Es ist kurz nach sieben Uhr am Himmelfahrtstag, sonnig, aber noch frisch. Sabine Orlob richtet das Frühstück her. Mit belegten Brötchen, Gemüse im Zugreif-Format und warmen Getränken. Mitten auf einem Parkplatz bei Wachstedt im Eichsfeld. Rund um einen der Malteser-Kleinbusse stehen die ehrenamtlichen Helferinnen und Helfer bereit, vor allem von der Malteser-Jugend. In zweieinhalb Stunden beginnt der Gottesdienst zur Männerwallfahrt. Einige Gläubige sind bereits auf dem Weg. Manche still für sich, andere plaudernd in kleinen Gruppen. „Als ich Kind war, hat mich mein Opa mitgenommen“, erzählt Sabine Orlob mit ihrem Lächeln, das mit dem Strahlen ihrer Augen automatisch verbunden zu sein scheint. Sabine ist die Pastoral-Referentin der Diözese Erfurt. Davor war sie die Referentin für die Malteser-Jugend, und in dieser Zeit hat sie die Organisation des Fahrdienstes am Himmelfahrtstag in ihrer Heimat, dem Eichsfeld, übernommen.
Am Vorabend ist sie mit Mann und Kindern zur Familie gereist, um dort zu übernachten. Richtig gut geschlafen hat sie nicht. Weil sie vor diesem Tag immer aufgeregt ist. Zum einen, weil Sabine immer überlegt, wie es möglichst allen möglichst sehr gut geht, und weil sie sich trotz der Erfahrung nicht einfach darauf verlässt, dass es schon irgendwie klappt. Das versetzt sie in eine Grundanspannung, in der sie hochkonzentriert ist – und dabei dennoch nie das Sabine-Orlob-Lächeln verliert. „Fünf Uhr haben mein Mann und ich das Gemüse geschnippelt und die Brötchen geschmiert“, berichtet Sabine erst auf eine Nachfrage aus der Runde hin. Aus ihrer Sicht ist das nicht erwähnenswert. „Das gehört sich doch so, dass alle etwas zu essen zu bekommen, bevor sie loslegen.“ So die Orlobsche Logik.
Malteser-Service mit Tradition
„Klüschen Hagis, die Wallfahrtskirche, liegt ganz idyllisch im Wald, unten im Tal. Das ist ein wunderschöner Weg dahin, aber von hier aus, von unserem Parkplatz, ist er recht steil und von der anderen Seite, also von der anderen Parkmöglichkeit aus, ist man eine Weile unterwegs. Gerade für die Älteren ist das nicht zu schaffen“, erklärt Sabine die Ausgangslage. Der Pilgerweg, die Straße zum Wallfahrtsort, ist heute für Autos gesperrt. Die Malteser sind mit acht Bussen aus Erfurt angereist, um diejenigen ans Ziel zu bringen, die ansonsten nicht dabei sein könnten. Weil es diesen Service schon seit Jahrzehnten gibt, ist er für viele schon selbstverständlich geworden, und so bildet sich bereits kurz nach halb acht eine Schlange an der temporären Malteser-Bushaltestelle.
So schnell wie das Straßenfrühstück aufgebaut war, ist wieder alles verstaut. Sabine und ihr Mann sind auch im Herumwirbeln ein eingespieltes Team, drücken allen Ehrenamtlichen noch eine Flasche Wasser in die Hand. Ohne „Los geht’s“ verteilen sich die Fahrer ganz selbstverständlich auf die Busse und diejenigen, die beim Einsteigen helfen sollen, schließen sich an.
Wallfahrt begleitet schon seit Kindheitstagen
Vier der Busse müssen auf die andere Seite des Tals, um dort den Shuttle-Service zu eröffnen. Sabine fährt bis zum zentralen Wendepunkt im Tal mit. Sie hat symbolisch den Hut auf, ist für alle ansprechbar und agiert dennoch unauffällig. Auf die große Verantwortung angesprochen, strahlen ihre blauen Augen nun doch etwas stolz. „Ich bin mit der Tradition der Männerwallfahrt groß geworden. Und nun trage ich dazu bei, dass auch die daran teilnehmen können, die es zu Fuß nicht mehr schaffen würden, das ist schon ein cooles Gefühl.“
Der erste Bus mit Insassen nähert sich dem Wendepunkt, an dem alle aussteigen und es dann nicht mehr weit haben - zu ihrem Klüschen Hagis. Bevor der Wagen einparkt, gibt Sabine das Handzeichen zum Stoppen. „Halt‘ besser nicht auf der Wiese, die ist noch zu matschig“, ruft Sabine Robert Neumann, einem der ehrenamtlichen Fahrer der Malteser-Jugend, zu. Robert ist schon mehrmals dabei gewesen und vermittelt genau die Art von Ruhe, die ihn für diese Aufgabe prädestiniert und die Sabine ein sicheres Gefühl gibt. Robert tauscht sich kurz mit Sabine aus und dabei geht es nicht nur um Organisatorisches. „Da heißt es immer, der Glaube sei tot. Und dann sieht man so viele Christen auf dem Weg hierher“, sagt Robert, sichtbar gerührt. Für Sabine sind es Momente wie diese, die schon vor dem Gottesdienst tief unter die Haut gehen und die sie darin bestärken, das Richtige zu tun. Mit ihrem Engagement gibt sie Jugendlichen und jungen Erwachsenen eine Aufgabe, in der sie Gutes tun, was sie in Form von Dankbarkeit mehrfach gespiegelt bekommen – und somit schenkt sie ihnen ein ebenso wertvolles wie unvergessliches Erlebnis.
Pünktlichkeit ist für Malteser-Wallfahrtshelfer ein Muss
Robert steigt in den nun leeren Bus und fährt los, denn es warten noch viele Gläubige auf den Shuttle-Bus. Rund Tausend sind es jedes Jahr, die den Fahrdienst der Malteser nutzen. Die Spenden kommen der Jugendarbeit zugute.
Sabine hat eine Minute zum Luftholen. Es läuft alles. Sie geht zur Wiese, auf der die Wallfahrtskirche steht. Die pralle Spätfrühlingsnatur, der Sonnenschein, dazu die Menschen, die schon ihren Platz für den Gottesdienst gefunden haben; all diese Eindrücke nimmt Sabine in sich auf. Die einen wollen am Waldrand sitzen, die anderen möglichst weit vorn. Sabine wird mit ihrem Team – so wie jedes Jahr – in Richtung der parkenden Busse stehen. Denn einige Gläubige warten kaum das letzte Lied des Gottesdienstes ab und wollen dann wieder zurückgefahren werden. „Na ja, im Eichsfeld gibt es pünktlich Mittag“, so bringt es sanft grinsend Sabine auf den Punkt, um gleich darauf erschrocken anzumerken, dass das so nicht geschrieben werden darf. Weil sie den überpünktlichen Abreisewunsch mit so viel Wohlwollen für die Menschen ihrer Heimat betrachtet, steht es hier nun trotzdem.
Kurz nach halb elf setzt sich der erste Malteser-Bus wieder in Bewegung. Noch einmal aktiviert Sabine ihre Kräfte. „Bis 14 Uhr etwa dauert es meistens, bis wir mit allem durch sind“, prognostiziert sie ohne jeglichen Anflug von Beschwerde. „Es ist vor allem das Gemeinschaftsgefühl, das Energie gibt“, sagt sie mit ihrem Lächeln, das Wärme und Zuversicht überträgt – und somit ein Gefühl, das lange anhält und nachwirkt.