Senioren zocken: Videospiele für körperliche und geistige Fitness

Eine wachsende Zahl von Seniorinnen und Senioren spielt regelmäßig Videospiele. Wir beleuchten, wie sich die Zielgruppe für Videospiele wandelt, welche Vorteile damit einhergehen und welche Projekte empfehlenswert sind.

Kinderkram? Wer spielt heute eigentlich Videospiele?

Bevor wir auf die physischen und psychischen Vorteile sowie auf eventuelle Risiken von Videospielen schauen, werfen wir einen kurzen Blick auf die Geschichte der Videospiele, die Menschen, die sie spielen, und die Bedeutung dieser Freizeitgestaltung. Video- oder Computerspiele gibt es seit über 60 Jahren, wenn man „Tennis for Two“ des amerikanischen Physikers William Higinbotham als erstes Spiel anerkennt. Spielhallen und die ersten Heimkonsolen sorgten ab den 70er-Jahren für eine globale Verbreitung. Mit dem voranschreitenden technischen Fortschritt wurden die Spiele zunehmend komplexer.

Videospiele prägen unsere Kultur und nehmen maßgeblichen Einfluss auf unsere Gesellschaft. Und die Zeit, in der sich die Spieleindustrie auf eine aus Kindern und Jugendlichen bestehende Kernzielgruppe beschränkt hat, sind längst vorbei. In Deutschland ist der durchschnittliche Videospieler laut einer Erhebung aus dem Jahr 2020 37 Jahre alt – Tendenz rasant steigend. Videospiele gelten im Übrigen schon lange als die größte und lukrativste Unterhaltungsbranche – weder die Musik- noch die Filmindustrie kann da mithalten.
Doch die Spiele haben eben nicht nur einen reinen Unterhaltungswert: Genau wie Bücher oder Filme können sie fordernd, lehr- und einflussreich sein. Ein beliebiges Beispiel von vielen: Die Überlebenssimulation „This War of Mine“ aus dem Jahr 2014 wurde als Teil des nationalen kulturellen Erbe Polens ausgezeichnet und gehört seit 2020 zu den offiziellen Leseempfehlungen für polnische Schülerinnen und Schüler ab 18 Jahren.

Gespielt wird also in jeder Alters- und Gesellschaftsschicht. Im Rahmen großer Turniere in gigantischen Hallen, als Entspannung nach einem Arbeits- oder Schultag auf dem heimischen Sofa und seit einiger Zeit sogar in Alten- beziehungsweise Pflegeheimen. Aber wie nehmen die Videospiele nun positiven Einfluss auf ältere Menschen? Und kann man beim „Zocken“ wirklich von einer therapeutischen Wirkung sprechen?

Wie Seniorinnen und Senioren von Videospielen profitieren

Zwar können Videospiele bei exzessivem Konsum auch negative Folgen wie anhaltende Nervosität oder Suchtverhalten herbeiführen, generell gilt es heute jedoch als belegt, dass Videospiele in erster Linie positiv wirken. Wie zum Beispiel eine Studie der Ruhr-Universität Bochum zeigt, erspielen sich Kinder, die regelmäßig an Videospielen sitzen, einen deutlichen Lernvorteil. Verbesserte kognitive Fähigkeiten, die Fähigkeit zum räumlichen Denken, die Anwendung von Taktiken, die Steigerung der Aufmerksamkeit – all das sind positive Effekte, die wir heute mit Computerspielen in Verbindung bringen. Für viele, die sich bis dato wenig bis gar nicht mit Videospielen beschäftigt haben, mag es zudem verwunderlich klingen, dass ausgerechnet Videospiele Zusammenhalt, Teamwork und soziale Fähigkeiten lehren können. Gemeinsame Strategien werden besprochen und mit höchstmöglicher Synchronität umgesetzt. Und manchmal hat man einfach nur gemeinsam Spaß.

Für ältere Menschen liegt ein großer Vorteil der Videospiele darin, dass sie das Gedächtnis trainieren. Wie mittlerweile zahlreiche kognitive Tests und Kernspin-Untersuchungen verdeutlicht haben, wirken Videospiele positiv auf die Struktur des Gehirns. Sie stellen die Seniorinnen und Senioren vor Herausforderung und können auf geistiger Ebene Folgen eines Bewegungsmangels kompensieren. Wenn man dann noch berücksichtigt, dass es heute auch Videospiele gibt, bei denen die körperliche Bewegung vorausgesetzt wird, stellt sich unweigerlich die Frage, warum nicht jedes Pflegeheim heute über ein “Zocker-Zimmer” verfügt.
Immerhin gibt es Projekte und Produkte, die genau diese Thematik in den Fokus nehmen – darunter die Konsole Memore. Die Spielekonsole erkennt die Bewegungen der Spielerin oder des Spielers und ermöglicht zum Beispiel eine Kegelpartie im Aufenthaltsraum eines Pflegeheims – und das auch mit eher reduzierten Bewegungen und auf einem Stuhl sitzend. Wie das untenstehende Video zeigt, ist auch eine virtuelle Motorradfahrt möglich, bei der Fragen beantwortet werden müssen. Von solchen Spielen profitieren zum Beispiel Menschen mit Demenz.

Bitte beachten Sie: Sobald Sie sich das Video ansehen, werden Informationen darüber an Youtube/Google übermittelt. Weitere Informationen dazu finden Sie unter Google Datenschutzerklärung.

Zugegeben: Die Hemmschwelle, sich auf der Suche nach Anschluss und Zerstreuung in digitale Welten zu begeben, ist derzeit vor allem bei Älteren noch recht hoch. Es gibt jedoch Vereine, die den Menschen diese Angst nehmen und ihnen interessante Angebote aufzeigen wollen. Dazu gehört auch Wege aus der Einsamkeit e.V., der sich eigenen Angaben zufolge „bundesweit für die Verbesserung der Lebensumstände alter Menschen und ihrer Stellung in der Gesellschaft“ einsetzt. Sie bieten unter anderem digitale Bildungsangebote für Menschen über 65 Jahren und fordern kostenfreies WLAN in Altenheimen, Seniorenwohnanlagen, Seniorentreffs oder Quartierstreffpunkten. Wer mit moderner Technik Schwierigkeiten oder einfach noch keine Berührungspunkte hat, findet auch bei den Maltesern Hilfestellung: Bei den IT-Lotsen erhalten Seniorinnen und Senioren Hilfe, wenn sie zum Beispiel ihren Rechner nicht anbekommen oder Unterstützung bei der Bedienung des Smartphones benötigen.

Digitale Angebote in der Pflege – wie sieht die Zukunft aus?

Leider sind Projekte, in deren Rahmen Videospiele als therapeutisches Mittel für ältere Menschen eingesetzt werden, heute noch immer eine echte Seltenheit. Da der Altersdurchschnitt der Spielerinnen und Spieler aber rasant steigt und Videospiele auch für Menschen im Rentenalter zunehmend zum Alltag dazugehören, dürfte sich das schon bald ändern. Mit Virtual-Reality-Equipment sind Fernreisen und Erlebnisse in der Gemeinschaft möglich, ohne den bequemen Sessel in den eigenen vier Wänden oder in einem Pflegeheim verlassen zu müssen. Als Mittel gegen Einsamkeit, Isolation und Unterforderung im Alter werden Videospiele bereits in naher Zukunft eine Rolle spielen.


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