Bin ich einsam? Wenn ältere Menschen isoliert leben

Leben Sie allein und fühlen sich einsam? Sehnen Sie sich nach Gesellschaft oder fällt es Ihnen schwer, neue Kontakte zu knüpfen? Wenn das Gefühl der Einsamkeit Ihre Stimmung trübt, dann wird es Zeit, aktiv zu werden.

Was ist der Unterschied zwischen Alleinsein und Einsamkeit?

Alleine zu sein, ist ein selbst gewählter Zustand – und hat zunächst einmal nichts mit Einsamkeit zu tun. Im Gegensatz zu Einsamkeit wird das Alleinsein häufig positiv betrachtet: An einem Tag bin ich alleine und habe Zeit für mich selbst, den nächsten Tag verbringe ich wieder in Gesellschaft der Familie oder von Freunden. Einsamkeit dagegen wird immer negativ und als etwas Bedrohliches empfunden. Einsame Menschen haben entweder kaum oder keine sozialen Kontakte – von dieser Art der Einsamkeit sind besonders häufig ältere Menschen betroffen. Aber Einsamkeit hat nicht nur etwas mit der Abwesenheit anderer Menschen zu. Einsamen Menschen fehlt häufig das Gefühl, von den Menschen in ihrem Umfeld beachtet, anerkannt und gebraucht zu werden. Im Gegensatz zu sozialer Einsamkeit sprechen Psychologen hier von emotionaler Einsamkeit. Prominente Beispiel dafür sind Lady Di, Marylin Monroe oder Romy Schneider.

Wie gefährlich ist soziale Isolation?

Soziale Isolation ist vor allem im Alter ein Risikofaktor. Lebenskrisen wie Trauer, Depressionen, Streit in der Familie oder auch der Umzug in ein Pflegeheim können Menschen seelisch derart aus der Bahn werfen, dass sie sich zurückziehen und im wahrsten Sinne des Wortes isolieren! Dieses Verhalten arbeitet komplett gegen unsere Natur, denn der Mensch ist ein soziales Wesen: Wir brauchen den Austausch und die Reibung unserer Mitmenschen, auch in hohem Alter, um geistig und körperlich fit zu bleiben.

Wissenschaftliche Studien belegen: Soziale Isolation ist lebensgefährlich und erhöht das Sterberisiko um 29 Prozent. Sich sozial von allem zu isolieren, ist demzufolge ebenso schädlich wie das Rauchen von 15 Zigaretten pro Tag. Auch das Immunsystem ist anfälliger, es kommt häufiger zu Infekten, Entzündungen und Herz-Kreislauf-Leiden. Vereinsamung wird vom Körper wie permanenter Stress empfunden. Dazu kommt: Sozial isolierte Menschen schlafen schlechter, ernähren sich ungesünder, vernachlässigen die eigene Körperpflege, neigen zu Übergewicht und zu hohem Tabak- und Alkoholkonsum.

Wie entsteht Einsamkeit?

Die wohl berühmteste Einsame der deutschen Fernsehgeschichte ist Miss Sophie. Jahr für Jahr stößt die alte Dame an Silvester mit ihren vier verstorbenen Freunden an und der arme James, ihr treuer Butler, muss deren Gläser leeren, bis er kaum noch geradeaus gehen kann: „Same procedure as every year.“ Wissenschaftliche Untersuchungen belegen den traurigen Hintergrund des lustigen Sketches: Ältere Menschen, insbesondere über 80-Jährige, haben ein deutlich höheres Risiko einer sozialen Isolation. Ursachen dafür können Schicksalsschläge sein, Todesfälle im Freundes- und Bekanntenkreis, Erkrankungen, abnehmende körperliche Beweglichkeit, mangelnde Mobilitätsangebote in der Wohnumgebung oder Altersarmut.

Trifft Einsamkeit vor allem ältere Menschen?

Nein. Das Gefühl, einsam zu sein, tritt in fast allen Lebensphasen auf – vor allem, wenn sich Lebensumstände und damit das soziale Umfeld ändern: bei Umzügen, Jobwechseln oder der Trennung von der Partnerin beziehungsweise dem Partner. Ob dieses Alleinsein als Einsamkeit empfunden wird, hängt im Wesentlichen mit der Frage zusammen, ob die Änderung der Lebensumstände freiwillig erfolgte oder nicht. Eine Studie des Instituts für Wirtschaft zeigt, dass sich fast jeder zehnte Deutsche einsam fühlt, 60 Prozent davon sind Frauen. Einsamkeit tritt demnach zwar häufiger bei älteren Menschen auf, aber auch in der Altersklasse der 30- bis 39-Jährigen wurden relativ hohe Werte festgestellt.
Der renommierte amerikanische Einsamkeitsforscher und Psychologe John Cacioppo schreibt dazu in seinem Buch „Loneliness“: „Menschen, die in der Einsamkeit feststecken, haben nichts falsch gemacht. Niemand von uns ist immun gegen das Gefühl, isoliert zu sein, genauso wenig wie wir gegen Hungergefühle oder Schmerz immun sind.“

Warum sind soziale Kontakte so wichtig?

