Auxilium reloaded – raus aus der Sucht, rein ins echte Leben

Sie sind männlich, zwischen 15 und 21 Jahren – und sie eint ein großes Problem: Sie haben sich in der virtuellen Welt verloren, finden den Weg heraus nicht mehr, sind süchtig nach Videospielen. Ein bis zwei Prozent aller 12- bis 18-Jährigen, so schätzen Experten, zocken zwanghaft. Die verheerenden Folgen: Die Jugendlichen vernachlässigen ihr echtes Leben, ihre Schule, ihre Familie, ihre Freunde und kapseln sich völlig ab. Nicht selten entwickeln sie Depressionen und Angstzustände. Eine Chance, den Weg zurück in die Realität zu finden, bietet seit vier Jahren Auxilium Reloaded, eine Wohneinrichtung der Malteser Werke in Dortmund.

Darum geht's:


Auxilium reloaded: Wenn Zocken zwanghaft wird

Die meisten Jugendlichen und jungen Erwachsenen, die bei Auxilium Reloaded Hilfe finden, sind zwischen 15 und 21 Jahren alt. „Wir sind ihre letzte Chance zurück ins echte Leben“, sagt Patrick, der Leiter der Einrichtung. Einen typischen Betreuten von Auxilium Reloaded beschreibt er so: „In der Regel hat er acht bis zwölf Stunden am Tag vor seinem Rechner und seinen Konsolen gehockt. Er hatte keine anderen Hobbies mehr und keine reellen Freunde. Er hat teilweise vergessen zu essen, sich zu waschen, überhaupt einmal vor die Tür zu gehen. Schule und Ausbildung hat er abgebrochen – das Verhältnis zu der Familie, den Eltern, ist häufig zerrüttet und massiv belastet.“ Bevor das Jugendamt die Betroffenen an die Einrichtung verweist, hat häufig schon eine ambulante Therapie stattgefunden. Ohne Erfolg – denn der Weg aus der Sucht ist schwierig.

Wer wird hier behandelt?

Patrick weiß: „Eine Online-Spielsucht entwickelt sich meist nicht von alleine. Viele der Betroffenen sind unsicher und haben im Leben bereits schlechte Erfahrungen gemacht. So wurden sie etwa in der Schule gemobbt oder haben Traumata erlebt wie den Tod eines geliebten Menschen.“ Anlass genug, sich von der realen Welt abzuwenden und in die virtuelle zu fliehen. „Jungs sind bei den Online-Spielen besonders gefährdet, sich zu verlieren“, erklärt Patrick, „Mädchen entwickeln eher eine Affinität für soziale Netzwerke und das schützt sie. Sie müssen raus und etwas erleben, um in ihrer Community zu bestehen. Die Computerspieler haben ihre Erfolgserlebnisse anfangs am PC für sich alleine – ihr Aussehen ist dabei völlig egal, ihre finanziellen Möglichkeiten auch. Sie brauchen auch keine echten Freunde.“ Und so driften die Jugendlichen nach und nach immer weiter ab, haben Konzentrationsstörungen, leiden unter sozialen Ängsten und entwickeln nicht selten Depressionen. „Alleine ist es ihnen nicht mehr möglich, sich aus diesem Sumpf zu befreien.“

Wie hilft die Einrichtung den süchtigen Jugendlichen?

Auxilium Reloaded ist eine besondere Chance für die Betroffenen: Sie kommen aus ganz Deutschland und fangen hier völlig neu an. Sie lernen, wieder am realen Leben teilzuhaben. Dabei begleitet und unterstützt sie ein Team aus 16 Betreuern – Pädagogen, Erzieher, Sozialarbeiter, Psychologen. „Wir nehmen unsere Bewohner an die Hand“, sagt Patrick, „wir begleiten sie zum Probetraining in einem neuen Verein, übernehmen Erstkontakte mit der Schule, helfen bei Bewerbungen, betreuen die Schularbeiten und bieten Einzel- und Gruppentherapie im Haus an.“ Meist blieben die Jugendlichen 12 bis 24 Monate in dieser neuen Gemeinschaft – dabei lernen sie auch wieder einen vernünftigen Umgang mit dem Internet und Online-Spielen.

