Einsamkeit: Wie einsam bin ich?

Einsamkeit ist in unserer Gesellschaft weit verbreitet und kann jede und jeden treffen. Wie sie entsteht, wie du sie erkennst, welche unterschiedlichen Formen es gibt und was du gegen Einsamkeit unternehmen kannst, erfährst du hier.

Darum geht's:


Was ist Einsamkeit eigentlich?

Einsamkeit ist ein subjektives Gefühl. Menschen, die sich einsam fühlen, sind mit ihren sozialen Beziehungen unzufrieden.

„Bei Einsamkeit gibt es eine Diskrepanz zwischen den tatsächlichen und den gewünschten sozialen Beziehungen“, erklärt Linda Maurer, die an der Universität Klagenfurt zum Thema Einsamkeit forscht.

„Das kann quantitativ sein, wenn man sich also mehr soziale Beziehungen wünschen würde, als man hat, oder auch qualitativ. Dann gibt es ein Bedürfnis nach intensiveren sozialen Beziehungen.“

Was ist Einsamkeit eigentlich?

Nicht jeder Mensch, der allein ist, fühlt sich einsam. Allein zu sein ist ein objektiv sichtbarer Zustand – Einsamkeit ist ein subjektives Gefühl. Alleinsein und Einsamkeit können, müssen aber nicht gleichzeitig auftreten.

Wie äußert sich Einsamkeit?

Einsamkeit kann zu körperlichen und psychischen Symptomen führen. Körperliche Symptome von Einsamkeit können zum Beispiel sein:

  • Anspannung
  • Müdigkeit und Schlafstörungen
  • Erhöhtes Stresslevel


Psychische Symptome von Einsamkeit können zum Beispiel sein:

  • Traurigkeit
  • Gefühl der Leere
  • Sich ausgeschlossen fühlen
  • Verzweiflung

Welche Formen der Einsamkeit gibt es?

Einsamkeit ist nicht gleich Einsamkeit. Es werden mehrere Formen unterschieden:

  • Emotionale Einsamkeit: Sehr enge Bezugspersonen wie eine Partnerin oder ein Partner oder eine beste Freundin oder ein bester Freund fehlen.
  • Soziale Einsamkeit: Ein breites soziales Netzwerk fehlt. Zu einem solchen Netzwerk gehören zum Beispiel Freundinnen und Freunde, Nachbarinnen und Nachbarn und Arbeitskolleginnen und Arbeitskollegen.
  • Kollektive Einsamkeit: Jemand fühlt sich zu einer größeren Gruppe oder Gemeinschaft nicht zugehörig. Darunter fällt auch die kulturelle Einsamkeit, die man verspüren kann, wenn man die Sprache eines Landes nicht spricht, in dem man sich aufhält.
  • Physische Einsamkeit: Das Fehlen von körperlicher Nähe, Umarmungen und Treffen im echten Leben statt nur über die sozialen Netzwerke.


Auch nach zeitlicher Dauer wird Einsamkeit unterschieden:

  • Vorübergehende Einsamkeit: Eine ganz natürliche und nicht schädliche Form der Einsamkeit, die fast jeder kennt, auf die man in der Regel gut reagieren kann und die schnell vorbei geht.
  • Situationale Einsamkeit: Entsteht durch soziale Umbrüche oder wenn ein Lebensereignis einen aus der Bahn wirft (Partnerin oder Partner stirbt, Arbeitsplatzverlust, Freundin oder Freund hat komplett andere Ansichten zu einem Thema und man entfremdet sich usw.).
  • Chronische Einsamkeit: Jemand fühlt sich oft und über einen langen Zeitraum anhaltend einsam. „Das ist die Form der Einsamkeit, bei der es heikel werden kann“, betont Linda Maurer.

Wie viele Menschen sind einsam?

Wie viele Menschen von Einsamkeit betroffen sind, darüber gibt es bislang keine genauen Zahlen. „Es gibt vorsichtige Schätzungen, dass fünf bis zehn Prozent der Deutschen häufig unter Einsamkeit leiden“, sagt Linda Maurer. „Genau weiß man das aber nicht. Das Thema wird leider immer noch tabuisiert, viele Menschen sprechen nicht über ihre Einsamkeit. Und: Einsamkeit ist schwer zu messen, weil es keine Krankheit ist und nicht diagnostiziert werden kann. Es fehlen genaue Diagnosekriterien, wie es sie zum Beispiel bei Depressionen oder Angsterkrankungen gibt.“ Die Wissenschaft forscht daran, diese Kriterien zu entwickeln. Übrigens: Dass vor allem ältere Menschen von Einsamkeit betroffen sind, stimmt so nicht. „Das nahm man lange an, weil Studien vor allem mit älteren Menschen durchgeführt wurden“, sagt Linda Maurer. „Inzwischen wissen wir, dass gerade auch junge Menschen sehr von Einsamkeit betroffen sind. Im mittleren Alter sinkt die Einsamkeit dann wieder, und ab etwa 80, wenn Partner oder Freunde versterben, steigt sie wieder an.“

Was sind die Ursachen für Einsamkeit?

