Neue Nähe

Jugendlager, Wohlfühlmorgen, Seniorentreff: Was Corona verändert hat

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Es ist Anfang August 2022; im Eifeldorf Satzvey herrscht Bilderbuchwetter. Auf dem Zeltplatz, gleich neben der Satzveyer Burg, steht Pia Saurbier zwischen gut gelaunten Kindern und Jugendlichen und gibt letzte Infos für den bevorstehenden Workshoptag. Ihre Stimme klingt heiser.

„Gestern am Lagerfeuer habe ich ziemlich laut mitgesungen“, erzählt sie später und lacht. „Das geht dann schon mal auf die Stimmbänder.“ Pia Saurbier gehört zum vierköpfigen Leitungsteam des Bundesjugendlagers 2022 und sorgt als Ehrenamtlerin mit dafür, dass alles rund läuft. Auf den Einsatz hat sie lange gewartet: Sowohl 2020 als auch 2021 musste die große Sommerfreizeit der Malteser Jugend wegen der Corona-Pandemie ausfallen. „Das war für uns als Team und natürlich vor allem für die Kinder und Jugendlichen eine Riesenenttäuschung“, sagt die Erzieherin. Soweit die Corona-Maßnahmen es zu ließen, stellten die Malteser an vielen Orten lokale Ferienangebote auf die Beine – von der Minifreizeit am Dorfrand über Online Workshops bis hin zu Basteltagen mit Abstand und Maske. Aktionen, die gut ankamen und gezeigt haben, wie sich Jugendarbeit unter sehr schwierigen Bedingungen gestalten lässt.

Gemeinschaftsgefühl live erleben

Ein gleichwertiger Ersatz für das Bundesjugendlager waren sie aber nicht. „Das Besondere am Lager ist ja, dass es Menschen aus ganz Deutschland zusammenführt“, meint Martin Kaesberger, der früher als Teilnehmer und heute als Leiter des Presseteams dabei ist. „Alle können mal über den Tellerrand schauen, Freundschaften mit Leuten schließen, die sie sonst nie getroffen hätten, und Gemeinschaft weit über die eigene Ortsgruppe hinaus erleben.“ Wie sehr sich alle freuen, dass das nun wieder möglich ist, spürt man auf dem Platz. Überall herrscht beste Stimmung, die Kinder sind engagiert beim Programm dabei und erledigen klaglos die verschiedenen Dienste, die zum Lageralltag gehören. „Über das Essen meckert dieses Jahr auch niemand“, sagt Martin Kaesberger.

„Das ist vielleicht das eindeutigste Zeichen dafür, wie happy alle sind.“ Überhaupt seien die Kinder und Jugendlichen, anders als befürchtet, eher toleranter und kompromissbereiter als vor der Corona-Pause. Auch sonst ist nicht alles so wie früher. Ein Großteil der Anmeldungen ging zum Beispiel erst kurz vor dem Start des Bundesjugendlagers ein.

Corona-Tests und klare Hygieneregeln gehören fest zum Lagerleben. Und das Team ist durch Quarantänefälle deutlich ausgedünnt. „Damit können wir aber umgehen, auch wenn es manchmal anstrengend ist“, sagt Pia Saurbier. „Ein Gutes hat die Pandemie nämlich gehabt: Wir sind auf jeden Fall flexibler geworden.“


Drei Fragen an Annika Schäfer: „Wir alle haben das Lager jetzt wirklich gebraucht“

Wie haben Sie aus Teamersicht die beiden Jahre ohne Bundesjugendlager erlebt?

Es war eine anstrengende Zeit. Wir haben ja jedes Jahr gehofft, dass die Freizeit doch stattfinden kann, immer wieder umgeplant, die Corona-Sicherheitsmaßnahmen erhöht, und mussten dann doch absagen. Diese Zitterpartie hat Kraft und Nerven gekostet. Und natürlich hat mir und vielen anderen das absolute Sommerhighlight sehr gefehlt.

Was macht die Freizeit für Sie und andere Engagierte so wichtig?

Beim Bundesjugendlager trifft man andere Freiwillige, die man oft schon lange kennt und jedes Jahr nur hier sieht. Dieser direkte Kontakt ist menschlich wichtig, aber auch für den fachlichen Austausch. Es macht einfach großen Spaß, hier zusammen zu sein und zusammen zu arbeiten.

Wie sieht Ihre Bilanz des Lagers 2022 aus?

