Inklusion im Rettungsdienst: Barrieren abbauen und Chancen eröffnen
Auch in körperlich und mental anspruchsvollen Jobs, zum Beispiel den sogenannten Blaulicht-Berufen, kann Inklusion gelingen – mit angepassten Aufgaben, technischer Unterstützung und einem offenen Miteinander. Erfahre hier, wie das in der Praxis bei den Maltesern aussehen kann.
Darum geht's
- Ist Inklusion in Blaulicht-Berufen möglich?
- Wie fördern die Malteser Inklusion im Rettungsdienst?
- Spezielle Geräte unterstützen gehörlose Mitarbeitende im Sanitätsdienst
- Malteser setzen bei Inklusion auf individuelle Lösungen
- Was unternehmen die Malteser konkret?
- Chancengleichheit bei den Maltesern
- Betroffene Mitarbeitende werden weiter im Rettungsdienst beschäftigt
- Wie läuft Inklusion im Rettungsdienst in der Praxis ab?
Ist Inklusion in Blaulicht-Berufen möglich?
Der Rettungsdienst gehört wie Polizei oder Feuerwehr zu den klassischen Blaulicht-Berufen – also zu Tätigkeiten, die hohe Anforderungen an körperliche, kognitive und psychische Leistungsfähigkeit stellen. Wie lässt sich das mit der gesellschaftlichen Aufgabe der Inklusion vereinbaren? Wie können Menschen mit Behinderung und/oder Beeinträchtigung hier integriert werden? Die Malteser gehen das Thema offen an: Vielfalt, Chancengleichheit und Inklusion werden in der täglichen Praxis berücksichtigt und nach Möglichkeiten umgesetzt. So sind alle Ausbildungsangebote der Malteser Rettungsdienstschulen ausdrücklich für Menschen mit Behinderung und/oder Beeinträchtigung gleichermaßen zugänglich. Außerdem wird an der Umsetzung von sämtlichen Inhalten in Einfache Sprache gearbeitet.
Welche körperlichen Voraussetzungen sind für den Rettungsdienst notwendig?
Gesetzlich vorgeschrieben ist die körperliche Tauglichkeit. Sie wird individuell durch arbeitsmedizinische Untersuchungen geprüft – unabhängig davon, ob eine Behinderung vorliegt oder nicht. Liegen Beeinträchtigungen vor, die eine volle Einsatzfähigkeit erschweren, gibt es verschiedene Möglichkeiten, den Beruf dennoch auszuüben oder innerhalb der Organisation alternative Aufgaben zu übernehmen.
Wie fördern die Malteser Inklusion im Rettungsdienst?
Die Malteser arbeiten mit Hochdruck daran, auch Beschäftigte zu unterstützen, deren Einsatzfähigkeit durch Unfälle oder Erkrankungen eingeschränkt wurde oder die schon immer eine Behinderung und/oder Beeinträchtigung haben. Entscheidend sind die individuellen Fähigkeiten und die gemeinsame Lösungsfindung mit der Dienstgeberseite. Die Malteser setzen sich mit der individuellen Herausforderung der Betroffenen auseinander und versuchen, eine passgenaue Unterstützung anzubieten: Technische Hilfsmittel und individuelle Beratung helfen, die Einsatzfähigkeit so weit wie möglich zu erhalten oder wiederherzustellen. Zahlreiche Beispiele aus dem Einsatzalltag zeigen, dass Menschen mit Behinderung und/oder Beeinträchtigung erfolgreich im Rettungsdienst tätig sein können – sofern eine entsprechende gesundheitliche Eignung gegeben ist.
