Freunden zur Seite stehen: So erkennst du Trauer

Wenn jemand in deinem Freundeskreis einen nahestehenden Menschen verliert, kann für die Person eine Welt zusammenbrechen. Trauerexpertin Davina Klevinghaus von den Maltesern aus Dortmund erklärt, wie du Trauer erkennst und wie du deinen Freundinnen und Freunden in dieser schweren Zeit beistehen kannst.

Darum geht’s:


Wie erkenne ich, dass jemand in meinem Freundeskreis trauert?

Mutter, Vater, Bruder, Schwester, bester Freund oder beste Freundin: Wenn jemand einen nahestehenden Menschen verliert, fühlt sich das so an, als würde eine Welt einstürzen. Nicht jede beziehungsweise jeder geht offen mit seiner Trauer um, deshalb ist es für Freunde oder auch Mitschülerinnen und Mitschüler mitunter schwer zu erkennen, was der oder die andere gerade durchmacht. „Trauer ist total individuell und äußert sich bei jedem Menschen anders“, sagt Davina , die bei den Maltesern den Bereich Kinder- und Jugendtrauer koordiniert. „In der Trauer können viele verschiedene Gefühle zum Vorschein kommen – von Traurigkeit über Angst bis hin zu Verzweiflung oder auch Zorn und Wut. Oft ziehen Betroffene sich auch erst einmal zurück.“ Bist du unsicher, wie es deiner Freundin oder deinem Freund geht, scheue dich nicht, sensibel nachzufragen. Auch verschiedene körperliche oder emotionale Veränderungen deuten darauf hin, dass jemand trauert.

Mögliche körperliche Anzeichen von Trauer:

  • Gerade zu Beginn vermehrt Bauch- und Kopfweh
  • Appetitlosigkeit oder gesteigerter Appetit
  • Schlafstörungen
  • Gefühl von Schlappheit
  • Konzentrationsschwierigkeiten, zum Beispiel im Unterreicht

Mögliche emotionale Anzeichen von Trauer:

  • Rückzug und das Bedürfnis, viel allein sein zu wollen
  • Fernbleiben von Treffen, Sportkursen oder sogar dem Schulunterricht
  • Wut und aggressives Verhalten, anderen oder sich selbst gegenüber
  • Soziale Ängste: Aus Angst, abgelehnt oder ausgelacht zu werden, trauen Betroffene sich dann nicht, ihre Trauer zu zeigen
  • Angst, dass nun noch jemand stirbt, der einem sehr am Herzen liegt
  • Verfall in ein regressives, kindliches Verhalten und Trotzreaktionen
  • Rollenübernahmen (zum Beispieldie Vaterrolle einnehmen, wenn der Vater verstorben ist oder die Rolle des Klassenclowns einnehmen, wenn ein Geschwisterkind verstorben ist, das vorher diese Rolle hatte)

Junge trauernde Menschen haben oft starke Schuldgefühle

Gerade in der Pubertät ist Trauer sehr emotional und herausfordernd. Die Pubertät ist ohnehin schon eine Zeit des Umbruchs und des Wandels, eine Phase der Sinnsuche, in der sich junge Menschen existenzielle Fragen stellen. Wenn dann noch der Verlust eines nahestehenden Menschen dazukommt, kann das eigene Weltbild komplett ins Wanken geraten. Trauernde Jugendliche stellen sich dann oft Fragen wie „Was soll ich jetzt überhaupt noch hier?“, „Warum darf ich noch leben?“ oder „Warum bin nicht ich gestorben, sondern mein Bruder? Davina erklärt: „Schuld kann ein riesengroßes Thema während der Trauer sein“. „Viele trauernde Jugendliche haben vor allem auch dann Schuld- und Schamgefühle, wenn sie trotz Trauer etwas Schönes erleben. Wenn sie sich zum Beispiel zum ersten Mal verlieben, trotzdem Freunde treffen, trotzdem zu einer Fete gehen, sind sie mitunter sehr verunsichert und stellen in Frage, ob sie überhaupt das Recht dazu haben, glücklich zu sein. Wichtig ist dann, dass Freunde sie darin bestärken, dass beides nebeneinanderstehen darf: die Trauer und eben auch Lebensfreude und Glück.“

Wie kann ich trauenden Freunden helfen?

