DFB-Fußballhelden: So geht Inklusion im Sport
Gökhan Erdek ist einer von 264 Fußballheldinnen und Fußballhelden des Deutschen Fußballbundes (DFB). Jedes Jahr werden ehrenamtliche Trainerinnen und Trainer für ihr besonderes Engagement ausgezeichnet. Gökhan trainiert in Köln eine Inklusionsmannschaft.
Darum geht's:
Gökhan ist ein Fußballheld
Junge Menschen für das Ehrenamt begeistern, das hat sich der DFB zur Aufgabe gemacht. Mit dem Wettbewerb Fußballhelden – Aktion junges Ehrenamt sollen besonders die jungen Fußballtrainerinnen und Fußballtrainer für ihr Engagement gewürdigt werden. Deshalb werden in vielen Teilen Deutschlands besonders engagierte Personen zur Fußballheldin oder zum Fußballhelden ernannt. Alle so ausgezeichneten Ehrenamtlichen können diesen Titel nur einmal in ihrem Leben tragen. Gökhan Erdek bekam seinen Titel 2020. Seit seinem fünften Lebensjahr spielt er Fußball. „Ich bin verrückt nach Fußball. Alles in meinem Leben dreht sich um Fußball.“ Der 25-Jährige ist Zollbeamter in Köln und trainiert seit fast sechs Jahren ehrenamtlich die Inklusionsmannschaft vom FC Germania Zündorf 1913 in Köln-Porz.
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Als er 2016 kurz nach der Gründung der Inklusionsmannschaft dazu kam, fiel ihm auf, dass alle in unterschiedlichen Trikots trainierten. „Ich sage immer: Die sind wie bunte Hühner rumgelaufen. Da dachte ich mir, für die Truppe müsste man doch mal was machen, neue Trikots organisieren.“ Er schrieb verschiedene Unternehmen an, um sie als Sponsoren zu gewinnen. Der Flughafen Köln-Bonn meldet sich einen Tag später und sagte direkt zu. „Damit hatte ich die Entscheidung getroffen, dass ich Teil des Teams sein möchte. Und so wurde ich Trainer und auch selbst Spieler im Verein“.
Die Mannschaft besteht aus Männern und Frauen im Alter von 10 bis 71 Jahren. „Bei uns sind vier Generationen in einer Mannschaft vertreten. Unser Trainerteam ist ein Drei-Generationen-Team, wir sind zwischen 24 und 75 Jahren“, sagt Gökhan. Dabei sind Spielerinnen und Spieler mit und ohne Behinderung. Einige haben das Downsyndrom, andere sind körperlich eingeschränkt und sitzen beispielsweise im Rollstuhl. Eine Spielerin hat das Asperger-Syndrom. Sie hat Probleme mit zu hoher Lautstärke oder wenn jemand sie ohne Ankündigung berührt. Bevor Gökhan die Mannschaft kennenlernte, hatte er gar keine Erfahrungen mit Behinderungen: „Anfangs hatte ich ein paar Hemmungen. Ich wusste nicht, wie man mit Menschen mit Behinderung umgeht. Letztlich habe ich es im Training gelernt. Der tickt so und sie tickt so. Das bekommt man ganz schnell mit und muss sich dann ein bisschen an die Personen und ihre Handicaps anpassen.“
Besondere Momente auch außerhalb des Spielfeldes
Im Verein kümmert sich Gökhan außerdem um die Sponsoren für die Inklusionsmannschaft, macht die Pressearbeit und organisiert manchmal Turniere wie den Inklusionscup 2019. Ein Video dazu ging weltweit viral mit über 25 Millionen Klicks. Es wurde unter anderem von Weltfußballern wie Lukas Podolski und Frank Ribery geliked. Im Video sieht man, wie Spieler Daniel mit Downsyndrom ein Tor schießt und die gesamte Mannschaft in minutenlangen Jubel ausbricht.
