Armut: Jede beziehungsweise jeder achte Deutsche ist betroffen

Kinder, Renterinnen und Rentner, Alleinerziehende: Sie sind besonders oft von Armut in Deutschland betroffen. Doch ab wann gilt man als arm?

Darum geht’s:


Was bedeutet eigentlich Armut?

Der Begriff Armut bezeichnet einen Zustand, in dem Menschen wichtige Grundbedürfnisse nicht oder zumindest nicht umfassend befriedigen können. Dabei geht es um elementare Dinge: Wer arm ist, hat zu wenig Geld, sich ausreichend Nahrung und Kleidung zu kaufen und sich Wohnraum sowie medizinische Versorgung zu leisten. Er muss verzichten und seine Lebensqualität ist deutlich eingeschränkt. Um Armut einschätzen zu können, muss sowohl das soziale als auch das wirtschaftliche Umfeld berücksichtigt werden. Dabei wird unterschieden zwischen absoluter, relativer und gefühlter Armut. Zudem gibt es Kinder- und Altersarmut .

Was unterscheidet absolute und relative Armut?

Laut der Weltbank ist jemand extrem (absolut) arm, wenn er pro Tag weniger als 1,90 US-Dollar zur Verfügung hat. Diese Summe ist der Minimalbetrag, den ein Mensch demnach zum (Über-)Leben braucht. Wer weniger hat, dessen Existenz ist bedroht. Für den internationalen Vergleich wird die Kaufkraft des US-Dollars in lokale Kaufkraft umgerechnet.

Mehr als 700 Millionen Menschen leben nach dieser Definition weltweit in absoluter Armut. Erschreckend: Fast die Hälfte von ihnen sind Kinder und Jugendliche unter 18 Jahren. Die Folgen sind verheerend: Hunger, Mangelernährung, schlechter Gesundheitszustand, Obdachlosigkeit. In Deutschland sollte absolute Armut durch das Sozialsystem eigentlich ausgeschlossen sein – trotzdem gibt es sie auch hierzulande.

Anders als bei der absoluten Armut wird bei der Definition der relativen Armut das Einkommen des sozialen Umfelds eines Menschen miteinbezogen. Wer so viel wie das aktuelle "mittlere Einkommen" (Median) zur Verfügung hat, gilt als „normal“ verdienend. Ist das eigene Einkommen geringer als 60 Prozent des Medianeinkommens, handelt es sich um relative Armut. Man spricht in diesem Fall auch von Armutsgefährdung. Wichtig für die Einschätzung der eigenen Lage sind hier aber auch immer regionale, soziale und gesellschaftliche Unterschiede. Jemand, der etwa in einer Großstadt lebt und dort Miete zahlen muss, wird mit dem deutschen Medianeinkommen schneller an seine Grenzen stoßen als jemand, der auf dem Land wohnt. Viele von Armut Betroffene, können zudem nur eingeschränkt am „normalen“, gesellschaftlichen Leben teilhaben – die soziale Ungleichheit führt häufig zu Scham, Ausgrenzung oder Isolation.

Was ist der Bundesmedian genau?

Er gilt in Deutschland als bundesweite Grundlage für die Ermittlung der Armutsgefährdungsschwelle. Das mittlere Einkommen (Median) wird dabei für das gesamte Bundesgebiet als Grundlage genommen, regionale Unterschiede werden dabei nicht gemacht.

Was bedeutet gefühlte Armut?

Bei der gefühlten Armut wird das Einkommen nicht berücksichtigt. Sie bezeichnet, wie der Name schon sagt, die subjektive Wahrnehmung. Betroffene fühlen sich wegen ihrer als zu gering empfundenen finanziellen Möglichkeiten ausgegrenzt. Auch wenn sie nicht an Zahlen festgemacht wird – die gefühlte Armut ist häufig ein reales Gefühl und hat oft negative Auswirkungen auf die Lebensqualität, die sich nicht von denen der Betroffenen von relativer Armut unterscheiden

Wo liegt hierzulande die Armutsgrenze?

Die Armutsgrenze wird in Deutschland am Einkommen gemessen: Jede beziehungsweise jeder, die oder der weniger als 60 Prozent des Durchschnittseinkommens zur Verfügung hat, liegt unter der Armutsgrenze. Die aktuellsten Zahlen sind von 2019. Der sogenannte Schwellenwert für Armutsgefährdung liegt dabei für Alleinlebende bei 1.074 Euro pro Monat. Für Familien ist er dementsprechend höher.

Insgesamt waren 2019, also vor Corona, knapp 16 Prozent der Gesamtbevölkerung in Deutschland armutsgefährdet. Darunter waren auch acht Prozent der Erwerbstätigen. Das bedeutet: Mehr als drei Millionen Menschen, die arbeiten, mussten mit weniger als 60 Prozent des Durchschnittseinkommens haushalten. Durch die Corona-Pandemie (fehlende Aufträge, Kurzarbeit etc.) hat sich diese Lage zudem noch verschärft.

Was führt zu Armut?

Der Hauptrisikofaktor, in Deutschland unter Armut zu leiden, ist Arbeitslosigkeit. Mehr als die Hälfte aller Erwerblosen ist derzeit armutsgefährdet. Auch Menschen im Ruhestand sind mit etwas mehr als 17 Prozent überdurchschnittlich oft betroffen. Ein weiterer Faktor ist die familiäre Situation: Etwa 42 Prozent aller Menschen, die in einem Haushalt von Alleinerziehenden leben, waren in den vergangenen Jahren armutsgefährdet. Auch Familien mit mehr als drei Kindern sind besonders oft betroffen – genauso wie Einpersonenhaushalte (etwa 25 Prozent).

Der Bildungsstand spielt ebenfalls eine Rolle: Je höher er ist, desto weniger sind die Menschen statistisch von Armut betroffen. Menschen mit einem niedrigen Bildungsstand hingegen haben geringere Chancen, von ihrer Erwerbsarbeit gut leben zu können. Und: In den vergangenen 15 Jahren hat sich der Unterschied zwischen mittlerem und hohem Bildungsstand in Bezug auf Armut immer weiter erhöht.

Was sind häufige Folgen von Armut?

Die Folgen von Armut sind vielschichtig: Sie reichen von schlechter Ernährungslage über mangelhafte gesundheitliche Versorgung und Wohnungslosigkeit bis hin zu Ausgrenzung und Isolation. Betroffene können oft nicht am gesellschaftlichen Leben teilnehmen, weil ihnen das Geld dafür fehlt. Darunter leiden Kinder ganz besonders. Ihre mangelnden Möglichkeiten, was Kleidung, Ernährung, Freizeit- und Konsumangebote angeht, führen oft zu Stigmatisierung, Stress und Isolation. Daraus resultieren wiederum psychische Krankheiten und Depressionen, die bei Kindern aus einkommensschwachen Haushalten deutlich öfter auftreten als bei Kindern von wohlhabenden Eltern. Auch Erwachsene, die von Armut betroffen sind, haben ein deutlich höheres Risiko, zu erkranken. Chronische Leiden wie Diabetes, Bronchitis, Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Lungen- oder Leberkrebs treten bei Menschen mit geringem Einkommen häufiger auf als beim Rest der Bevölkerung.


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