Ursachen für Einsamkeit gibt es viele. Einsamkeit kann als Reaktion auf äußere Umstände entstehen – zum Beispiel beim Übergang von der Schule ins Studium oder vom Studium ins Berufsleben. Viele Menschen waren auch während der Corona-Pandemie stark von Einsamkeit betroffen. „Auch der Auszug aus dem Elternhaus, Arbeitslosigkeit oder andere Lebensereignisse können Einsamkeit auslösen“, sagt Linda Maurer. Ebenso kann die Persönlichkeit eine Rolle spielen: Laut Studien sind einsame Personen oft eher introvertiert, sehr sensibel, machen sich viele Sorgen, reagieren stärker auf Ablehnung als andere Menschen und sind generell sehr wachsam, was Interaktion mit anderen angeht. „Wie verträglich man ist, spielt natürlich auch eine Rolle, genauso schwingen immer auch Kindheitserfahrungen mit“, sagt Linda Maurer. Ein weiterer wichtiger Faktor ist unser modernes Kommunikationsverhalten. „Wir treffen uns weniger, sprechen seltener, texten mehr. Das alles kann Einsamkeit fördern“, weiß die Expertin.

Was passiert, wenn man lange einsam ist?

Chronische Einsamkeit kann körperliche und seelische Folgen haben. „Depressionen, Angst- und Essstörungen, Suizidgedanken – all das kann durch ein Gefühl der Einsamkeit ausgelöst werden“, sagt Linda Maurer. Auch das Risiko für bestimmte Erkrankungen wie Herz-Kreislauf-Erkrankungen kann durch Einsamkeit steigen. „Studien zeigen, dass Einsamkeit beispielsweise so schädlich ist, wie 15 Zigaretten täglich zu rauchen oder übergewichtig zu sein“, so die Wissenschaftlerin.

Was hilft gegen Einsamkeit?

Wenn die Kraft und Motivation dafür da sind, dann kann man selbst einiges gegen Einsamkeit tun. Zum Beispiel:

  • Den Kontakt zur Familie oder zu Freunden bewusst wieder aktivieren
  • Ein Haustier anschaffen – das ist auch eine Chance, Gleichgesinnte kennenzulernen, zum Beispiel beim Spaziergang mit dem Hund
  • Ein Ehrenamt übernehmen
  • Ein Hobby anfangen oder wiederbeleben, bei dem man andere Menschen trifft


Wenn du weitere Wege suchst, neue Kontakte zu knüpfen und weniger häufig allein zu sein, findest du hier einige Tipps.

„Fühlt sich die Einsamkeit so belastend an, dass die oben genannten Dinge nicht möglich sind oder helfen, kann eine Psychotherapie Sinn machen, bei der man den Ursachen für die Unzufriedenheit mit den eigenen Beziehungen auf den Grund geht“, rät Linda Maurer.

Wie sinnvoll sind Einsamkeitstests?

Im Internet gibt es diverse Tests, mit denen man prüfen kann, wie einsam man ist. Linda Maurer sieht diese eher kritisch. „Zum einen sind nicht alle Einsamkeitstests seriös und aussagekräftig. Es gibt eben noch keine klar definierten Kriterien, anhand derer man sagen kann, dass eine Person einsam ist. Die Ergebnisse sind häufig auch von der Tagesverfassung abhängig. Und das zweite Problem: Man wird mit den Ergebnissen, die die Tests ausspucken, alleingelassen.“ Die Expertin rät allen, die sich sehr einsam fühlen, lieber ein Gesprächs- oder Hilfsangebot wahrzunehmen. „Einen Einsamkeitstest kann man dann immer noch später machen, wenn man ärztlich oder therapeutisch begleitet wird.“

Hier gibt es Hilfe

  • Nummer gegen Kummer Kinder- und Jugendtelefon: 116 111 (Mo–Sa 14–20 Uhr)
  • krisenchat.de: 24/7-Beratung für Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene unter 25 Jahren via WhatsApp und SMS
  • TelefonSeelsorge: 0800 111 0 111, 0800 111 0 222 oder 116 123 (24 Stunden, 365 Tage im Jahr)
  • Redezeit für dich: Über 350 ehrenamtliche ausgebildete Zuhörerinnen und Zuhörer unterstützen bei Unsicherheiten, Selbstzweifeln, Einsamkeit, Wut, Hilflosigkeit, Frust, Unruhe, Überforderung und allem, was einen Menschen belasten kann.

#Psyche & Gesundheit

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