Zwischen harten Gitarrenriffs, brütender Hitze und Festivaltrubel leisten Jugendliche aus Magdeburg ehrenamtlichen Sanitätsdienst. Die Katastrophenschutzjugend (KatSchutzJugend) begleitet das Festival nicht zum ersten Mal – aber noch nie in dieser Stärke. „Wir waren die letzten zwei Jahre schon mit dabei“, erzählt Ella Neubauer. Die 20-Jährige ist aktuell die Jugendleitung des Teams. „Dieses Jahr sind wir aber am aktivsten im Einsatz. Wir steigern uns also von Jahr zu Jahr. Vorher war es eher so, dass mal zwei, drei Jugendliche am Tag reinschnuppern konnten in der Unfallhilfsstelle. Jetzt sind sie schon zu acht hier, weil sie unglaublich gut unterstützen und helfende Kraft sind und mittlerweile eigentlich unverzichtbar.“
Von Pflaster bis Einsatzleitung
Die Jugendlichen übernehmen vielfältige Aufgaben – je nach Ausbildungsstand. Sie sind Teil der Unfallhilfsstelle oder unterstützen die Einsatzleitung. „Und wenn es möglich ist, unterstützen sie auch im Bereich Technik und Sicherheit. Können sich das angucken, können dort mitlaufen, eigene Erfahrungen sammeln.“
„Größtenteils unterstützen sie in der Einsatzleitung, nehmen da Arbeit ab im Funkverkehr und werden herangeführt an die digitale Dokumentation in der Einsatzleitung“, erklärt Ella die Aufgaben auf dem Festivalgelände. Besonders gefragt ist die Hilfe der jungen Katastrophenschützer auch bei der Versorgung leicht Verletzter. „In der Unfallhilfsstelle sind sie größtenteils im grünen Bereich eingesetzt, um dort einfache Sachen wie Wundwechsel, Verdacht auf Verstauchung und Umknicken zu versorgen.“ Ein bis zwei Jugendliche werden zudem in Begleitung im Bereich Gelb eingesetzt „und dort mithelfen, Erfahrungen sammeln, alles sehen, so wie sie sich das auch zutrauen.“ Grün und gelb, das sind zwei der insgesamt drei Sichtungskategorien, nach denen die Festival-Gänger eingeteilt werden, die die Unfallhilfsstelle – ein großes Zelt mit insgesamt vier Bereichen – aufsuchen. Grün steht für leichte Verletzung, gelb für schwerer verletzt. Rot sind dann die, die intensivere medizinische Betreuung benötigen. An der Unfallhilfsstelle wird nach dem Triage-System gearbeitet. Die Sichtung in der Tagschicht obliegt Ella, die vor zwei Jahren selbst noch zur KatSchutz-Jugend und zum Schulsanitätsdienst gehörte, und sich dank Feuereifer unter den ehrenamtlichen Kollegen viel Respekt erarbeitet hat.
Mehr als 38 Grad im Zelt – Kreislaufprobleme, Teamgeist und Pausen
Der bislang heißeste Tag des Jahres wird zur Belastungsprobe. Die Jugendlichen arbeiten von 12 bis 20 Uhr im Festivaleinsatz. „Tatsächlich im Zelt von der Unfallhilfsstelle war es sehr, sehr warm. Die Wärme hat sich da drin gestaut. Wir haben versucht, den Jugendlichen so viel Pause wie möglich zu geben, selber immer wieder trinken, gucken, dass man mit dem Kreislauf nicht abklappt, sich untereinander einfach unterstützt, miteinander geredet, gesagt hat: Wenn du eine Pause brauchst, nimm dir die Pause. Ich glaube, der Teamgeist hat da einen durchgeführt, die große Nervenstärke.“
Frieda, die bereits zum zweiten Mal beim Rockharz dabei ist, erinnert sich: „Also die ersten Tage waren relativ stressig, gerade weil es so heiß war und so, da hatten wir echt viel zu tun.“ Lea, zum ersten Mal dabei, ergänzt: „Genau, das hat halt auch viel mit den Temperaturen natürlich zu tun, also bei 38 Grad ist ja klar, dass dann viel mit Kreislauf kommt und so.“
Kalte Gummibärchen gegen den Hitzekollaps
Die Jugendlichen versorgen die Festivalbesucher. Das heißt: „Beine hoch, was zu trinken geben, schauen, dass es ihm gut geht, die halt so ein bisschen unterstützen, Vitalwerte messen und sowas. Und die Notärzte, die auch mal eine Infusion legen müssen, dann unterstützen“, beschreiben die beiden jungen Frauen fast ein bisschen schüchtern.
