40 Jahre Rückholdienst: Mit den Rettern im Auslandseinsatz

Sie sind zur Stelle, wenn Deutsche im Ausland verunglücken oder krank werden. Shenja Haberkorn, Leiter der Abteilung Assistance Ausland des Malteser Service Centers (MSC), erzählt, wie die Expertinnen und Experten des Rückholdienstes für einen reibungslosen Rücktransport auch aus den entlegensten Winkeln der Welt sorgen.

Darum geht’s


Wann kommt der Rückholdienst zum Einsatz?

Wenn Menschen im Ausland verunglücken oder krank werden, kann es sinnvoll oder notwendig sein, dass sie für weitere Behandlungen in ihre Heimat gebracht werden. Oft ist der Transport in eine Klinik in Deutschland für die Patientinnen und Patienten und ihre Angehörigen die beste Lösung. Genau dann sind die Expertinnen und Experten des Auslandsdienstes des MSC zur Stelle, die nun schon seit 40 Jahren Menschen aus den entlegensten Winkeln der Welt zurück nach Hause bringen. Die hochqualifizierten Malteser Fallmanager prüfen etwa 14.000 Fälle im Jahr und bringen jedes Jahr tausende kranke und verunglückte Menschen aus der ganzen Welt zurück nach Hause. Moderne Transportmittel und ein internationales Netzwerk stehen bereit, um die Menschen sicher und möglichst komfortabel zurückzubringen – sei es per Auto, Langstrecken-Krankenwagen, medizinisch begleitetem Linienflug, einem gecharterten Ambulanzflugjet oder auch der fliegenden Intensivstation.

Wie und von wem wird der Rückholdienst eingeschaltet?

Es gibt verschiedene Möglichkeiten, wie das Malteser Service Center über den Einsatz informiert wird. „Mal kontaktieren uns Betroffene oder deren Angehörige direkt, mal werden uns die Patientinnen oder Patienten von Krankenhäusern oder Versicherungen weitervermittelt“, berichtet Shenja. In jedem Fall löst die Information über einen neuen Einsatz ein gut eingespieltes und perfekt aufeinander abgestimmtes Procedere aus. 

Was passiert nach der Alarmierung?

Zuerst wird der Fall ins System eingespeist und es werden direkt Ärztinnen und Ärzte informiert, die zu den behandelnden Kolleginnen und Kollegen vor Ort Kontakt aufnehmen. Auf der ganzen Welt ist medizinisches Personal für das MSC im Einsatz, um der Zentrale in Köln bei der Beurteilung des Zustandes der jeweils betroffenen Person zu helfen. „Diese medizinische Abklärung ist entscheidend“, erklärt Shenja. „Auf der Basis der Anamnese wird entschieden: Was muss passieren? Wie kann die Patientin oder der Patient transportiert werden? Ist sofortiges Handeln nötig?“ Shenja erzählt: „Manchmal ist es auch besser, abzuwarten. Aber etwa bei Menschen, die beatmet werden müssen, wie das bei Covid-19 häufig der Fall war, ist oftmals ein schnellstmöglicher Transport notwendig, wenn die Patientinnen und Patienten vor Ort medizinisch unterversorgt sind.“ Das Team ist in 24-Stunden-Bereitschaft – normalerweise starten die Retterinnen und Retter aus Köln und schaffen es bei einem sogenannten Alarmstart in nur 45 Minuten, mit dem Ambulanzflieger in der Luft zu sein. Shenja: „Häufig ist es ein Wettlauf gegen die Zeit, den wir gewinnen müssen.“ Parallel werden in der Zentrale die Angehörigen kontaktiert.

Wie reagieren die Angehörigen?

„Sie sind in einer Extremsituation, entweder vor Ort in einem fremden Land unter teils sehr schwierigen Bedingungen oder zu Hause, entfernt von ihren Angehörigen und in großer Sorge“, erklärt Shenja. „Mit ihnen zu sprechen, hat für uns deshalb auch oberste Priorität. Sie brauchen häufig ebenso unsere Unterstützung wie die Patientinnen und Patienten. Für unsere Kolleginnen und Kollegen ist es deshalb wichtig, empathisch zu sein und sich in andere Menschen hineinversetzen zu können.“

Welche Qualifikation ist für den Rückholdienst vorausgesetzt?

Alle 40 Mitarbeitenden haben Fremdsprachenkenntnisse – teils beherrschen sie bis zu fünf Sprachen. „Sie haben je nach Funktion medizinische Vorkenntnisse, müssen prozessorientiert denken und handeln können und immer wieder professionell improvisieren: An wen können sie sich wenden? Von wem ist Hilfe zu erwarten? Wie bringen sie die Betroffenen aus dem Land? Diese Fragen müssen immer wieder neu geklärt werden.“ Dazu gehöre es auch, sich bei Bedarf durchsetzen zu können, so Shenja.

