Kinderheime und Altenheime unter einem Dach

Wäre es nicht eine wunderbare Idee, wenn Menschen aus Altersheimen und Kinder ohne Eltern zusammenleben würden? Vorteile gibt es viele. Herausforderungen gibt es aber natürlich auch. Wir haben das Wichtigste für Sie zusammengefasst.

Mehr Gemeinsamkeiten als man denkt

Auf der rechten Seite stehen Rollatoren, auf der linken Seite Kinderwagen. So könnte es im Eingangsbereich eines gemeinsamen Wohnheimes für Kinder und ältere Menschen aussehen. Mehrgenerationenhäuser gibt es weltweit schon länger. Sie dienen als Begegnungsstätte oder gemeinsamer Lebensraum für Jung und Alt. Beispielsweise werden immer häufiger Kindertagesstätten und Seniorenheime direkt nebeneinander gebaut. So können sich die Kleinen und Älteren unter anderem im Garten oder in Gemeinschaftsräumen treffen, Spiele spielen, basteln oder zusammen essen.

In Kanada ist man nun noch einen Schritt weitergegangen und integriert Heime für Kinder in Altenheime. Wie passt das zusammen? Da sind einerseits die lauten, wilden Kinder und andererseits die gesetzten, ruhigen Seniorinnen und Senioren. Man könnte meinen, da sind Probleme vorprogrammiert. Tatsächlich gibt es aber mehr Vorteile und Gemeinsamkeiten. Der wohl wichtigste Punkt: Sowohl die Kinder als auch die Seniorinnen und Senioren müssen ohne ihre Familien leben oder haben gar keine Angehörigen mehr. Kommen die verschiedenen Generationen in kombinierten Kinder- und Seniorenheimen zusammen, bedeutet das für beide Seiten mehr soziale Kontakte und Interaktion. Auch wenn solche Treffen sicherlich von einer Betreuerin oder einem Betreuer begleitet werden müssen, könnte das Pflege- bzw. Betreuungspersonal dadurch entlastet werden. Darüber hinaus erfahren sowohl die Kinder als auch die Senrionnen und Senioren mehr menschliche und gegenseitige Nähe als Betreuerinnen und Betreuer in Zeiten des Pflegenotstands für sie aufbringen können.

Jung und Alt bilden ein tolles Team

Kinder gehen meist offen und vorurteilsfrei auf andere zu. Sie interessieren sich nicht für das Alter eines Menschen, Schwerhörigkeit oder Demenz. Kinder wollen die Welt entdecken, spielen und lernen. Mit ihnen ist immer Leben in der Bude und genau das ist es, was die Menschen in Altenheimen oft vermissen. Sie könnten eine Art Großelternfunktion übernehmen, auf die Kinder aufpassen, ihnen Dinge beibringen und ihnen das geben, was sie zu wenig bekommen: Liebe und Fürsorge. Die Kinder profitieren von der Lebenserfahrung und Sozialkompetenz der Älteren. Ob beim Kochen, Vorlesen, Spiele spielen oder beim Erkunden der Natur  – gemeinsam mit den älteren Generationen lernen Kinder, wie das Zusammenleben funktioniert.

Darüber hinaus erfahren sie, dass alt werden nichts Schlimmes ist. Und sie lernen Rücksicht auf ältere Menschen zu nehmen  – ebenso wie sie in der Kita lernen, Rücksicht auf kleinere und schwächere Kinder zu nehmen. Allerdings ist genau das ein häufig genannter Kritikpunkt an diesem Modell. Einige Menschen befürchten, es könnte die Entwicklung des Kindes beeinträchtigen, wenn es mit dem Älterwerden und dem Tod konfrontiert wird. Das Gegenteil ist jedoch der Fall. Kinder können sehr wohl mit diesen Themen umgehen und mehr noch: Sie lernen auf diese Weise den Kreislauf des Lebens kennen, wie sie es auch bei Sterbefällen in einer Familie lernen würden.

Projekt Wunschgroßeltern: Oma und Opa im Ehrenamt

Sie fühlen sich noch fit, sind offen und haben selbst leider keine oder in der Nähe lebende Enkelkinder, mit denen Sie gerne Ausflüge oder Unternehmungen machen würden? Dann können Sie sich zum Beispiel auch als Leihoma oder Leihopa engagieren.