Wir alle haben das Lager jetzt wirklich gebraucht. Es war in den letzten Jahren nicht immer einfach, die Motivation zu behalten, auch für die alltägliche Jugendarbeit. Das Miteinander hier hat neue Energie gegeben. Die werden wir nutzen. Zum Beispiel, um das Bundesjugendlager 2023 vorzubereiten.

Fünf von 500 Teilnehmerinnen und Teilnehmern des Bundesjugendlagers 2022. Das abendliche Feuer gehört mit zu den Höhepunkten des Lagerlebens.
Frank Lütke
Fünf von 500 Teilnehmerinnen und Teilnehmern des Bundesjugendlagers 2022. Das abendliche Feuer gehört mit zu den Höhepunkten des Lagerlebens.
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Im Lager ist immer viel los. Die Teamer und Teamerinnen kümmern sich um die Teilnehmenden.
Frank Lütke
Im Lager ist immer viel los. Die Teamer und Teamerinnen kümmern sich um die Teilnehmenden.
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Burg Satzvey bietet eine wunderschöne Kulisse für das Sommer-Ferienlager.
Felix von der Osten & Kayla Kauffman
Burg Satzvey bietet eine wunderschöne Kulisse für das Sommer-Ferienlager.
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Teamerin Pia freut sich, dass das Lager wieder stattfinden kann.
Felix von der Osten & Kayla Kauffman
Teamerin Pia freut sich, dass das Lager wieder stattfinden kann.
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Das Wetter meint es gut mit den Teilnehmenden.
Felix von der Osten & Kayla Kauffman
Das Wetter meint es gut mit den Teilnehmenden.
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Auch ganz junge Besucher und Besucherinnen sind beim Bundesjugendlager mit dabei.
Felix von der Osten & Kayla Kauffman
Auch ganz junge Besucher und Besucherinnen sind beim Bundesjugendlager mit dabei.
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Natürlich dürfen Malteser Fahrzeuge nicht fehlen.
Felix von der Osten & Kayla Kauffman
Natürlich dürfen Malteser Fahrzeuge nicht fehlen.
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Überall gibt es etwas zu entdecken.
Felix von der Osten & Kayla Kauffman
Überall gibt es etwas zu entdecken.
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Wohlfühlmorgen 2.0

Der Wohlfühlmorgen für wohnungslose Menschen ist ein fester Termin im Düsseldorfer Stadtkalender. „Vor Corona haben wir unsere Gäste alle zwei Monate zu einem Schlemmerfrühstück in der Altstadt eingeladen“, sagt Hans Tophofen, der das Format vor mehr als 20 Jahren erfunden hat. „Neben leckerem Essen haben sie hier auch die Möglichkeit, einen Arzt oder einen Friseur zu besuchen, über ihre Sorgen und Nöte zu sprechen oder es sich für ein paar Stunden ein fach nur gut gehen zu lassen.“ Die Corona-Pandemie bereitete dem Wohlfühlmorgen 2020 ein vorläufiges Ende – zumindest in seiner gewohnten Form. „Für uns war gleich klar, dass wir eine Alternative anbieten wollen“, sagt Hans Tophofen. „Neben unserem Angebot waren ja plötzlich auch fast alle anderen Treffpunkte und Austauschmöglichkeiten für wohnungslose Menschen weg. Eine echte Katastrophe für die Betroffenen. Da mussten wir einfach handeln.“

Schnell stellten die Malteser den Wohlfühlmorgen „to go“ auf die Beine: Sie packten Tüten mit Lebensmitteln und Hygieneartikeln, die die Gäste an einem festen Punkt abholen konnten. Ein kleiner Plausch auf Abstand war bei diesen Gelegenheiten auch möglich. Einmal organisierte das Team sogar einen Foodtruck, der verschiedene Spezialitäten servierte.

Nähe ist „to go“ nur schwer zu schaffen

Insgesamt kam der Wohlfühlmorgen to go bei der Zielgruppe gut an. Das Team bewertet ihn dann auch als Erfolg – aber mit Abstrichen. „Die Nähe, für die wir als Malteser stehen, konnte ‚to go‘ nicht wirklich entstehen“, bilanziert Hans Tophofen. „Vor allem die tiefergehenden Gespräche, die sich beim Wohlfühlmorgen normalerweise einfach so ergeben, fanden kaum statt. Das hat uns und den Gästen sehr gefehlt.“