Wie hat sich die Arbeit in den letzten 40 Jahren verändert?

„Unsere Einsätze haben heute im Vergleich zu früher eine viel größere Dynamik“, erzählt Shenja, „das fängt mit dem handgeschriebenen Fax an, mit dem wir früher die Erstinformation erhalten haben und endet mit der Art des Rücktransports.“  Der war noch vor einigen Jahren primär bodengebunden – das heißt, er fand etwa im Auto oder Krankenwagen statt – heute werden viele Menschen per Flugzeug (meist in Linienflügen) nach Hause gebracht. „Parallel mit den immer exotischeren Reisezielen sind auch unsere Einsätze zu immer größeren logistischen Herausforderungen geworden“, sagt Shenja.

Welche Fälle waren besonders spektakulär?

„Wir waren an den unterschiedlichsten Rettungsaktionen beteiligt“, erinnert sich Shenja, „dabei ist jeder Einsatz eine neue Herausforderung für uns.“  So hat sein Team schon Bergsteiger, die unter der Höhenkrankheit litten, mit dem Rettungshubschrauber vom Himalaya geflogen. Sie brachten einem Patienten nach einem Tierbiss Tollwutimpfstoff nach Indonesien, holten Verletzte aus Afrika nach Hause, die von einem Nashorn aufgespießt oder von einem Nilpferd gebissen wurden, oder transportierten Patientinnen und Patienten mit der Schweinegrippe aus Kroatien nach Deutschland. Dabei müssen sich die Helferinnen und Helfer immer den gegebenen Situationen vor Ort anpassen: Im asiatischen Raum nutzen sie für ihre Einsätze in abgelegenen Inselregionen schon einmal Speedboote, in Venedig dagegen Gondeln: „In den meisten Fällen schaffen wir es, effektive Hilfe zu leisten.“

Gab es einen Einsatz, der besonders schlimm war? 

„Vor etwa 15 Jahren geriet eine Mutter mit ihren zwei Kleinkindern im Urlaub in eine Stromschnelle. Als sie an einem Ast vorbeigetrieben wurde, musste sie sich entscheiden – und ein Kind loslassen, um das andere und sich zu retten. Sie überlebte mit einem ihrer Kinder und wir brachten sie nach Hause. Das werde ich niemals vergessen. Viele unserer Einsätze sind dramatisch“, erzählt Shenja, „früher galt es eher, sich abzuhärten. Heute wird sich mehr um die Kolleginnen und Kollegen gekümmert, das ist sehr wichtig und gut.“ So zum Beispiel im Rahmen der Psychosozialen Notfallversorgung, womit durch Expertinnen und Experten der Malteser umfassende Hilfe bereitgestellt wird, um Helferinnen und Helfern, Mitarbeitenden und Einsatzkräften bei der Verarbeitung von belastenden Unglücksfällen oder Notfällen zu unterstützen.  
 

Was sollten Urlauber berücksichtigen? 

„In unserem Team hat, soweit ich weiß, jeder eine Auslandskrankenversicherung, die für die Kosten eines Rücktransports aufkommt“, sagt Shenja, „das wäre für uns nicht anders denkbar.“ Denn ein Rücktransport belaufe sich häufig auf „hohe fünfstellige, wenn nicht sechsstellige Beträge“. Müsse ein Urlauber etwa aus Neuseeland nach Hause gebracht werden, kämen ca. 200.000 Euro zusammen. Deshalb der klare Rat des Experten: „Wer Auslandsreisen plant, sollte sich unbedingt dementsprechend absichern.“ Wer zum Beispiel Fördermitglied bei den Maltesern ist, kann den Rückholdienst für nur drei Euro im Jahr in Anspruch nehmen und wird im Inland sowie von jedem anderen Ort der Welt im Falle eines Notfalls sicher nach Hause gebracht. 

Inwieweit hat Corona die Arbeit des Rückholdienstes verändert?

„In der ersten Zeit waren wir damit konfrontiert, Infizierte aus der ganzen Welt sicher nach Hause zu bringen“, erklärt Shenja, „das haben wir durch ein Flugtunnelsystem gelöst, in dem die Patientinnen und Patienten sicher transportiert werden können.“ Danach sei das Kerngeschäft der Einsatzgruppe deutlich rückläufiger geworden: Weniger Reisen, das bedeutet auch weniger verletzte und kranke Urlauberinnen und Urlauber. Aber mit ihrem großen Organisationstalent und Improvisationsbereitschaft fanden sie schnell einen neuen Einsatzort – das MSC koordiniert jetzt die Terminvergabe für verschiedene Impfzentren. Mehr über die Impfzentren der Malteser gibt es hier


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