Berufstätig Angehörige pflegen: Tipps für mehr Balance im Alltag
Viele Menschen in Deutschland pflegen ihre Angehörigen zu Hause – oft neben dem Beruf. Diese Doppelbelastung bringt Herausforderungen mit sich, die Zeit, Kraft und Organisation erfordern. Hier erfahren Sie, wie Sie Pflege und Beruf besser vereinbaren und welche Unterstützungsangebote Ihnen dabei helfen können.
Wenn Belastung zum unsichtbaren Begleiter wird
Der Alltag von pflegenden Berufstätigen bleibt häufig unsichtbar. Sie jonglieren zwischen Meetings und Medikamentengabe, stehen nach einem langen Arbeitstag erneut am Herd oder begleiten ihre Liebsten zu Arztterminen, während ihre Kolleginnen und Kollegen längst abschalten. Betroffene halten ihre Sorgen und Alltagsnöte oft zurück, möchten nicht zur Last fallen – weder im Job noch im Familienkreis. Dabei schleichen sich Überforderung und manchmal sogar Schuldgefühle leise ein und werden viel zu selten geteilt. Doch genau diese unausgesprochenen Belastungen wiegen schwer: Sie können die Freude im Alltag schmälern und Beziehungen erschweren.
Sollten auch Sie davon betroffen sein, ist es wichtig zu wissen, dass Sie damit nicht allein sind. Den Mut zu finden, sich die eigenen Grenzen einzugestehen und sich Hilfe zu suchen, ist ein wesentlicher Schritt.
Pflege und Beruf: Was Sie wissen sollten
In Deutschland sind etwa fünf Millionen Menschen pflegebedürftig. Davon wird tatsächlich der Großteil zu Hause betreut – meist von Angehörigen oder nahestehenden Personen. Sollten Sie dazugehören, sind sie also Teil einer großen (und mutmaßlich wachsenden) Bevölkerungsgruppe. Die Doppelbelastung von Job und täglicher Pflege fordert den Betroffenen eine Menge ab: Zu den Aufgaben abseits der heimischen Pflege gehören auch die Organisation von Arztbesuchen, das Ausfüllen von Anträgen, die Koordination von Pflegediensten und vieles mehr. Der Spagat zwischen festen Arbeitszeiten, Meetings und Pflegebedürfnissen führt oft zu Stress. Was Sie in diesem Zusammenhang wissen sollten: Die Vereinbarkeit von Pflege und Beruf wird in Deutschland per Gesetz gefördert.
Wichtige Unterstützungsangebote
Berufstätige pflegende Angehörige haben Anspruch auf vielfältige Hilfen, die Zeit und Entlastung schaffen. Gesetzlich sind hierzulande folgende Ansprüche geregelt:
- Pflegezeit und Familienpflegezeit:
- Bis zu 6 Monate unbezahlte Freistellung (Pflegezeit) oder bis zu 24 Monate mit reduzierter Arbeitszeit (Familienpflegezeit).
- Kündigungsschutz während der Pflegezeit.
- Unterstützung durch zinslose Darlehen zur teilweisen Kompensation des Einkommensausfalls.
- Kurzzeit- und Verhinderungspflege:
- Temporäre stationäre Betreuung bis zu 8 Wochen (Kurzzeitpflege).
- Ersatzpflege zu Hause bei Verhinderung der Hauptpflegeperson bis zu 6 Wochen.
- Finanzielle Förderung durch die Pflegekasse (bis zu 1.854 Euro für Kurzzeitpflege, bis zu 1.685 Euro für Verhinderungspflege jährlich).
- Entlastungsbetrag:
- Monatlich bis zu 131 Euro für unterstützende Dienste wie ambulante Pflege, Tagespflege oder Haushaltshilfe.
- Der Betrag kann über das ganze Jahr hinweg flexibel genutzt werden.
Akuter Pflegefall? So erhalten Sie im Job sofort Unterstützung
Gut zu wissen: Wenn Sie berufstätig sind und in Ihrem Angehörigenkreis plötzlich ein akuter Pflegefall eintritt, können Sie bis zu zehn Tage von der Arbeit frei nehmen, um die notwendige Versorgung zu organisieren. Dieses Recht gilt für alle Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, unabhängig von der Betriebsgröße. Wichtig ist allerdings, dem Arbeitgeber sofort Bescheid zu geben und die voraussichtliche Dauer mitzuteilen. Eine ärztliche Bescheinigung, die eine akute Pflegebedürftigkeit bestätigt, ist ebenfalls erforderlich. Ein offiziell festgestellter Pflegegrad muss jedoch (noch) nicht vorliegen. Während dieser Zeit sind Sie vor einer Kündigung geschützt. Wenn Sie keine Lohnfortzahlung erhalten, können Sie Pflegeunterstützungsgeld beantragen, um den Einkommensausfall abzufedern. So bleibt Ihnen der nötige Raum, um in einer oft belastenden Situation die bestmögliche Pflege zu organisieren – ohne den Stress um den Arbeitsplatz.
