und Gehirnschläge. Der WHO-Experte befürchtet, dass zwei bis drei Millionen Menschen gezwungen sein werden, ihre Wohnungen auf der Suche nach Wärme zu verlassen. Viele, so die Befürchtung, müssten wieder mit Kohle und Holz heizen, das könne die Gesundheit gerade von Kindern, Älteren und Vorerkrankten weiter gefährden.

Wie ist die medizinische Versorgung in der Ukraine?
Verschärft wird die ohnehin schon kritische Lage noch durch russische Angriffe auf das ukrainische Gesundheitssystem. Die WHO hat ermittelt, dass 703 Krankenhäuser, Arztpraxen und Ambulanzen bislang angegriffen wurden. Die Folge: Hunderte Einrichtungen sind nicht mehr einsatzfähig, es fehlen neben Strom vor allem Medikamente, Geräte und Personal. Regionaldirektor Kluge verurteilte das Vorgehen als klare Verletzung des Völkerrechts. Nach Schätzungen der Weltgesundheitsorganisation hat der Krieg die mentale Gesundheit von zehn Millionen Menschen in der Ukraine geschädigt. Die Kinder, Frauen und Männer litten unter extremem Stress und traumatischen Erlebnissen.
Winter in der Ukraine – das Essen für die Armen wird knapp
Auch die Lebensmittelversorgung ist problematisch. Zwar haben, abgesehen von den Regionen am Frontverlauf, die meisten Geschäfte und Märkte in der Ukraine weiterhin ein ausreichendes Angebot an Lebensmitteln. Doch wegen der schwierigen wirtschaftlichen Lage und einer Inflationsrate von mehr als 25 Prozent können sich viele Ukrainerinnen und Ukrainer Lebensmittel und Alltagsprodukte nur noch eingeschränkt leisten. Vor allem ältere Menschen sind betroffen, die monatliche Durchschnittsrente liegt bei gerade einmal 120 Euro. So sind immer mehr einkommensschwache Gruppen auf Hilfe von Verwandten oder von Hilfsorganisationen angewiesen.
Wie helfen die Malteser?
Mit ihrem Winterprogramm unterstützen die Malteser Ukraine insbesondere den Menschen in den Grenzregionen. Es wurden bereits
- Winterkits für 2000 Familien bereitgestellt,
- mehrere hundert Notstrom-Generatoren an Gemeinden, Rettungskräfte und soziale Einrichtungen geliefert,
- Wärmeräume eingerichtet,
- 130 Häuser winterfest gemacht,
- und Lebensmittel- und Hygienepakete in den befreiten Regionen verteilt.
Zudem wird aktuell in Sambir eine neue Unterkunft für Binnenvertriebene in der Westukraine eingerichtet. Insgesamt haben die Malteser 183 Hilfstransporte mit 4500 Tonnen Gütern in die Ukraine organisiert, mehr als 18.500 Menschen mit psychologischer Beratung vor Ort erreicht und humanitäre Hilfe für 65 Orte im ganzen Land geleistet. Aber: Jeden Tag erreichen die Malteser weitere Anfragen von Menschen, die Hilfe suchen – und von Menschen, die helfen wollen.

Geldspenden sind der effektivste und schnellste Weg, Menschen in Not in der Ukraine zu unterstützen. Sachspenden können nicht so gezielt eingesetzt werden und sind daher lediglich dann wirklich sinnvoll, wenn ausdrücklich dazu aufgerufen wird. Die Malteser sind seit 30 Jahren in der Ukraine aktiv. Die ukrainischen Malteser kennen ihr Land und wissen, was bedürftige Menschen dort benötigen.
Wenn du den Ukrainerinnen und Ukrainern helfen möchtest, ganz gleich, ob durch Spenden oder ehrenamtliches Engagement, findet alle Informationen hier. Ansonsten kannst du auch hier direkt an die Malteser spenden.