Interview

"Der Malteserorden ist ein höchst eindrucksvolles Powerhouse"

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Joachim Gies
Dr. Josef Blotz kam durch eine Wallfahrt nach Lourdes zu den Maltesern.

Herr Blotz, wie sind Sie zum Malteserorden gekommen?

Ich lernte vor über 30 Jahren in Bonn einen Malteser Ritter kennen. Durch ihn bin ich zu den Behindertenwallfahrten nach Lourdes, übrigens mit dem Kölner Zug, gekommen. Und damit fing für mich das aktive, richtig engagierte Malteser Leben an. Ich wurde kurze Zeit nach der ersten Wallfahrt in den Orden aufgenommen und habe mich hier und da immer wieder engagiert – und bin auch im Moment Vorsitzender von zwei Kuratorien. Dem des Antonius-Kollegs, einem der drei Malteser Gymnasien, und dem Kuratorium der Malteser Johanniter Johanneshaus gGmbH. Und nun kommt noch mein Engagement in Rom dazu.

Damit meinen Sie, dass Sie Anfang 2023 vom Außerordentlichen Generalkapitel in den Souveränen Rat des Malteserritterordens gewählt worden sind. Was macht man da?

Man kann sich das besser vorstellen, wenn man auf einen Begriff zurückgeht, der in der Verfassung des Malteserordens steht: die Ordensregierung. Im Grunde genommen ist der Souveräne Rat, der aus 14 Personen besteht, die Regierung des weltweiten Ordens. Zu ihr gehören der Großmeister, die vier hohen Ämter und weitere neun Mitglieder aus zur Zeit sieben Nationen. Er hat mit Blick auf den Großmeister auch die überaus wichtige Aufgabe der Beratung.

Was macht der Souveräne Rat?

Er beschäftigt sich mit Grundsatzangelegenheiten des Ordens, der Regierung des Ordens, der Zukunftsgestaltung. Die ist im Moment besonders wichtig, weil wir eine neue Verfassung haben, die nun weltweit auch zum Leben erweckt werden muss. Aber es gibt darüber hinaus noch eine ganze Reihe von Aufgaben und Tätigkeiten unterschiedlichster Art: Personalangelegenheiten, also Beförderungen und Rangerhöhungen oder die diplomatischen Beziehungen zu anderen Ländern. Der Orden unterhält ja 113 diplomatische Vertretungen in Ländern rund um die Welt. Es gibt unglaublich viele, höchst eindrucksvolle Malteser Aktivitäten, über die berichtet, diskutiert und entschieden wird.

Das klingt umfangreich.

Ist es. Vor über 30 Jahren habe ich die Malteser kennengelernt und dieses Riesenspektrum, das sie in Deutschland haben. Aber das, was ich beim Souveränen Rat in der Ordensregierung mit dem Großmeister und den anderen Vertretern, die aus der ganzen Welt kommen, erleben darf, das ist nochmal eine ganz andere Dimension. Da kriegt man ein Gefühl dafür, was das für ein Powerhouse ist, dieser Orden mit seinen Werken und, nie zu vergessen, seiner Spiritualität. Und ich wünsche mir manchmal, dass wir mehr Gelegenheiten haben, oder auch schaffen, um allen Maltesern bei uns zu Hause deutlich zu machen, wie global der Orden aufgestellt ist und wirkt.

Was machen Sie gerade?

Wir haben eine fließende Aufgabenverteilung im Souveränen Rat. Ich hatte in meinem ersten Jahr den einen oder anderen Auftrag, mir über bestimmte Dinge Gedanken zu machen, und jetzt kommt nochmal eine neue Aufgabenstellung dazu: Die sogenannten Visitationen. Etwa alle fünf Jahre besuchen mindesten zwei Vertreter der Ordensregierung im Auftrag des Großmeisters die Assoziationen und Groß- und Subpriotate. Sie schauen sich an, wie das Malteser Leben dort läuft. Man bespricht den Sachstand von Aktivitäten und Werken, versucht, Lösungen zu finden und gibt Hinweise. Und zu der Gruppe, die Visitationen macht, gehöre ich jetzt dazu und kann den Orden so noch besser kennenlernen. Es ist eine tolle Chance und ich mache das sehr gerne.

Was bedeuten die Malteser für Sie?