Trauert jemand in deinem Umfeld, kann das auch dich verunsichern und du stellst dir möglicherweise folgende Fragen: „ Wie kann ich helfen?” oder „ Wie geht man mit jemandem um, der trauert?” Die Sorge, etwas Falsches zu sagen oder zu tun, ist groß. „Das Wichtigste ist einfach da zu sein und zuhören“, rät Davina . Sei nicht zu forsch, halte dich lieber erstmal etwas zurück, gib dem anderen Raum und versuche möglichst sensibel herauszufinden, was die trauernde Person gerade braucht. Eine Schulter zum Anlehnen? Etwas Ablenkung? Gib ihr das Gefühl: Bei mir darfst du sein, wie du bist. Ich verurteile dich nicht.

„Eine akzeptierende Grundhaltung ist wichtig. Verurteile den anderen nicht für seinen Umgang mit dem Verlust, für seine Art zu trauern. Man sollte den anderen nicht bewerten, ihm stattdessen vermitteln, dass man für ihn da ist. Ihn in seiner Stille, seiner Wut und auch seiner Freude akzeptiert. All das ist ok.

Das heißt auch, dass man Redepausen aushalten können muss. Das ist nicht leicht, aber oft das Wichtigste überhaupt, wenn man jemandem zur Seite stehen möchte, der trauert“, sagt Davina . Ratschläge – auch wenn sie gut gemeint sind – solltest du dir verkneifen. „Ratschläge, um die nicht gebeten wurde, wirken tatsächlich oft wie Schläge“, erklärt die Trauerexpertin. „Stattdessen kann man fragen: Wonach ist dir gerade? Was kann ich für dich tun? Auch die eigenen Gefühle dürfen geäußert werden. Zum Beispiel, wenn man sich sehr um den anderen sorgt.“

Wie lange dauert Trauer?

Wie lange jemand trauert, ist ganz unterschiedlich. Es wird auch noch Jahre später so sein, dass die Trauer an besonderen Tagen wie dem Geburtstag oder dem Todestag wieder erwärmt wird. Sei gerade an diesen Tagen als Freundin oder Freund besonders sensibel und verständnisvoll.

Keine Angst vor Humor

Auch mit der Freundin oder dem Freund gemeinsam nach Trauergruppen, einer Trauerbegleitung, Trauerchats oder einer Trauer-Online-Beratung zu suchen, kann helfen. Oft ist es für Trauernde sehr wertvoll zu merken, dass es noch andere gibt, die das Gleiche durchmachen. Wenn ein Trauernder bereit dazu ist, kannst du mit der trauernden Person auch zusammen Fotos von der oder dem Verstorbenen anschauen oder vorschlagen, gemeinsam Orte zu besuchen, die mit der verstorbenen Person verknüpft sind. „Hat die trauernde Person starke Schuldgefühle, weil sie trotz Trauer auch schöne Dinge erlebt, hilft die Frage: Was würde XY jetzt sagen und sich für dich wünschen? Freunde können bei der Einnahme dieser Perspektive unterstützen“, weiß Davina . Außerdem gilt: Hab keine Angst vor Humor! „Auch der darf zur Trauer dazugehören. Lachen ist erlaubt und heilsam. Es hilft, die Normalität in der Freundschaft zu erhalten. Auch das brauchen Trauernde. Natürlich muss das sensibel passieren, aber Freunde dürfen Humor ruhig mit einbringen.“ Und auch „ Trauer-Pausen“ und „trauerfreie Zeiten“ sind wichtig, um Kraft zu schöpfen und den Akku aufzuladen.

Hier bekommen Trauernde professionelle Hilfe

Für Trauernde gibt es verschiedene Hilfsangebote der Malteser. Eine Übersicht findest du hier. Für junge Menschen sind Online-Trauerangebote besonders zugänglich. Wie Via. Ein digitaler Raum der Malteser für Trauer und zum Schaffen von Erinnerungen. Bei Via gibt es etwa eine „Erste Hilfe für Trauernde“ und eine Online-Trauerberatung durch professionelle Beraterinnen und Berater. Mehr unter via-app.org/online-beratung oder schreiben-als-bruecke.de.

Keine Vorwürfe machen

„Dass jemand sich anfangs zurückzieht, ist völlig normal. Das Bedürfnis, allein zu sein, ist eine klassische Trauerreaktion“, sagt Davina . „Wird man als Freund oder Freundin, die helfen will, erstmal zurückgewiesen, darf man nicht beleidigt sein. Auch wenn es sich komisch anfühlt – die Reaktion hat nichts mit der Freundschaft oder der eigenen Person zu tun.“ Dann heißt es: Dranbleiben und sich regelmäßig (aber nicht zu aufdringlich) melden, um so zu zeigen, dass man da ist. „Irgendwann wird die trauernde Person sich zurückmelden. Und glücklich sein, wenn gute Freunde dann für sie da sind – ganz ohne Vorwürfe.“


#Tod & Trauern

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