Gerontokratie: Einfluss und Verantwortung älterer Menschen

Viele ältere Menschen haben das Gefühl, gesellschaftlich wenig bewirken zu können – doch die Zahlen zeigen eine andere Realität: Die Generation 60plus spielt eine bedeutende Rolle in der Politik. Was bedeutet das für Altersdiskriminierung, den Generationenpakt, also die gegenseitige Unterstützung von Alt und Jung, und die Zukunft unserer Gesellschaft? Hier finden Sie die wichtigsten Fakten und Hintergründe.

Menschen ab 70 Jahren sind die größte Wählergruppe

Ältere Menschen bilden eine wachsende Bevölkerungsgruppe. Doch bedeutet das automatisch, dass sie das politische Geschehen dominieren? Die über 60-Jährigen machten in Deutschland laut Destatis bei der Bundestagswahl im Februar 2025 mehr als 42 Prozent der Wahlberechtigten aus – das waren mehr als dreimal so viele wie die unter 30-Jährigen. Laut Statista ist die größte Gruppe aller Wahlbeteiligten zudem die der Menschen über 70 Jahren, Tendenz steigend. Hinzu kommt, dass ältere Menschen ihr Wahlrecht in der Regel überdurchschnittlich häufig ausüben. Also doch: Alle Macht den Alten? Ganz so einfach ist es nicht. Wenn man genauer hinschaut, ergibt sich ein differenzierteres Bild.
 

Was bedeutet Gerontokratie?

Gerontokratie wird abgeleitet aus den altgriechischen Wörtern Geron (Greis) und kratein (herrschen). Es bezeichnet gesellschaftliche Zustände, in denen ältere Menschen (beziehungsweise die ältere Generation) den größten politischen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Einfluss haben.

Gibt es eine bestimmte Altersspanne mit besonders großem Einfluss?

Aus der hohen Wahlbeteiligung und dem damit verbundenen politischen Interesse lässt sich ableiten, dass der politische Einfluss ab einem Alter von etwa 60 Jahren besonders stark ist. Außerdem muss in diesem Zusammenhang berücksichtigt werden, dass in vielen politischen Gremien oder Institutionen überdurchschnittlich viele ältere Menschen vertreten sind. Die politischen Erfahrungen und Einstellungen dieser Generation wirken sich damit sowohl direkt auf Wahlergebnisse als auch langfristig auf politische Entscheidungen aus.

Darum wählen Ältere häufiger als Jüngere

Bei der Bundestagswahl 2025 war laut Statistischem Bundesamt die Wahlbeteiligung in der Gruppe der 50- bis 69-Jährigen mit 85,5 Prozent am höchsten. Es gibt eine ganze Reihe von möglichen Gründen, warum die Wahlbeteiligung speziell bei älteren Menschen bis 70 Jahren höher ist: 

  • Ältere Menschen sehen das Wählen oft als Bürgerpflicht an und sind mit dem Wahlprozess vertrauter. 
  • Sie kümmern sich frühzeitig um Briefwahlunterlagen oder planen den Wahltag fest ein. 
  • Hinzu kommen spezifische politische Einstellungen: Ältere Menschen zeigen seit Jahrzehnten Parteineigungen, legen Wert auf Sicherheit, Stabilität und soziale Sicherungssysteme – und hier insbesondere auf die Themenfelder Gesundheit und Rente. 
  • Ihr politisches Interesse ist hoch und sie sind mit dem politischen System insgesamt eher zufrieden. 
  • Der Wunsch nach klaren politischen Verhältnissen führt oft dazu, dass sie sich besonders zuverlässig und engagiert einbringen.

 

Wie sehr beeinflusst die ältere Generation wirklich das politische Umfeld?