Spezielle Geräte unterstützen gehörlose Mitarbeitende im Rettungsdienst
So wie bei Julia Fraschka, Deutschlands erster gehörloser Notfallsanitäterin. Schwerhörig geboren, später vollständig ertaubt, absolvierte sie nach dem Abitur eine Ausbildung bei den Maltesern in Stuttgart. Cochlea-Implantate und spezielle Geräte für gehörlose Menschen ersetzen ihr Gehör weitgehend. Trotzdem gibt es im Alltag manchmal Einschränkungen: „Ich muss ein spezielles Stethoskop verwenden, das mit den Implantaten funktioniert. Und wenn einmal etwas ausfällt oder ein Akku plötzlich leer ist, muss ich immer schauen, dass Ersatz vorhanden ist.“
In ihrem Beruf als Notfallsanitäterin hat Julia ihre Bestimmung gefunden: „Ich vermute, das liegt auch an meiner Hörbehinderung. Ich habe selbst oft Hilfe benötigt – und sie nicht immer bekommen.“ Sie möchte anderen Menschen mit Behinderung und/oder Beeinträchtigung Mut machen: „Vielleicht kann ich mit meiner Motivation helfen und zeigen: Hey, schaut mal her: Es funktioniert!“
Auch andere Auszubildende erleben die Möglichkeiten und Herausforderungen im Rettungsdienst hautnah. Tim Berthold absolvierte seine Ausbildung bei den Maltesern und ist seit 2022 als Notfallsanitäter im Einsatz. Er ist ebenfalls gehörlos und trägt ein Cochlea-Implantat. Über die Herausforderungen seines Arbeitsalltags berichtet er: „Eine […] Besonderheit ist, dass ich in der Nachtschicht mein Cochlea-Implantat rausmache, und dann würde ich den Melder, also den Piepser, nicht mehr hören. Dafür brauche ich dann ein elektronisches Vibrationskissen, welches mit dem Melder verbunden ist. Bei einem Einsatz vibriert das Kissen dann ganz stark, und dann bin ich halt wach.“
Tim berichtete während seiner Ausbildung, wie bereichernd und spannend er die unterschiedlichen Stationen in der Praxis fand: „Es macht Spaß, mit den anderen Auszubildenden zusammenzuarbeiten, ich fühle mich nicht überfordert oder gelangweilt.“ Für ihn ist es besonders wichtig, dass die Abläufe gut organisiert sind und alle mit Freude bei der Sache sind. Er betont, dass persönliche Interessen und individuelle Erfahrungen bereichernd für das Team sind – und dass jede und jeder, unabhängig von seinem Werdegang, im Rettungsdienst wertvolle Beiträge leisten kann.
Malteser setzen bei Inklusion auf individuelle Lösungen
Um inklusive Strukturen zu stärken, beschäftigen die Malteser seit August 2024 einen verbundweiten Inklusionsbeauftragten. Ziel ist es unter anderem, Inklusion von Menschen mit Behinderung und/oder Beeinträchtigungen im Arbeitsalltag des Rettungsdienstes nicht nur zu ermöglichen, sondern aktiv zu fördern.
Der Inklusionsbeauftragte Ramón Fackel betont: „Damit Inklusion für Menschen mit Behinderung und/oder Beeinträchtigung im Rettungsdienst – aber auch in allen anderen Bereichen der Malteser – gelingt, ist es wichtig, ihnen offen zu begegnen und Vorurteile zurückzustellen. Inklusion ist nur dann möglich, wenn wir uns aktiv mit der Behinderung und/oder Beeinträchtigung dieser Menschen auseinandersetzen und versuchen, individuelle Lösungen zu schaffen. Wie man sieht, gelingt dies an einigen Stellen schon sehr gut. Das machen die Beispiele von Tim, Ralf und Kamil deutlich.
Darüber hinaus ist es uns wichtig, bei allen Mitarbeitenden der Malteser für ein kollegiales, wertschätzendes und inklusives Umfeld zu sensibilisieren, worin sich auch Menschen mit Behinderung und/oder Beeinträchtigung zugehörig, verstanden und als wertvollen Teil eines Teams sehen. Sie sollen die Möglichkeit haben, sich genau wie alle anderen Mitarbeitenden individuell entfalten zu können – das sollte selbstverständlich sein. Als Fachstelle Vielfalt, Gleichstellung und Inklusion schaffen wir genau dafür Awareness und fördern den Austausch untereinander. Nur so können wir Inklusion von Menschen mit Behinderung und/oder Beeinträchtigung im Rettungsdienst und in anderen Fachbereichen vorantreiben.“
Mehr zum Thema findest du auch auf der Seite Vielfalt, Gleichstellung und Inklusion bei den Maltesern.
Was unternehmen die Malteser konkret?
- Offene Rettungsdienstschulen: Alle Ausbildungen und Kursen können grundsätzlich von Menschen mit Behinderung und/oder Beeinträchtigung besucht werden. Es gibt aber auch Kurse der Malteser, die sich speziell an Menschen mit Behinderung und/oder Beeinträchtigung richten und die daher noch barriereärmer sind. Damit fördern die Malteser Teilhabe und Chancengleichheit in der Fachkräftegewinnung. Patrick Pöhler, Pressesprecher der Malteser in Köln, hebt hervor: „Gleichzeitig geben wir schon sehr früh Hinweise, an welchen Stellen im Kurs oder später im Beruf eine körperliche Behinderung und/oder Beeinträchtigung Herausforderungen mit sich bringen kann.“
- Unterstützung bei Herausforderungen: Bei körperlicher Behinderung und/oder Beeinträchtigung kommen technische Hilfsmittel und individuelle Beratung zum Einsatz, um den Dienst zu ermöglichen.
