Der ein oder andere Autofahrer oder Passant in der Region dürfte sich gewundert haben: Ist irgendwo schon wieder eine Katastrophe passiert? Glücklicherweise nicht: Die Malteser aus Kirchheim hatten vielmehr weitere Gliederungen zu einer gemeinsamen Verlegeübung eingeladen: Der Kolonnenfahrt schlossen sich Einsatzfahrzeuge aus den Gliederungen Aichtal, Reutlingen und Rottenburg an. Insgesamt waren acht Einsatzfahrzeuge beteiligt – vom Mannschaftstransportwagen über den klassischen Rettungswagen bis zum Logistik-Lastkraftwagen.
Zuvor hatten die rund 20 beteiligten Einsatzkräfte – allesamt Ehrenamtliche aus den verschiedenen Gliederungen der Malteser – in einer theoretischen Schulung alles Nötige zur Kolonnenfahrt wiederholt. Wiederholt – denn in der Theorie müsste jeder, der einen gültigen Führerschein besitzt, über Kolonnen und deren besondere Rechte informiert sein. Die Praxis zeigt aber immer wieder, dass Autofahrer verunsichert sind, wenn sie auf Kolonnen stoßen, die nicht nur die Bundeswehr, sondern eben auch die Hilfsorganisationen immer wieder durchführen. Das wohl prominenteste Beispiel: Nach der Unwetterkatastrophe 2021 gab es zahlreiche Kolonnen von Einsatzfahrzeugen aller Hilfsorganisationen, die sich auf den Weg in das schwer getroffene Ahrtal machten.
Für gewöhnlich besteht eine Kolonne aus mindestens drei oder vier Fahrzeugen, die Höchstgrenze liegt im Normalfall bei 15 Einsatzfahrzeugen. Damit soll sichergestellt werden, dass der fließende Verkehr nicht zu sehr gestört wird. Denn eine Kolonne hat unter anderem das „Folgerecht“: Überquert das Führungsfahrzeug beispielsweise eine
Stoppstelle, dürfen alle weiteren Fahrzeuge der Kolonne folgen, auch wenn eigentlich andere Verkehrsteilnehmer die Vorfahrt hätten. Ähnlich verhält es sich bei Ampeln: Wenn die Ampel auf Rotlicht umschaltet, während die Kolonne die Ampel durchquert, dürfen alle anderen Fahrzeuge der Kolonne auch bei Rot weiterfahren – der geschlossene Verband gilt rein rechtlich als ein Fahrzeug. Besonders wichtig ist daher auch die Kenntlichkeit der Kolonne: Hierzu führen alle Einsatzfahrzeuge eine blaue Flagge auf der Fahrerseite, das Schlussfahrzeug der Kolonne ist mit einer grünen Flagge markiert. Einsatzfahrzeuge der Hilfsorganisationen setzen zudem das Blaulicht ein, um Verkehrsteilnehmer schon von weitem zu warnen. Dabei gilt: Einer Kolonne muss nicht extra Platz gemacht werden, kommt das Führungsfahrzeug an eine rote Ampel, so bleibt es stehen – bis es bei Grünlicht weitergeht. Nur, wenn Einsatzfahrzeuge der Kolonne bei Rot weiterfahren dürfen, wird zusätzlich zur Sicherheit das Martinhorn eingesetzt.
„Eine theoretische Schulung reicht aber nicht aus – eine Kolonne muss auch einfach einmal erlebt werden“, sagt Dominik Spies, stellvertretender Leiter Notfallvorsorge der Kirchheimer Gliederung. Deshalb hatten die dortigen Malteser diese spezielle Übung vorbereitet und die übrigen Gliederungen aus dem Bezirk Neckar-Alb zur Teilnahme eingeladen. Mit Blaulicht und Beflaggung ging es anschließend mehrere Stunden lang kreuz und quer durch den Landkreis Esslingen, zudem wurde ein längerer Abschnitt der Autobahn befahren. Doch wozu überhaupt eine Kolonnenfahrt? „In einer Kolonne kann eine komplette taktische Einheit gleichzeitig verlegt werden“, erklärt Spies. Damit haben die Einsatzkräfte an Ort und Stelle ganz andere Möglichkeiten, sofort in den Einsatz zu gehen – und müssen nicht darauf warten, dass die langsameren LKWs hinterherkommen. Bleibt ein Auto liegen, kann zugleich schnell Hilfe organisiert werden.
Die Reutlinger Gliederung beteiligte sich mit einem Krankentransportwagen und drei Helfern an der Einsatzübung. „Wir danken den Kirchheimer Maltesern für die Organisation und die Einladung – eine Kolonnenfahrt muss im Ernstfall einfach funktionieren. Dafür ist es wichtig, dies auch regelmäßig zu üben. Das geht deutlich über das einfache Autofahren hinaus“, erklärte Alexander Thomys, Stadtbeauftragter der Reutlinger Malteser, der zugleich auch als Einsatzsanitäter und Gruppenführer im aktiven Einsatzdienst steht.
Auch die Rottenburger Gliederung beteiligte sich mit einem Krankentransportwagen an der Übung. Für den Rettungssanitäter und Zugführer Roland Geißler war die Kolonnenfahrt eine Erinnerung an frühere Zeiten: Der 62–Jährige hatte das Kolonnenfahren ursprünglich bei der Bundeswehr gelernt. Als Beifahrer wurde Geißler
von einem Reutlinger Helfer unterstützt – so konnten die beiden benachbarten Gliederungen ganz nebenbei auch die bewährte gute Zusammenarbeit weiter pflegen. Nach einem geselligen Abschluss in Kirchheim ging es dann für die Reutlinger und Rottenburger Malteser wieder zurück in die Heimat – ganz ohne eingeschalteten Blaulicht.
Autor: Alexander Thomys - Malteser Reutlingen