Und wie bleiben sie selbst fit? „Viel trinken, auch mal eine kleine Pause zwischendurch. Und kalte Gummibärchen aus dem Kühllager. Ist vielleicht auch ganz gut.“
Lernen mit echtem Puls
Für Ella ist das Rockharz eine außergewöhnliche Lerngelegenheit: „Ich glaube für mich am spannendsten ist eigentlich zu sehen: Wie machen die sich im Einsatz? Weil man halt so viel Patientenaufkommen nirgendwo anders kriegt. Die sammeln so viel Erfahrung und einfach auch Übung, Praxis. Ich finde es super, dass sie hier sind und das einfach mitnehmen können, weil das kann man theoretisch gar nicht vermitteln.“
Frieda bestätigt das: „Ich find‘s cool, dass wir auch so viel machen dürfen, also dass wir auch viel selbständig machen dürfen.“ „Ich find's auch interessant zu sehen, wie das alles so abläuft, generell auch vor allem jetzt mit den Einsatzkräften, es muss ja auch alles koordiniert werden, ist dann auch recht spannend zu sehen“, ergänzt Lea.
Zwischen Ernst und Moshpit-Spaß
Bei aller Verantwortung bleibt Raum für Leichtigkeit: „Ein bisschen Spaß zwischendurch muss auch sein“, sagt Frieda. Lea lacht: „Wir haben uns auch Aufgaben ausgedacht für unsere Betreuer. Da ziehen wir nachher auch noch Lose und dann kriegen die lustige Aufgaben. Wir verordnen zum Beispiel einen Moshpit oder so. Und gestern hat jemand auch 'n Tattoo bekommen.“ Frieda klärt auf: „Also mit Edding.“
Trotz langen Tagen bleibt das Gruppengefühl stark. „Gestern haben wir zum Beispiel einen Filmabend mit den anderen Jugendlichen zusammen gemacht, da hatten wir uns einen Beamer aus der Wache mitgenommen. Und ansonsten quatschen wir viel oder sitzen halt noch draußen und erzählen, spielen irgendwelche Kartenspiele oder sowas.“
Das Festival wird zur Lebensschule mit Nebenfach Gemeinschaft, auch einer Erklärung dafür, weshalb die jungen Frauen ihren Urlaub im Arbeitseinsatz verbringen. „Ich finde es halt cooler, ein bisschen was Sinnvolles zu machen, als die ganze Zeit nur zu Hause rumzusitzen. Und es macht ja auch wirklich Spaß. Das ist ein Bereich, in dem wir sehr interessiert sind. Und es ist cool, so was machen zu dürfen, weil wir viel selbständig machen dürfen.“
„Die Jugend hat uns den Arsch gerettet“
Anfangs gab es Vorbehalte unter den Erwachsenen im Einsatz. Doch die sind schnell verschwunden: „Am Anfang sind die Erwachsenen immer sehr, sehr skeptisch. 'Oh, Jugendliche. Können die überhaupt was? Können die uns überhaupt helfen oder stehen die mehr im Weg rum?' Aber spätestens nach dem ersten Tag hatte sich die Jugend bewiesen und gezeigt, was sie drauf haben und dass sie eine große Unterstützung sind. Ich habe gerade in den ersten zwei Tagen so viel positives Feedback bekommen. Da hieß es: 'Die Jugend hat uns den Arsch gerettet, wir hätten das alleine nicht hingekriegt.'“
Das bestätigt auch Olaf Lange, der nicht zum ersten Mal beim Rockharz-Einsatz dabei ist, allerdings zum ersten Mal mit im Bereich der Unfallshilfsstelle eingesetzt wurde: „Die Zusammenarbeit mit der Katastrophenschutz-Jugend funktioniert gut. Die lernen hier eine Menge und wir bekommen auch eine Menge Input von ihnen.“ Und ja: Sie halten mit ihrem Humor und kleinen Späßen auch die Laune im Zelt hoch.
Und auch Stefan Weiser ist beeindruckt. Der Kollege der Gliederung Bottrop, seit 48 Jahren bei den Maltesern und mit vielen Erfahrungen von Katholikentagen ausgestattet, hat die Organisation in der Einsatz-Unterkunft in Alterode übernommen. "Es ist echt beeindruckend, wie ihr zusammenhaltet", sagt er am nächsten Morgen beim Frühstück. Am liebsten hätte er die Magdeburger Katschutz-Jugend eingepackt und für seine eigene Einheit mitgenommen ...