Das Interagieren mit anderen Menschen aktiviert das Belohnungssystem unseres Gehirns. Wird eine Person aber sozial isoliert, wird dadurch der Teil des Hirns aktiviert, der auch bei körperlichem Schmerz reagiert. Das Gefühl der Einsamkeit ist also ein wichtiges Warnsignal, das tief in der Geschichte der Menschheit und damit in unseren Genen verwurzelt ist: Seit der Steinzeit ist die Zugehörigkeit zu einer Gruppe überlebenswichtig. Eine der schlimmsten Strafen in Kulturen weltweit war schon immer der Ausstoß aus der Gemeinschaft, Verbannung oder Einzelhaft.

Was kann ich gegen Einsamkeit tun?

Einsame Menschen befinden sich oft in einem Dilemma: Einerseits wünschen sie sich wieder Kontakt und Nähe, andererseits haben sie Angst, von anderen zurückgewiesen zu werden. Untersuchungen zeigen, dass die Ursachen für Einsamkeit auch Schüchternheit und mangelndes Selbstbewusstsein sein können. So fällt es Menschen, die sich einsam fühlen, häufig schwer, auf andere zuzugehen und sich dabei zu öffnen, also verletzbar zu machen. Ohne Impulse und Hilfe von außen ist es schwer, aus der Einsamkeit herauszukommen. Ein erster Schritt ist immer, Kontakt zu anderen Menschen aufzunehmen. In den Zeiten vor Corona war es noch möglich, Orte aufzusuchen, an denen man mit anderen ins Gespräch kommen kann.

Unter den Bedingungen des Lockdowns bleiben vor allem das Internet und Soziale Medien, um in Kontakt mit anderen zu treten. Virtuelle Begegnungen können allerdings dauerhaft nicht den direkten Austausch mit anderen Menschen ersetzen. Auch wenn Betroffene gerne weiter in ihrer Wohnung leben wollen, kann auch der Umzug in eine Seniorenresidenz eine Lösung sein, um wieder vermehrt mit anderen Menschen in Kontakt zu kommen. Alternativ bieten sich Seniorentreffs an, die man nur stundenweise besucht. Wer in seiner Einsamkeit Warnsignale für Depressionen feststellt, sollte unbedingt professionelle Hilfe suchen und sich an eine Ärztin oder einen Arzt wenden.

Was können Angehörige tun, um zu helfen?

Verheiratet zu sein, einen Job zu haben oder aktives Mitglied in einem Verein zu sein, sind wirksame Faktoren, die gegen Einsamkeit schützen. Doch was ist, wenn diese Rahmenbedingungen altersbedingt wegfallen? Dann sind vor allem Angehörige, aber auch Nachbarn gefragt. Nur: Welche Möglichkeiten gibt es, wenn wegen der pandemischen Lage aktuell Besuchsverbote in Heimen gelten, die Enkel ihre Großeltern nicht treffen und alte Menschen möglichst zu Hause bleiben sollen? Zunächst einmal erlebt das Telefon in der Pandemie eine Renaissance. Gerade für ältere Menschen ist der telefonische Kontakt der einfachste Weg, in regelmäßigem Kontakt zu bleiben. Aber auch das Internet wird inzwischen auch von älteren Menschen immer intensiver genutzt. Per iPad mit den Kindern und Enkeln in Kontakt zu bleiben, ist inzwischen für viele ganz normal. Auch bei der Nutzung digitaler Hilfsangebote können Angehörige eine wichtige Rolle einnehmen, um älteren Menschen die Berührungsängste zu nehmen und ihnen zu erklären, wie sie die entsprechenden Online-Portale nutzen können.

Welche Hilfsangebote gibt es für ältere Menschen gegen Einsamkeit?

Die Aktion Silbertelefon bietet Älteren eine Anlaufstelle, um Rat einzuholen und Ansprechpartnerinnen und Ansprechpartner zu haben, die ihnen zuhören (silbernetz.org). Auf Netzwerken wie nebenan.de oder nextdoor.de kann man mit den Nachbarinnen und Nachbarn im Viertel Kontakt aufnehmen und erfährt Neuigkeiten. Angebote wie seniorentreff.de bringen Gleichgesinnte zudem zusammen und fördern den Austausch.

Was tun die Malteser gegen Einsamkeit im Alter?

Die Einsamkeit und Isolation älterer Menschen haben die Malteser als „eines der relevantesten gesellschaftlichen Probleme in Deutschland“ eingestuft. Sie wollen deshalb aufklären und Öffentlichkeit für dieses Thema schaffen. Die Malteser bieten alten Menschen eine Vielzahl von ehrenamtlichen Diensten zur Begleitung und Unterstützung an – so gibt es etwa Besuchs- und Begleitdienste, Telefonbesuche, Einkaufshilfen und vieles mehr. Wer die Arbeit der Malteser unterstützen möchte, kann das auch mit einer Spende tun.


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