Ich denke, das ist der Moment, in dem der Begriff „Malteser Charisma“ fallen muss. Das Charisma des Ordens, das sind immer zwei Dinge. Das eine ist die tätige Nächstenliebe „obsequium pauperum“ – Hilfe den Bedürftigen, so wie sie sich in den Werken konkretisiert, das andere ist das Glaubensbekenntnis „Tuitio fidei“ – Bezeugung des Glaubens. Mein Eintritt in den Orden im Jahre 1992 war der Beginn einer wundervollen Reise in die Welt der Werke und gleichzeitig der Beginn einer besonderen, persönlichen Glaubensentwicklung.

In Ihrem Berufsleben waren Sie Soldat, zuletzt Generalmajor. Und haben sich selbst mit der Frage beschäftigt, wie es zusammenpasst, Soldat und Christ zu sein. Wie passt es zusammen?

Da muss man sich erstmal darüber im Klaren sein, was man unter einem Soldaten auch verstehen muss. Der Soldat ist Kämpfer, das muss er auch sein. Zum Zwecke der Verteidigung seines Landes. Aber er muss auch Beschützer sein. Jemand, der für Werte einsteht, der andere schützt, der auch Minderheiten schützt, der auch eine unterdrückte Bevölkerung schützt. Der Andere am Zerstören und Töten hindert. Und so passen Soldatsein und Christsein in meinem Verständnis sehr gut zusammen.

Sie waren zweimal bei der Internationalen Sicherheitsunterstützungstruppe ISAF in Afghanistan, zunächst 2007 und dann erneut 2010 bis 2011. Dort haben Sie am Wiederaufbau des Landes und an der Unterstützung der Menschen mitgearbeitet. Wie geht es Ihnen mit der aktuellen Lage?

Ganz schlecht, weil wir, und weil ich ganz andere große Hoffnungen hatten. Auf eine Entwicklung in eine positive Richtung, mit Blick auf Mennschenrechte und Frauenrechte, mit Blick auf die wirtschaftliche Entwicklung, letztlich auf einen guten konstruktiven Platz Afghanistans in der Völkergemeinschaft. Auf Rechtssicherheit und Demokratie. Wir hatten viele hehre Ziele, und wir haben daran gearbeitet. Ich habe dem zwei Jahre meines Lebens gewidmet. Ich habe viel erlebt, bin viel im Land herumgekommen und habe viele hoffnungsvolle Zeichen gesehen. Da war wirklich Großes auf dem richtigen Weg.

Sehen Sie den Einsatz als Misserfolg?

Der Einsatz war richtig und wir haben auch Fortschritte gemacht. Wir haben viel investiert und so viele Menschen, also Soldaten, verloren. Und dann ging es am Ende doch nicht gut aus. Es gab natürlich auch ermutigende Entwicklungen. Ich hoffe, dass jetzt nicht alles in Bausch und Bogen von den Taliban zunichte gemacht wird. Vielleicht bleibt ja das eine oder andere doch? Aber ja, es war ein Misserfolg gemessen an den Zielen, die man hatte. Vielleicht waren unsere Ziele zu hoch gesteckt, vielleicht haben aber auch die Menschen in unserem Land und in Afghanistan begonnen, an den Erfolgaussichten zu zweifeln. Man braucht einen extrem langen Atem, und wenn man den nicht hat, kann es sein, dass Werke unvollendet bleiben. 

Haben die Malteser diesen langen Atem?

Die Malteser haben bewiesen, dass ihr Atem jetzt schon über fast 1.000 Jahre reicht. Wenn es darum geht, sind sie ein wirklich gutes Vorbild. Wir haben einen langen Atem in den Engagements, den Werken, der praktischen Nächstenliebe und im Bekenntnis des Glaubens. Das ist unsere große Stärke.


Zur Person

Josef Dieter Blotz kam 1956 im hessischen Hadamar zur Welt. Nach seinem Abitur trat er in den Dienst der Bundeswehr. Im Laufe seiner militärischen Karriere machte er unter anderem Station in Sarajevo, Madrid, Brüssel, Straßburg, Washington, Afghanistan und Libyen. Der Bundesverdienstkreuzträger und Generalmajor a.D. hat kürzlich seine Doktorarbeit über Denkmäler für den Deutschen Widerstand veröffentlicht. Er ist verheiratet und Vater von zwei Kindern.