Während unsere Gesellschaft lange Zeit Junge und Alte voneinander getrennt hatte, stellen wir nun fest: Kinder und ältere Menschen können ein tolles Team bilden. Inzwischen gibt es viele erfolgreiche Projekte wie beispielsweise in Japan. Dort werden schon seit einigen Jahren Kindergärten und Altenheime zusammengelegt. In Frankreich ist es üblich, dass Kindergartenkinder regelmäßig ältere Menschen im Heim besuchen. Und auch hierzulande werden in nahezu jedem Bundesland solche Begegnungen gefördert und gefordert. Theoretisch steht der Idee, Kinderheime in Altenheime zu integrieren, nichts mehr im Wege. Doch leider fehlt es noch an Umsetzungsmöglichkeiten und politischem Willen.

Es gibt noch Platzprobleme – aber auch erfolgreiche Beispiele

Vor allem die räumlichen Herausforderungen können nicht so leicht gelöst werden. Fusionen von bereits bestehenden Kinder- und Seniorenheimen sind schwierig, da der Platz an dem einen oder anderen Ort oft nicht ausreicht. Außerdem müsste man entweder den Kindern oder den Seniorinnen und Senioren einen Umzug zumuten. Besser ist es, von vornherein anders zu planen und entsprechende Wohnstätten zu bauen, die groß genug und barrierefrei sind. Besonders in den Städten wird es im wahrsten Sinne des Wortes eng. Ein kombiniertes Kinder- und Altenheim braucht viel Platz, denn eines ist wichtig: Alle Bewohnerinnen und Bewohner müssen sich zurückziehen können, wenn sie Ruhe brauchen. Darum werden nicht nur Gemeinschaftsräume benötigt, sondern jeweils eigene Räume für die Kinder und die älteren Menschen.

Das gelingt in manchen Städten bereits: Im Kinder- und Altenheim Kallmünz bei Regensburg wohnen schon länger 120 Kinder und ältere Menschen auf einem Grundstück zusammen. Es gibt gemeinsame Backaktionen, Bastel- und Spielnachmittage sowie Spaziergänge. Während die Besuche der Kinder im Altenheim für einen extra Schub Lebensenergie bei den älteren Bewohnerinnen und Bewohnern sorgen, erweitern die Kinder durch die Erzählungen und Gespräche ihren Entwicklungshorizont. Ganz nach dem Motto: Gemeinsam sind wir stark. Diese  Art des Zusammenlebens soll in Zukunft zu einem festen Bestandteil unserer Gesellschaft werden. Für eine entsprechende Petition im Bundestag werden aktuell Unterschriften gesammelt. Erste Schritte in diese Richtung machen die rund 530 Mehrgenerationenhäuser in Deutschland.

Familie früher und heute

Es gab Zeiten, in denen die ganze Familie unter einem Dach wohnte: Großeltern, Eltern und Kinder. Die Erwachsenen teilten sich die Arbeit. Während die Eltern dafür sorgten, dass Essen gekocht wurde, übernahmen die Großeltern die Kinderbetreuung. Mit der Industrialisierung zu Beginn des 19. Jahrhunderts veränderte sich das Bild von der Familie. Plötzlich fand das Leben der Großeltern getrennt vom Rest der Familie statt. Seit einigen Jahren ist das Mehrgenerationenkonzept wieder in den Fokus gerückt.

Mehrgenerationenhäuser werden immer beliebter

Nicht nur in Japan, auch bei uns in Deutschland werden immer mehr Begegnungsstätten für alle Generationen geschaffen. So werden Kitas und Altenheime nebeneinander gebaut. Viele Seniorinnen und Senioren empfinden diese Nähe zum Kindergarten als einen Vorteil. Sie freuen sich auf die Kleinen und die Kleinen freuen sich auf ihre Ersatzomas und -opas. Selbst wenn Jung und Alt nicht im gleichen Gebäude wohnen können, besuchen sie sich gegenseitig oder treffen sich in Mehrgenerationenhäusern außerhalb von Kita und Altenheim. Seit 2006 fördert die Bundesregierung diese Begegnungsstätten. Damals wurde das Programm Mehrgenerationenhaus. Miteinander – Füreinander ins Leben gerufen, um das alte Prinzip der Großfamilie in unsere heutige Gesellschaft zu übertragen. Mit den Mehrgenerationenhäusern möchten die Politikerinnen und Politiker „das Wohn- und Lebensumfeld attraktiver machen und den gesellschaftlichen Zusammenhalt zwischen Generationen und Kulturen befördern“. Die Mehrgenerationenhäuser werden überwiegend von privaten Organisationen wie Vereinen oder größeren Hilfsorganisationen betrieben. Aktuell fördert die Bundesregierung 530 entsprechende Häuser. In Zukunft dürften es noch deutlich mehr werden.


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