Praxisnahe Tipps für den Alltag
Wenn Sie jemanden pflegen, sind Ihre Tage vermutlich von Fürsorge, Verantwortung und vielen kleinen sowie großen Entscheidungen geprägt. Das kostet Kraft. Gerade wenn Beruf und Pflege zusammentreffen, fühlt es sich oft so an, als bliebe für die eigenen Bedürfnisse kaum noch Raum. Doch Sie müssen diesen Weg nicht allein gehen! Schon kleine Veränderungen und der Mut, Hilfe anzunehmen, können den Alltag leichter machen und neue Freiräume schaffen. Diese Tipps unterstützen Sie dabei, liebevoll für andere da zu sein und trotzdem auf sich selbst zu achten:
- Offen mit dem Arbeitgeber sprechen: Flexible Arbeitszeitmodelle, Homeoffice oder Stundenreduzierung können helfen, Beruf und Pflege zu vereinbaren. Viele Arbeitgeber unterstützen Mitarbeitende in dieser Situation.
- Pflegeaufgaben delegieren: Nutzen Sie Pflegedienste oder holen Sie sich Unterstützung aus der Nachbarschaft. Bereits wenige Stunden Hilfe schaffen mehr Freiraum.
- Technische Hilfsmittel: Hausnotrufsysteme, Pflege-Apps und Erinnerungen zur Medikamenteneinnahme erleichtern die Pflegeorganisation.
- Selbstfürsorge: Achten Sie auf Pausen und suchen Sie den Austausch mit Gleichgesinnten, etwa in Selbsthilfegruppen. Eigene Gesundheit ist die Grundlage, um anderen gut beistehen zu können.
- Beratungsangebote nutzen: Das kostenlose Pflegetelefon bietet vertrauliche Beratung zu Pflegezeit und finanziellen Unterstützungen. Mehr dazu finden Sie im Infokasten am Ende des Artikels.
Pflegekurse der Malteser für Angehörige
Möchten Sie die Pflege einer Angehörigen oder eines Angehörigen selbst bewerkstelligen, bietet es sich an, einen kostenlosen Online-Kurs, den die Malteser in Zusammenarbeit mit den Krankenkassen anbieten, zu belegen. Hier lernen Sie die Grundlagen der häuslichen Pflege und bekommen zudem umfassende Infos zu rechtlichen und finanziellen Fragen, die die Pflege von Angehörigen betreffen.
Hilfe für daheim: Ambulante Pflege der Malteser
Ambulante Pflegedienste ermöglichen Menschen mit Pflegebedarf ein weitgehend selbstbestimmtes Leben in den eigenen vier Wänden. Hinter dem nachfolgenden Link erhalten Sie Informationen zur ambulanten Pflege der Malteser.
Mit diesen Informationen und Hilfen meistern Sie den Spagat zwischen Beruf und Pflege nicht nur leichter, sondern gewinnen auch neue Sicherheit und Zuversicht im Alltag. Zusammengefasst gelten diese Faustregeln: Nutzen Sie die Unterstützungsangebote, nehmen Sie Hilfe an und machen Sie sich bewusst, dass Ihre eigenen Bedürfnisse genauso zählen wie die Ihrer Angehörigen.
Sich als pflegende Person Freiräume zu schaffen, ist kein Zeichen von Schwäche. Es stellt vielmehr sicher, dass Sie dauerhaft für Ihre Lieben da sein können. Ermöglichen Sie sich Pausen und nehmen die Unterstützung aus Ihrem Umfeld wahr. So schaffen Sie es, den Alltag nicht nur zu bewältigen, sondern bewusst und auf positive Weise zu erleben.
Pflegetelefon: Beratung für pflegende Angehörige
Mit dem Pflegetelefon bietet das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend eine kostenlose Beratungsstelle für pflegende Angehörige, Pflegebedürftige und Arbeitgeber. Das Pflegetelefon berät insbesondere auch zu den Entlastungs- und Freistellungsmöglichkeiten nach dem Pflegezeitgesetz und dem Familienpflegezeitgesetz.
Sie erreichen es von Montag bis Donnerstag von 09.00–18.00 Uhr unter der Telefonnummer 030/20179131 sowie per E-Mail unter info@wege-zur-pflege.de. Auch in Pflegestützpunkten oder Pflegeberatungsstellen gibt es alle wichtigen Informationen, Antragsformulare, konkrete Unterstützung und Beratung rund um die Betreuung einer pflegebedürftigen Person.