Familientraditionen: Bräuche pflegen und weitergeben

Jeder kennt kleine Rituale und große Traditionen, die fest in der Familie verankert sind, regelmäßig gemeinsam zelebriert und oftmals über Generationen „vererbt“ und fortgeführt werden. Warum diese Traditionen so wichtig sind und welche sozialen Funktionen sie haben, erfahren Sie im Folgenden.

Traditionen – so individuell wie die Familien, die sie leben

Wohl kaum eine Jahreszeit ist bei uns so von Traditionen und Bräuchen geprägt wie die Zeit um Weihnachten. Dabei sind Adventskranz und -kalender, der mit allerlei Süßigkeiten und kleinen Geschenken gefüllte Stiefel zu Nikolaus, der festlich dekorierte Weihnachtsbaum, die Bescherung oder das gemeinsame Festmahl an den Feiertagen nur einige typische Beispiele. Und jedes davon wird von Familie zu Familie unterschiedlich gelebt: Bei den einen gibt es an Heiligabend Kartoffelsalat mit Würstchen, während die anderen jedes Jahr auf die Weihnachtsgans setzen und wieder andere den Festtag beim Raclette ausklingen lassen. Und für einige Familien findet die Bescherung an Heiligabend statt, während das große Schenken bei anderen Familien vor dem Frühstück am ersten Weihnachtstag stattfindet. Dass ein Aufeinandertreffen im Sinne der Tradition insbesondere auch an den Feiertagen zu Streitigkeiten innerhalb der Familie führen kann, ist nicht ungewöhnlich. Wie eine schrittweise Annäherung nach einem Zerwürfnis gelingt, haben wir in einem anderen Beitrag für Sie zusammengefasst.

Fest steht, dass wir die populärsten Traditionen vor allem von den großen, jährlichen Festen und Feiertagen kennen. Aber natürlich unterscheiden sich auch diese je nach Region, Nationalität oder Kulturkreis. Noch vielfältiger als die großen Traditionen, die in aller Regel einen gemeinsamen Nenner haben, gestalten sich aber die kleinen täglichen oder wöchentlichen Rituale, von denen jede Familie ihre ganz eigenen hat: Das Vorlesen vor dem Einschlafen, der „Wir-kochen-zusammen-Mittwoch“, der regelmäßige Wochenendbesuch bei den Großeltern oder der „smartphonefreie“ Samstagnachmittag sind nur einige Beispiele. Zahlreiche Anregungen und Inspirationen dazu finden sich übrigens im Internet, beispielsweise auf dieser Seite für Eltern.

Warum Traditionen und Rituale so wichtig sind

Traditionen innerhalb von Familien oder zusammengehörigen Gruppen gibt es seit Menschengedenken. Viele haben religiöse Wurzeln, andere sind kleine soziale Rituale. Alle haben jedoch gemeinsam, dass sie den Zusammenhalt zwischen den Mitgliedern stärken sowie Beständigkeit und Verlässlichkeit symbolisieren. Genau diese Punkte machen Traditionen und Bräuche auch in der heutigen Zeit zu einem wichtigen Element des familiären Zusammenlebens. Wo Traditionen und Rituale gelebt werden, befindet man sich häufig in guter Gesellschaft und ist nicht allein. Denn nur gemeinsam macht das Aufleben von besonderen Bräuchen Spaß, fördert den Zusammenhalt und schweißt Generationen zusammen.

Tradition, Brauch oder Ritual sind Worte, die mit viel Bedeutung aufgeladen sind und im sozialwissenschaftlichen Kontext eine differenzierte Bedeutung haben. In unserem Fall betrachten wir vor allem die Gemeinsamkeit, die alle Begriffe in sich tragen: dass sich Anlässe und Handlungen regelmäßig wiederholen und bestimmte Personen eingebunden werden. Denn das macht sie so besonders für alle Beteiligten.

Für Großeltern zum Beispiel ist der Kontakt zu Kindern und Enkeln sehr wichtig. Und was ist da schöner als ein regelmäßiges Zusammenkommen im Rahmen einer kleinen oder großen Familientradition? Insbesondere die exklusiven Momente ohne Eltern wie der Ausflug zur Eisdiele oder die Gute-Nacht-Geschichte stärken die Bindung zwischen den Generationen.

Und auch in der Kindererziehung nehmen Rituale eine wichtige Rolle ein: Sie geben dem Alltag Struktur, schaffen Verlässlichkeit und auch positive Anreize, Aufgaben und Pflichten nachzukommen: Nach zwei Kapiteln wird beim abendlichen Vorlesen das Licht gelöscht und geschlafen. Papa holt sonntags Rosinenbrötchen für die ganzen Familie, wenn er von den Kindern auf dem Weg zum Bäcker begleitet wird. Oder einmal pro Woche wird die Wohnung mit der Stopp-Uhr aufgeräumt und wer als erstes fertig ist, darf am Abend entscheiden, welcher Film angesehen wird.

Wenn Traditionen, Rituale und Bräuche in der Familie weiterleben, geben sie uns mit der Zeit auch immer wieder die Möglichkeit, die Perspektive zu wechseln. Wenn Eltern das erste Mal für die eigenen Kinder die Ostereier verstecken, wenn in der Wohngemeinschaft das erste Silvester-Fondue nach Familienart für den Freundeskreis vorbereitet wird – oder wenn nicht mehr den eigenen Kindern vorgelesen wird, sondern den Enkeln.

Traditionen neu beleben

Wie bei so vielen Dingen, kann es auch den schönsten Familienbräuchen passieren, dass sie mit der Zeit in Vergessenheit geraten oder einfach „einschlafen“. Die Gründe dafür können unterschiedlich sein: eine zu große räumliche Entfernung der Familienmitglieder, das Wegfallen eines gemeinsamen Ortes für Zusammenkünfte, das Fehlen der Person, die sich immer um die Tradition gekümmert hat oder einfach ein nach und nach abnehmendes Interesse.

Und das ist natürlich schade. Denn eigentlich erinnern sich alle in gemeinsamen Gesprächen oftmals gerne an diese besonderen Momente. Ein perfekter Zeitpunkt also, um alte Traditionen wieder zum Leben zu erwecken – oder vielleicht vollkommen neue zu begründen. Oft reicht schon ein „Wie wäre es, wenn wir mal wieder…“, um die Begeisterung bei allen Beteiligten zu wecken.

Das gilt nicht nur für die eigene Familie, denn auch im Freundes- und Bekanntenkreis sind kleine Traditionen sehr wertvoll. Und es ist nie zu spät, sie einzuführen. Denn gerade im höheren Alter können viele Menschen auf einen großen „Fundus“ zurückblicken, den auch Freundinnen und Freunde kennen und der für schöne, nostalgische Momente sorgt. Auch hier gilt: einfach mal ein paar Vorschläge machen. Sei es der gemeinsame Spiele- oder Gesangsabend, ein monatliches Treffen im Lieblingsrestaurant oder das jährliche lange Wochenende im Kurhotel an der See. Solche Traditionen stärken die Bindung einer Gemeinschaft und sorgen dafür, dass man regelmäßig zusammenkommt, um schöne Momente und neue Erinnerungen zu schaffen.


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