Nicht abstinent sein, sondern verantwortungsbewusst mit Technik umgehen

„Die elektronischen Medien bleiben ein Teil des Alltags unserer Bewohner“, erklärt Patrick, „es muss also unser Ziel sein, den Jugendlichen einen kompetenten Umgang mit ihnen beizubringen, so dass sie risikobehaftete Inhalte selbst einschätzen können.“ Dazu wurde ein Stufenmodell entwickelt, in dem der Umgang mit den Medien geregelt wird. So dürfen in der ersten Stufe, den ersten zwei Wochen in der Einrichtung, die Bewohner ihre Handys zwischen 14 und 22.30 Uhr und außerdem den Computer im Gruppenraum nutzen. „Diese Phase dient der sanften Ablösung“, erklärt der Leiter, „in dieser Zeit beobachten wir die Bewohner und ihren Medienkonsum. Daneben gibt es viele gesellschaftliche Angebote, Therapiestunden und das gemeinsame Essen, bei dem die Handys verboten sind. Nach diesen zwei Wochen wird der Medienkonsum auf eine Stunde am Tag beschränkt – und meist löst das dann schon gar keine Angst mehr aus. Unsere Bewohner haben schon eine erste Ablösung erlebt und gemerkt, dass das Leben weitergeht.“

Nach und nach lernen sie dann den kompetenten Umgang mit dem Internet neu – dabei arbeiten sie mit ihren Therapeuten auch auf, warum sie auf bestimmte Spiele zu exzessiv reagiert haben und was die virtuelle Welt ihnen gegeben hat. Besonders wichtig ist dabei ein regelmäßiger und strukturierter Tagesablauf: Damit sie auch diejenigen Gefühle, die sie in der virtuellen Welt als positiv empfunden haben, in der Realität erleben können.

Was sind die Ziele von Auxilium Reloaded?

„Im Idealfall haben unsere Jugendlichen in der Zeit bei uns ein persönliches soziales Netz aufgebaut“, sagt Patrick, „sie haben Freunde gefunden, Hobbies und Jobs. Sie haben eine Idee für ihr Leben bekommen – und das soll sie für die Zukunft schützen.“

Im Einzelnen bedeutet das:

  • sie sind kompetent im Gebrauch mit elektronischen Medien
  • sie konsumieren keine Rauschmittel
  • sie sind in die Gesellschaft integriert
  • sie kennen ihre eigenen Stärken und Fähigkeiten
  • sie sind in der Lage, ihren Alltag selbständig zu meistern
  • sie können sich ein eigenes soziales Netz aufbauen
  • sie haben Vertrauen in sich selbst

Diese Hilfe bekommen die Bewohner:

  • Familien und Verhaltenstherapie in der Gruppe und einzeln
  • intensive pädagogische Betreuung rund um die Uhr
  • Medienkompetenztraining
  • Erlebnispädagogik mit Sport- und Freizeitangeboten
  • Unterstützung im Alltag, bei der Schule, der Freundessuche und bei Behördengängen

So leben die Jugendlichen.

14 Jugendliche können in dem Haus in Dortmund Aplerbeck untergebracht werden – in zwei Wohngruppen. Jeder Bewohner hat ein eigenes Zimmer, das Alltagsleben findet aber primär in den Gruppenräumen statt. Denn die Jugendlichen sollen lernen, wieder in einer funktionierenden Gemeinschaft zu leben. In den Küchen wird gekocht, im Ess- und Wohnzimmer zusammen gegessen wird. Neben den Wohnräumen gibt es im Haus einen Medienkompe­tenzraum, einen Werkraum, einen Fitnessraum und einen Frei­zeitraum mit Tischtennisplatte und Kicker. Ein großer Garten mit einer großzügigen Terrasse lädt zum Entspannen und Grillen ein.

Diese Räume stehen den Bewohnern auf vier Ebenen zur Verfügung: 

  • 14 Einzelzimmer
  • 2 Gruppenräume mit Küche, Ess- und Wohnbereich
  • Ein großer Garten
  • Therapieräume
  • Ein Medienkompetenzraum
  • Ein Sport- und Fitnessraum
  • Ein Werkraum
  • Ein Tischtennis- und Kickerraum
  • Eine kleine Fahrradwerkstatt mit hauseigenen Fahrrädern

#Jugendhilfe

#Sucht & Abhängigkeit

Bewerte diesen Artikel

 
 
 
 
 
 
14
1
5
3.85