Inzwischen ist das Angebot in seiner ursprünglichen Form wieder angelaufen. Vor dem ersten Termin Mitte August hatte das Team regelrecht Lampenfieber. Würde alles sein wie immer? Besteht überhaupt noch Interesse an dem Angebot? Zumindest die letzte Frage lässt sich eindeutig mit Ja beantworten. Bis das selbstverständliche Miteinander aus Vor-Corona-Zeiten wieder da ist, wird es aber dauern, meint Hans Tophofen. „Die Pandemie hat in der Community der wohnungslosen Menschen Wunden geschlagen. Mit unserem Wohlfühlmorgen können wir hoffentlich zur Heilung beitragen.“

Der Wohlfühlmorgen in Düsseldorf ist für viele ein wichtiger Anlaufpunkt.
Der Wohlfühlmorgen in Düsseldorf ist für viele ein wichtiger Anlaufpunkt.
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Wohlfühlen to go: Mitarbeitende teilten während der Pandemie Sandwiches, Kaffee und mehr aus.
Wohlfühlen to go: Mitarbeitende teilten während der Pandemie Sandwiches, Kaffee und mehr aus.
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Dr. Andre Schumacher untersucht bei Bedarf Wohlfühlmorgen-Besuchende.
Dr. Andre Schumacher untersucht bei Bedarf Wohlfühlmorgen-Besuchende.
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Seniorentreffs gegen die Einsamkeit

Fröhlich bellende Hunde, strahlende Menschen: Das Treffen zwischen der Seniorengruppe Butzbach und den Besuchshunden der Malteser im Lustgarten der hessischen Kleinstadt machte allen Beteiligten Spaß. Die Aktion war eine von vielen, die seit dem Frühjahr 2021 ältere Menschen in der Region zusammenbringen. „Einsamkeit im Alter ist generell ein großes Problem“, sagt Hilary Roger, Projektleiterin von „Miteinander-Füreinander“ im Bistum Mainz. „Die Corona-Maßnahmen haben es noch mal deutlich verschärft. Deshalb haben wir vergangenes Jahr in Butzbach und Büdingen zwei neue Seniorengruppen ins Leben gerufen.“ Wie groß der Bedarf war, zeigte sich nicht nur an der Zahl der Interessentinnen und Interessenten. „Bei einem der ersten Treffen meinte eine Teilnehmerin: ‚Ich weiß gar nicht, wie lange ich mit niemandem mehr gesprochen habe‘“, erinnert sich Hilary Roger. „Das hat dieNot auf den Punkt gebracht.“ Die Seniorentreffs in Butzbach und Büdingen haben Menschen aus der Isolation geholt.

Spaß haben und Neues lernen

Die festen monatlichen Treffen und die kleinen Ausflüge zwischendurch waren und sind für die Gruppenmitglieder wichtige Ankerpunkte. Und eine Möglichkeit, sich auch im Alter weiterzuentwickeln. Einige haben neue Freundschaften geknüpft, viele haben neue Kompetenzen erworben. Den Umgang mit einem Messengerdienst auf dem Smartphone, der bei einem Gruppen treffen erklärt wurde, beherrschen inzwischen zum Beispiel fast alle. Das erleichtert den Kontakt innerhalb der Gruppen, aber auch mit Familie und Freunden. Ein wichtiger Aspekt, wenn es um Wege aus der Einsamkeit geht. Mittlerweile kommen viele Ideen für gemeinsame Aktivitäten von den Teilnehmerinnen und Teilnehmern selbst. Einige haben zusammen eine Theatergruppe gegründet, andere treffen sich regelmäßig im Literaturkreis. Diese Entwicklung freut Hilary Roger besonders. „Wir möchten die Seniorinnen und Senioren ja nicht bespaßen, sondern sie dabei unterstützen, selbst aktiv zu werden und etwas zu gestalten“, sagt sie. „Dieses Ziel haben wir erreicht.“ Der Erfolg der Seniorentreffs setzt sich fort: Viele Teilnehmer bleiben trotz an derer Sommeraktivitäten in den Teams aktiv, auch wenn sie nicht zu jedem Treffen kommen. „Auch im Herbst und Winter sind die Treffs offen, wenn es so gut läuft, und für 2023 sind sogar zwei weitere Standorte geplant“, verrät Hilary Roger.

Die geselligen Treffen tun den Teilnehmern einfach gut.
Die geselligen Treffen tun den Teilnehmern einfach gut.
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Etwas Besonderes sind die vierbeinigen Gäste
Etwas Besonderes sind die vierbeinigen Gäste
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Ein Besuch auf der Minigolf-Anlage
Ein Besuch auf der Minigolf-Anlage
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