Barrierefrei im Netz – So postest du für alle
Nicht alle Menschen können einfach am Austausch in den sozialen Netzwerken teilnehmen. Das weiß auch Natalie Dedreux Sie ist Aktivistin und Expertin für Barrierefreiheit in den sozialen Medien. Wir haben mit ihr über die Herausforderungen der Online-Welt gesprochen. Die kennt Natalie selbst sehr gut kennt, denn sie hat das Down-Syndrom.
Darum geht’s:
Inklusion wird immer noch zu oft vergessen
Natalie Dedreux ist 24 Jahre alt und lebt in einer Wohngemeinschaft in Köln. Sie arbeitet als Redakteurin für Ohrenkuss, ein Magazin, für das ausschließlich Menschen mit Down-Syndrom schreiben. Das ist nicht selbstverständlich, denn noch immer gibt es zu wenige Jobs für Menschen mit Behinderung. Oft arbeiten sie in speziellen Projekten wie Behindertenwerkstätten. Natalie hat ihren Traumjob bekommen: Journalistin. Außerdem setzt sie sich für mehr Inklusion in unserer Gesellschaft ein. Dabei geht es ihr nicht nur um Schulen und Arbeitsplätze, sondern auch um die Teilhabe im Internet und bei Social Media. Als Expertin bei der Initiative Barrierefreies Posten setzt sie sich dafür ein, dass Postings und Texte im Internet auch für Menschen mit Down-Syndrom verständlich sind.
Inzwischen ist Natalie deutschlandweit bekannt; und das durch eine Frage, die sie 2017 der damaligen Bundeskanzlerin Angela Merkel in einer Fernsehsendung stellte: „Wieso darf man Babys mit Down-Syndrom bis kurz vor der Geburt noch abtreiben?“ Seitdem hat Natalie verschiedene Preise bekommen, hat ein Buch herausgebracht und ist regelmäßig in den Medien zu sehen. Das gefällt ihr sehr gut, denn auf diese Weise kann sie ihre Botschaft an noch mehr Menschen herantragen und die lautet: „Menschen mit Down-Syndrom sind cool. Denkt an uns mit!“
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Natalie ging auf inklusive Schulen und war dort zusammen mit den unterschiedlichsten Menschen mit und ohne Behinderung. „Ich war auf Inklusionsschulen, das fand ich super! Alle sind kunterbunt und wir lernen miteinander und voneinander. Davon brauchen wir noch mehr“, sagt sie. „In Deutschland sehe ich nicht so oft Inklusion, das wird zu oft vergessen. Man redet nur viel drüber.“
Ein Blick in den Kalender verrät, dass es verschiedene Aktionstage zum Thema gibt: der Internationale Tag der Menschen mit Behinderung am 3. Dezember, der Europäische Protesttag zur Gleichstellung von Menschen mit Behinderung am 5. Mai oder der Welt-Down-Syndrom-Tag am 21. März. „Diese Tage sind deswegen wichtig, um zu zeigen: Denkt an uns mit!“, sagt Natalie. „Uns gibt es auch und man muss mehr an Menschen mit Down-Syndrom denken.“ Dazu gehört auch das digitale Leben im Internet oder bei Instagram. Hier können Natalie und andere Aktivistinnen und Aktivisten für mehr Inklusion werben und aufklären. Aber für viele Menschen mit Behinderung stellen Social-Media-Beiträge ein Problem dar: Wer nicht sehen kann, kann nichts mit Bildern anfangen und mit dem Down-Syndrom lesen sich viele Texte und Postings schwerer.
Was ist eigentlich das Down-Syndrom?
Menschen mit diesem Syndrom haben ein Gen, das etwas anders ist als bei den meisten Menschen. Der Mensch hat 23 Chromosomenpaare, auf der alle Erbinformationen gespeichert sind. Beim Down-Syndrom ist das 21. Chromosom kein Paar, sondern enthält zusätzlich ein drittes Chromosom. Darum spricht man auch von Trisomie 21. Es ist noch gar nicht so lange her, als man dachte, Menschen mit Down-Syndrom seien ein Leben lang auf Unterstützung angewiesen, könnten niemals allein leben, lesen oder schreiben. Dass dem nicht so ist, machen etliche Beispiele deutlich. Natalie beispielsweise arbeitet als Journalistin.
