Unterfranken. „Ohne die Malteser hätte ich das alles nicht geschafft“, sagt Anja Paßon aus Randersacker, deren Tochter Emma das Downsyndrom hat. Drei Aktenordner voll mit Korrespondenz mit Behörden stehen bei der Familie im Regal. Emma sollte in einen Regelkindergarten vor Ort gehen, aber die Einrichtung konnte das noch nicht leisten. Also machte sich ihre Mutter auf die Suche nach Unterstützung und fand sie beim Malteser Fachdienst für Inklusion. Mit dessen Hilfe kämpfte sich Anja Paßon durch Anträge, Ablehnungen und Bescheide, so dass Emma jetzt mit einer Individualbegleitung in einen „normalen“ Kindergarten geht. Trotz ihrer Behinderung, die mit einem Herzfehler und non verbaler Kommunikation einhergeht, kann die Vierjährige – dank ihrer Begleiterin – in ihrer Gruppe spielen, kommunizieren, Spaß haben – einfach dabei sein.
Arsim Kastrati dagegen studiert bereits, macht gerade seinen Master in Physik und plant, anschließend zu promovieren. Der 29-Jährige hat eine angeborene Gelenksteife der oberen und unteren Extremitäten, benötigt also „jemanden, der mir meine Arme ersetzt“, erklärt er seinen umfangreichen Unterstützungsbedarf und erzählt von seiner Schullaufbahn: Nach dem „Quali“ an der Schule vom Zentrum für Körperbehinderte in Würzburg wechselte Arsim auf die Mittelschule und dann auf die Fachoberschule in Würzburg. Dort schaffte er sein Fachabi und die allgemeine Hochschulreife. Immer an seiner Seite: Malteser Schulbegleiter Konstantin. „Mit ihm habe ich mich super verstanden“, erinnert er sich gerne an „die bisher beste Zeit bisher“ zurück, aus der immer noch viele Freundschaften bestehen. „Arsim ist ein Parade-Beispiel dafür, dass Teilhabe – auch an Bildung – sehr gut gelingen kann, wenn alle an einem Strang ziehen“, so Michael Plagens, Leiter des Fachdienstes für Inklusion in Unterfranken. Denn dass Menschen mit Behinderung so selbstbestimmt wie möglich gemeinsam Alltag mit anderen Menschen leben können – das sei ja der Grundgedanke der Inklusion.
Im November 2010 starteten die Malteser Würzburg mit dem damals völlig neuen „Schulbegleitdienst“– die ersten in Malteser Deutschland. Ein Jahr zuvor war in der Bundesrepublik die UN-Konvention für Menschen mit Behinderung in Kraft getreten, die in Artikel 24 festgelegt, dass Kinder und Jugendliche nicht wegen einer Behinderung vom allgemeinen Bildungssystem ausgeschlossen werden dürfen. Jörg Holländer, Initiator und langjähriger Leiter des Fachdienstes für Inklusion, erinnert sich an die Anfänge: „Das war zum Teil sehr zäh, denn die Notwendigkeit eines solchen Dienstes wurde weder bei den Kostenträgern noch bei den Einrichtungen gesehen und auch malteserintern musste ich zunächst Überzeugungsarbeit leisten.“ Aber die Eltern seien sehr dankbar gewesen, kamen sie doch auf diese Weise weg vom so genannten Arbeitgebermodell mit all den Fallstricken, die damit verbunden waren. Der Malteser Fachdienst für Inklusion versteht sich von Anfang an als Schnittstelle zwischen Eltern von Kindern mit Behinderung und Einrichtungen sowie Kostenträgern und kann daher Familien wie die der kleinen Emma gut unterstützen.
Waren es 2010 eine Handvoll Kinder, die von ein paar wenigen Maltesern im Raum Würzburg begleitet wurden, sind im aktuellen Schuljahr 218 Mitarbeitende in Schulbegleitdienst, Individualbegleitung und Einzelintegration in ganz Unterfranken tätig und begleiten 215 Kinder und Jugendliche in ihrem Kindergarten- und Schulalltag.
„Wir blicken trotz mancher Schwierigkeiten und Herausforderungen zuversichtlich in die Zukunft, denn wir bemerken bei allen Beteiligten eine grundsätzlich positive Haltung zum Thema Inklusion in Kindergarten- und Schule“, zieht Michael Plagens ein positives (Zwischen-)Fazit. „Wir haben echt viel erreicht, auf das wir stolz sein können!“