- Inklusionsbeauftragter und Schulungen: Der Inklusionsbeauftragte berät die Dienstgeberseite hinsichtlich der Inklusion von Menschen mit Behinderung und/oder Beeinträchtigung. Außerdem wurde ein E-Learning zur Inklusion von Menschen mit Behinderung und/oder Beeinträchtigung erstellt, um dafür zu sensibilisieren. Auch an der Übersetzung von Inhalten in Einfache Sprache wird mit Hochdruck gearbeitet, damit diese für alle zugänglich sind.
- Berufliche Teilhabe trotz Behinderung und/oder Beeinträchtigung Mitarbeitende, die durch Krankheit oder Unfall nicht mehr direkt im Einsatz tätig sein können, übernehmen andere Aufgaben innerhalb der Organisation – so wird Inklusion auch im Arbeitsalltag gelebt.
- Vielfältige Einsatzbereiche: Neben der klassischen Notfallrettung schaffen Einheiten wie „First Responder“ oder die Schnell-Einsatz-Gruppe (SEG) verschiedene Einsatzmöglichkeiten, die Menschen mit unterschiedlichen Voraussetzungen und Fähigkeiten offenstehen.
In unserem Beruf helfen wir Menschen – deshalb ist es für uns selbstverständlich, diese Haltung auch im Umgang miteinander zu pflegen.
Ralf Bischoni, Leiter des Rettungsdienstes der Malteser in Nordrhein-Westfalen
Chancengleichheit bei den Maltesern
Die Malteser zeigen, wie wichtig ihnen eine Kultur der Vielfalt, Unterstützung und beruflichen Teilhabe ist. Über 95.000 ehrenamtlich und hauptamtlich Tätige erleben ein wertschätzendes Umfeld, in dem Diskriminierung vermieden und Chancengleichheit gefördert wird.
Ein Beispiel: Ralf Bischoni, heutiger Leiter des Rettungsdienstes in Nordrhein-Westfalen, war aufgrund mehrerer Hauterkrankungen zeitweise schwerbehindert. Seine Einsatzfähigkeit wurde dadurch nicht eingeschränkt, sodass der ausgebildete Krankenpfleger und Notfallsanitäter seinen Beruf uneingeschränkt weiter ausüben konnte. „Die Organisation hat mich dabei durchgehend unterstützt und mir den Rücken gestärkt“, erinnert sich Bischoni.
Betroffene Mitarbeitende werden weiter im Rettungsdienst beschäftigt
Bischoni trägt inzwischen Verantwortung für 100 Rettungswachen und rund 2.500 Mitarbeitende. Besonders am Herzen liegt ihm die gezielte Unterstützung von Kolleginnen und Kollegen, die durch Unfälle oder Krankheiten vorübergehend nicht einsatzfähig sind.
„Unser vorrangiges Ziel ist es, die Betroffenen weiterhin im Rettungsdienst einzusetzen. Sollte das nicht möglich sein, bieten wir alternative Einsatzmöglichkeiten innerhalb unserer Organisation an“, erklärt er.
Oft lassen sich Beeinträchtigungen, die den Einsatz erschweren, durch technische Hilfsmittel oder medizinische Maßnahmen ausgleichen.
„Wenn solche Maßnahmen zu einer Verbesserung führen, unterstützen wir das ausdrücklich“, betont er. „In unserem Beruf helfen wir Menschen – deshalb ist es für uns selbstverständlich, diese Haltung auch im Umgang miteinander zu pflegen.“
Wie läuft Inklusion im Rettungsdienst in der Praxis ab?
Kamil Lenger arbeitete bereits im Rettungsdienst bei den Maltesern, als er vor sechs Jahren einen Unfall hatte. Seitdem ist er querschnittsgelähmt und auf einen Rollstuhl angewiesen. Einen Rettungswagen kann der heute 36-Jährige nicht mehr fahren. Ihm wurde jedoch eine reine Bürotätigkeit angeboten – und es wurde eigens die Stelle des Dienstplaners geschaffen. Heute ist er erweiterter Rettungsdienstleiter der Malteser in Frankfurt.
Die Beispiele aus dem Rettungsdienst der Malteser zeigen, dass Inklusion kein theoretisches Konzept bleiben muss. Mit Offenheit, individueller Unterstützung und dem Mut, neue Wege zu gehen, entstehen Chancen für alle – und ein Arbeitsumfeld, in dem jede und jeder einen wichtigen Beitrag leisten kann.