Damit hatte auch Gökhan nicht gerechnet, obwohl er davor schon einmal einen ganz besonderen Moment für die Mannschaft ermöglicht hatte. „Mein persönlicher Herzenswunsch ist damals gewesen, einmal mit Profis ins Stadion einzulaufen. Das hat leider nicht geklappt, aber ich konnte unserer Mannschaft den Wunsch erfüllen.“ Zusammen mit dem den Profis von FC Viktoria Köln läuft Germania Zündorf beim Drittliga-Spiel gegen den FC Bayern München II vor 5000 Zuschauern ins Stadion ein. „Die hatten eigentlich Einlaufkinder gesucht. Ich habe nachgefragt, ob das nicht auch unsere Mannschaft machen könnte. Als das geklappt hatte, war das ein Gänsehautmoment. Der Applaus und die Freude, das war einfach schön.“
Auch außerhalb des Spielfeldes macht die Mannschaft viel gemeinsam: Ausflüge zum Sponsor Flughafen Köln-Bonn, zur städtischen Feuerwehr und Polizei, Weihnachtsfeiern, Grillabende. Mit Beginn der Corona-Pandemie fiel das erst mal aus. Vor allem die Lockdown-Phasen waren schwer, sagt Gökhan: „Keine Schule, keine Arbeit und auch kein Training, das war besonders hart für uns alle.“ Aber warum sollte man herumsitzen, wenn man etwas Gutes tun kann? „Wir haben fünf Monate lang eine Aktion für Obdachlose gemacht“, erzählt Gökhan. „Jeden Abend waren wir in Köln unterwegs und haben warme Getränke, Speisen und Kleidung verteilt. Alle haben mit angepackt.“ In der Weihnachtszeit besuchen die Spielerinnen und Spieler gemeinsam eine Flüchtlingsunterkunft und verteilen am Nikolaustag Schokolade und in einem Kinderhospiz verteilen sie Geschenke. „Wir wollen andere Leute mit positiven Gedanken anstecken. Und meine eigenen Beweggründe sind: Menschen etwas geben, die es im Leben nicht so leicht haben. Es lohnt sich, jede Minute meiner Zeit ins Thema Inklusion zu investieren“, sagt Gökhan.
Großes Engagement und viele Preise
Für ihr Engagement wird das Trainerteam von Germania Zündorf 2020 mit dem Ehrenamtspreis der Stadt Köln ausgezeichnet. Anschließend wird die Mannschaft Hauptdarsteller in einem Videoclip des Deutschen Behindertensportverbandes zum Thema Inklusion im Sport. „Das Besondere an unserer Mannschaft ist: Bei uns können die Spieler die Behinderung mal ausblenden und einfach nur Fußballer sein“, sagt Gökhan. Als er zum DFB-Fußballhelden gekürt wird, muss er auf seinen Preis warten. Die 5-tägige Bildungsreise nach Spanien für die Heldinnen und Helden muss wegen der Pandemie verschoben werden. Im darauffolgenden Jahr 2021 wird alles nachgeholt. Allerdings geht es nicht wie sonst nach Spanien, sondern nach Duisburg. „Klar, Duisburg ist nicht Barcelona“, sagt er. „Aber grundsätzlich war es schön. Und es war cool, dass es uns in Zeiten von Corona überhaupt ermöglicht wurde.“
Die Ehrenamtlichen sind in der Sportschule Wedau untergebracht. Hier trainiert auch die Fußballnationalmannschaft. „Die Bildungsinhalte waren einfach klasse“, sagt Gökhan. Bei Trainingseinheiten, Vorträgen und Ausflügen werden Kontakte geknüpft, Ideen ausgetauscht und Profi-Trainer der Bundesliga und des DFB verraten den Ehrenamtlichen ihre besten Tipps. Über eine Sache wundert Gökhan sich allerdings etwas: „Gefühlt war ich der Einzige, der das Thema Inklusion auf dem Zettel hat. In Köln sind von 110 Fußballvereinen nur maximal zehn Inklusionsmannschaften. Da sieht man, wie viel Potenzial das Thema noch hat!“
Im kommenden Jahr wird KOMM MIT, Kooperationspartner für die DFB-Fußballhelden, ein Inklusionsturnier veranstalten. Gökhan wird als Inklusionsexperte mit Tipps unterstützen.
Ob ein Ehrenamt im Sport oder in einem anderen Bereich – alle, die sich ehrenamtlich engagieren, sind Heldinnen und Helden. Falls du noch auf der Suche nach einem wie auch immer gearteten Ehrenamt bist, kannst du zum Beispiel hier ein passendes Engagement finden.