Die Älteren bilden in Deutschland zwar eine immer größere Gruppe, aber ihr Einfluss ist nicht absolut. Generationenkonflikte wie etwa zum Thema Klimawandel lassen sich aus der demografischen Dominanz der Generation 60plus nicht automatisch ableiten. Es gibt Ältere, die sich für das Thema gar nicht interessieren und es gibt ebenso Ältere, die sich sehr aktiv gegen den Klimawandel engagieren. Das zeigt zum Beispiel die Initiative Omas for Future. Lesen Sie dazu auch unseren Artikel "Omas for Future: Generation 50 plus für den Klimaschutz." Das Alter beeinflusst zwar die Parteipräferenz und politische Meinung mit, ist aber nur ein Faktor unter vielen. Trotzdem gibt es einige Themenfelder, die älteren Menschen wichtiger sind als jüngeren – etwa Rente und Pflege. Zusammenfassend lässt sich sagen: Ältere Menschen haben in Deutschland heute mehr politischen Einfluss als Jüngere, vor allem durch ihre demografische Stärke, hohe Wahlbeteiligung und die parteipolitische Ausrichtung auf ihre Interessen. Doch dieser Einfluss ist nicht grenzenlos, da die Einstellungen und Meinungen von Älteren untereinander auch stark abweichen können.

Ist eine demografisch gerechte Verteilung von Einfluss möglich?

Die Diskussion um Generationengerechtigkeit dreht sich um die faire Verteilung gesellschaftlicher Ressourcen und Mitbestimmungsmöglichkeiten zwischen den Generationen. Zur besseren Balance zwischen den Generationen werden verschiedene Reformvorschläge diskutiert.

  • Absenkung des Wahlalters: Parteien wie Bündnis 90/Die Grünen, Die Linke, SPD und FDP fordern, das Wahlalter auf 16 Jahre zu senken, um jüngeren Menschen mehr politisches Gewicht zu geben. Bislang ist die Altersgrenze bei den Bundestagswahlen und bei zehn Landtagswahlen 18 Jahre. 
  • Wahlrecht ohne Altersgrenze: Einige Modelle schlagen vor, jungen Menschen ab einem selbst gewählten Zeitpunkt das Wahlrecht zu gewähren. Dieser Ansatz soll junge Stimmen stärken, ohne andere zu schwächen.
  • Erneuerung des Generationenvertrags: Es wird gefordert, den gesellschaftlichen Generationenvertrag neu auszuhandeln, sodass die Lasten und Chancen zwischen den Generationen fairer verteilt werden. Dazu gehört auch, die Interessen und Rechte junger Menschen rechtlich abzusichern und sie in Entscheidungsprozesse einzubeziehen. Diese Ansprüche stellt das Bundesjugendkuratorium (BJK) in einem Grundsatzpapier zu Generationengerechtigkeit. Das Gremium berät die Bundesregierung in grundsätzlichen Fragen der Kinder- und Jugendhilfe.

Wie können Jung und Alt besser zusammenarbeiten?

Die gerechte Verteilung von Einfluss bleibt eine Herausforderung, die durch Reformen oder generationenübergreifende Projekte bewältigt werden kann. Eine bessere Zusammenarbeit zwischen Jung und Alt gelingt vor allem durch gezielten Austausch, gemeinsame Projekte und das Bewusstsein für die Stärken beider Seiten. Statt Gegensätze zu betonen, bieten generationenübergreifende Zusammenarbeit und gegenseitiger Respekt wertvolle Chancen für ein starkes Miteinander:

  • Initiativen und Projekte: Gemeinsame Projekte, wie digitale Sprechstunden, bei denen Schüler älteren Menschen den Umgang mit Technik erklären, fördern gegenseitiges Verständnis und bringen Innovationen hervor. Auch generationenübergreifende Projekte wie gemeinsames Wohnen oder Nachbarschaftsinitiativen fördern das Verständnis zwischen Jungen und Alten, genauso wie etwa die Besuchsdienste der Malteser.
  • Offene Begegnungsräume: An vielen Orten gibt es bereits offene Begegnungsräume für alle Altersgruppen; mit vielfältigen Angeboten: von Nachhilfe und Kursen zur Digitalkompetenz über gemeinsame Theaterworkshops bis hin zu Patenschaften und Alltagshilfen. Viele Städte und Gemeinden fördern darüber hinaus generationenübergreifende Wohnformen, Nachbarschaftsinitiativen und Begegnungsstätten, die gezielt auf das Miteinander verschiedener Altersgruppen ausgerichtet sind.
  • Austausch von Erfahrung und Perspektiven: Ältere Menschen bringen wertvolles Wissen und Lebenserfahrung ein, während Jüngere neue Impulse und Technologien beisteuern. Das ist eine starke Kombination.
  • Soziale Integration: Der Austausch fördert das Gefühl von Zugehörigkeit und verhindert Isolation auf beiden Seiten. 

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