Wenn Erinnerungen aufblühen – Ein Spaziergang gegen das Vergessen

Eine Gruppe von älteren Leuten mit Rollatoren oder andern Gehilfen geht mit Ehrenamtlichen vom Malteser Hilfsdienst durch den grünen Britzer Garten.
Der geführte Spaziergang durch den Britzer Garten ist Teil eines größeren Projekts: In Berlin organisieren die Malteser regelmäßig demenzfreundliche Angebote gegen das Vergessen.
Beim Spaziergang durch den Britzer Garten blühten nicht nur Rhododendren – auch Erinnerungen aus der Vergangenheit wurden lebendig.
Auch Robert Lee (79) ist beim Demenz-Spaziergang dabei. Myriam Runge-Wolski begleitet als Demenzkoordinatorin der Malteser die Gruppe durch den Britzer Garten. Fotos: Julian Stähle

Berlin. Die Sonne scheint auf blühende Rhododendren, ein Vogel zwitschert im Geäst und am Wegesrand leuchtet ein zartes Vergissmeinnicht. An diesem warmen Aprilvormittag spaziert eine Gruppe älterer Menschen gemächlich durch den Britzer Garten. Was für Außenstehende wie ein gewöhnlicher Ausflug ins Grüne aussieht, ist in Wirklichkeit ein Ausflug in die Vergangenheit – organisiert von den Maltesern speziell für Menschen mit Demenz und ihre Angehörigen.

Denn gerade Naturerlebnisse können bei Menschen mit Demenz Erinnerungen wecken, die tief im Langzeitgedächtnis verankert sind. Duft, Farbe, Licht - kleine Sinneseindrücke können bei Menschen mit Demenz einiges bewirken. Gemeinsam mit dem Freilandlabor Britz haben die Malteser deshalb zu einem begleiteten Spaziergang eingeladen.

„Ich kenne den Garten schon ziemlich lange“, erzählt Monika Lebek-Fichtner (75) aus Neukölln. Sie ist mit ihrem Ehemann gekommen, bleibt immer wieder stehen, um Blumen zu betrachten, Düfte einzuatmen. Dann zeigt sie auf eine Bank in der Nähe und lächelt: „Da haben wir früher oft gesessen – mit einem Picknickkorb und einer Flasche Rotwein. Die Leute sind vorbeigelaufen und haben gesagt: ,Euch geht’s aber gut!‘ “ Für einen Moment wirkt die Erinnerung so lebendig, als wäre sie gerade erst passiert.

Erinnerungen, die bleiben

Demenz nimmt vieles – aber nicht alles. Wo Menschen mit Demenz vielleicht vergessen, wie alt sie sind oder wo sie wohnen, bleiben andere Erinnerungen aus dem Langzeitgedächtnis lebendig. „Viele unserer Teilnehmenden hatten früher einen eigenen Garten oder liebten Spaziergänge im Grünen“, erklärt Bianca Haas, Projektkoordinatorin für Demenzarbeit bei den Maltesern. „Wenn sie am Waldmeister riechen oder die Hand über einen Farn streicht, kann das wie ein Schlüssel zu alten Erinnerungen wirken.“

Der geführte Spaziergang ist Teil eines größeren Projekts. In Berlin organisieren die Malteser regelmäßig demenzfreundliche Angebote gegen das Vergessen: ob im Zoo, im Naturkundemuseum, bei Konzerten oder wie hier, mitten im Grünen. Das Ziel: Lebensfreude erhalten, Teilhabe ermöglichen und Isolation entgegenwirken.

Teilhabe bei Demenz – Fenster in die Vergangenheit

Auch Robert Lee (79) ist an diesem Tag mit dabei. Der gebürtige Engländer lebt seit vielen Jahren in Berlin, bei ihm wurde vor zwei Jahren eine Demenz diagnostiziert. „Manchmal weiß ich abends nicht mehr, was ich tagsüber gemacht habe. Das macht mich traurig“, erzählt er. Doch heute ist ein guter Tag. Während des Spaziergangs erinnert er sich an die Wälder seiner Kindheit, erzählt von seinen beiden Kindern, lacht viel. „Ich bin froh, hier mit anderen zusammenzukommen“, sagt er. Für ihn ist es nicht nur ein Ausflug – es ist ein Stück Lebensqualität. Wenn er erzählt und sich erinnert, dann zeigt sich, wie viel trotz allem möglich ist – mit seiner Demenz.

Ob Musik, Museum oder Natur – die Malteser bieten in Berlin vielfältige, demenzfreundliche Veranstaltungen für Betroffene und Angehörige an. Weitere Informationen finden Sie unter: www.malteser-berlin.de/demenz

 


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