Barrierefreies Posten ist leichter als du denkst
Denkt man an barrierefreies Internet, denkt man oft an blinde Menschen. Schließlich besteht das Internet in erster Linie aus Texten, die gelesen werden müssen. Doch Texte können auch für Menschen mit Down-Syndrom zur Herausforderung werden. „Es gibt so viele Informationen im Internet, aber die Sprache ist für uns oft zu schwierig“, erklärt Natalie. „Es funktioniert ja schon ganz gut mit der Blindenschrift, aber leichte Sprache muss noch besser werden, damit wir uns im Internet informieren können, zum Beispiel über wichtige Themen wie Corona.“ Darum prüft Natalie für die Initiative Barrierefreies Posting die Lesbarkeit von Texten im Internet speziell für Menschen mit Down-Syndrom. Aber wie schreibt man denn nun ein gutes barrierefreies Posting? Tatsächlich ist das gar nicht so schwer, sagt Natalie: „Es ist ein gutes Posting, wenn man zum Beispiel eine Bildbeschreibung für blinde Menschen macht, damit sie das hören können. Das Komplizierte für uns Menschen mit Down-Syndrom sind Fachwörter oder generell schwierige Wörter, die muss man mehr erklären. Und kurze Sätze und Texte sind wichtig. Lange Texte sind schwierig. Es wird oft nicht daran gedacht, dass wir da nicht so gut mitkommen.“
So sieht ein barrierefreier Post aus
Es ist nicht schwer, Postings barrierefrei zu gestalten. Wenn du ein paar Dinge beachtest, machst du das Internet für alle Menschen zugänglicher. Das sind die drei wichtigsten Tipps für barrierefreies Posten:
- Schreibe Alternativtexte für Bilder und Grafiken.
Für Blinde und schwer sehbehinderte Menschen gibt es Screenreader. Diese wandeln Text in Sprache um, die als Audio ausgegeben wird. So können Menschen hören, was in dem Posting zu sehen und zu lesen ist. Achte darauf, dass du das Wichtigste auf dem Bild in kurzen und verständlichen Sätzen beschreibst. - Schreibe in Alltagssprache und verzichte auf komplizierte Wörter.
Alltagssprache ist für Menschen mit Down-Syndrom und auch mit Autismus leichter verständlich. Wenn du auf ein kompliziertes Wort oder ein Fachwort nicht verzichten kannst, dann erkläre das Wort in verständlicher Sprache. - Wenn du Hashtags benutzt, schreibe jedes neue Wort mit großen Anfangsbuchstaben.
Andernfalls lesen die Screenreader den Hashtag als ein Wort vor, was oft nicht verständlich ist. Statt #tagdeskäsekuchens schreibe besser #TagDesKäsekuchens. Das ist übrigens für alle Menschen leichter lesbar.
Mehr Tipps für barrierefreies Posten bekommst du auf dem Instagram-Kanal der Initiative Barrierefreies Posten.
Im Oktober 2022 veröffentlichte Natalie ihr erstes eigenes Buch. Es heißt „Mein Leben ist doch cool!“ Darin beschreibt sie unter anderem, wie Inklusion in unserer Gesellschaft weiter vorangetrieben werden muss: mehr Aufzüge für gehbehinderte Menschen, mehr Bildbeschreibungen auf Instagram für blinde Menschen, leichtere Sprache für Menschen mit Down-Syndrom, mehr Selbstbestimmung auch bei der Berufswahl. „Es ist extrem wichtig, dass wir ernst genommen werden“, sagt Natalie. Ihre Bekanntheit hilft dabei sehr. Auf ihrer Webseite schreibt sie, dass sie es cool findet, berühmt zu sein, denn dann „sehen die Menschen, wie cool Menschen mit Down-Syndrom sind.“
Natalie empfiehlt diese Influencer
Ninia LaGrande ist Moderatorin, Podcasterin und Slam-Poetin, die sich für Inklusion und Feminismus einsetzt. Raul Krauthausen ist Autor und Moderator. Als Rollstuhlfahrer setzt er sich für mehr Barrierefreiheit ein. Wie Natalie sind auch Ninia und Raul regelmäßig in Medien zu sehen und zu hören.