Schweiz: Als Malteser bisch nie elei
Zwischen Haupt- und Ehrenamt läuft es bei den Maltesern in der Schweiz so gar nicht. Denn es gibt überhaupt kein Hauptamt. Die Schweizer Malteser bestehen aus rund 1.000 Freiwilligen, die sich der guten Sache verschrieben haben – und sich selbst organisieren.
Wie das funktioniert: Ganz oben steht die Schweizer Assoziation des Malteserordens, die 1961 wiederbelebt wurde. „Und für unseren Auftrag ‚Obsequium pauperum‘ – Hilfe den Bedürftigen – ist es für unsere Assoziation natürlich wichtig, auch entsprechende Werke zu haben“, sagt Verena Vorwerk. Sie ist Hospitalier der Schweizer Assoziation und damit so etwas wie die Gesundheitsministerin. Eine wichtige Position bei den Schweizer Maltesern.1974 gründeten sie den Malteser Hospitaldienst Schweiz (MHDS), in dem sich die rund 1.000 ehrenamtlichen Schweizer Malteser wiederfinden. Sie helfen Armutsbetroffenen, Kranken und Geflüchteten, verteilen an mehreren Standorten Lebensmittel, bieten in Lausanne eine Anlaufstelle für Obdachlose, kümmern sich um Menschen mit Behinderungen im Alltag, bei verschiedenen Camps und auf Wallfahrten. Damit sich genug Freiwillige für später finden, sorgt man im MHDS früh vor: mit dem Malteser Pfadfindern in der französischsprachigen Schweiz. Mit zwölf Jahren kann man als Wölfling anfangen – und wird Schritt für Schritt immer weiter eingebunden.
Enge Zusammenarbeit mit den Johannitern
Aber auch im Erwachsenenalter wird einem der Einstieg leicht gemacht, wie bei Verena Vorwerk. Vor 20 Jahren, nachdem sie nach Jahren in Deutschland und Luxemburg zurück in die Schweiz gezogen war, begleitete sie eine Cousine, um bei den Maltesern die Physiotherapie von Menschen mit Behinderungen mit helfenden Händen zu unterstützen. Es folgte das, was anscheinend weltweit bei den Maltesern gleich ist. Sie wurde gebeten, eine Veranstaltung zu organisieren, dann noch eine, dann hier und dort zu helfen – und heute ist sie Hospitalier.
Ihren Mann konnte sie allerdings in den 20 Jahren Zugehörigkeit nicht überzeugen, die Seiten zu wechseln. Er ist evangelisch – und Präsident des Hilfswerks der Schweizer Johanniter. Das bringt Vorteile mit sich: In vielen Bereichen arbeiten die Malteser und Johanniter in der Schweiz eng zusammen. Vor zwei Jahren haben sie Stiftungen mit gleichem Auftrag zu einer gemeinsamen zusammengelegt: die Johanniter-Malteser Stiftung Aide & Assistance, die nicht mehr benötigtes Krankenhausmaterial, beziehungsweise Spitalmaterial, wie man in der Schweiz sagt, dahin bringt, wo es dringend gebraucht wird. Weltweit. Rund 50 Transporte finden pro Jahr statt.
Das dritte „Ordensprojekt“ neben dem MHDS und der Aide & Assistance führt ebenfalls ins Ausland: Die Campagne Internationale de l’Ordre de Malte contre la Lèpre (CIOMAL) kümmerte sich seit 1958 um Lepra-Betroffene in 48 Ländern; heute liegen die Schwerpunkte in Kambodscha, Brasilien, Vietnam und Mauretanien. „Lepra ist leicht heilbar, aber die Betroffenen tragen die Spuren ein Leben lang, und werden auch heute noch oft wie Aussätzige behandelt“, sagt Verena Vorwerk. CIOMAL kümmert sich deshalb nicht nur um Behandlung, sondern auch um Prävention – und darum, dass ehemals Erkrankte wieder gesellschaftliche Akzeptanz finden.
Freundschaften über Grenzen hinweg
Wer an die Schweiz denkt, denkt oft auch an Geld. Schließlich beträgt das durchschnittliche monatliche Haushaltseinkommen mehr als 10.000 Euro, und jeder siebte erwachsene Schweizer ist Millionär. Grund genug, dass Verena Vorwerk sich oft mit dem Vorurteil konfrontiert sieht, die Schweizer Malteser würden sich vor allem mit Finanziellem beschäftigen. „Dabei ist unser Dienst wirklich von Ehrenamt getragen“, sagt sie. Und dass Fundraising in der Schweiz manchmal gar nicht so einfach ist. Gut, wenn man dann Nachbarn hat: Wenn es darum geht, Geld für die Malteser Geburtsklinik in Bethlehem zu sammeln, helfen die deutschen Malteser mit Informationsmaterial aus. Wenn es um die Ukraine-Hilfe geht, trifft man die europäischen Malteser und den Auslandsdienst regelmäßig, um zu beraten. Und bei Malteser International sind die Schweizer von Anfang an Mitglied und stellen – jetzt geht es doch wieder ums Geld – seit 20 Jahren den Finanzvorstand.
2016 haben die deutschen Malteser bei der Erste-Hilfe-Ausbildung für den Schweizer Sanitätsdienst im Heiligen Jahr geholfen. Erste-Hilfe-Ausbildung gehört nicht zu den Kernbereichen der Schweizer Malteser. Trotzdem bilden sie dieses Jahr selbst aus – und freuen sich, Malteser aus anderen Ländern beim Einsatz in Rom zu treffen. Sonstige Kontakte? Davon gibt es eine Menge, allerdings auf dem kleinen Dienstweg. „Unser Austausch lebt vor allem von persönlichen Bekanntschaften“, sagt Verena Vorwerk. Es gibt ehemalige deutsche Malteser, die jetzt in der Schweiz aktiv sind, es gibt eine Menge Freundschaften über Grenzen hinweg. Und da passiere immer sehr viel im Kleinen. Und manchmal dann auch wieder im Großen, so wie 2021, als die Schweizer die Bilder der Flut im Fernsehen sahen – und sich sofort die Frage stellten, wie sie ihren Nachbarn helfen könnten. Gute Frage, denn im Bereich Notfallvorsorge und Katastrophenschutz sind die Schweizer Malteser nicht aktiv.
Feriencamps für Flutbetroffene
Die gefundene Antwort war aber ebenfalls gut: Anfang Oktober fanden zwei Camps für Kinder aus den Überschwemmungsgebieten statt, die von Helfern aus der Malteser Jugend des Bistum Trier begleitet je eine Woche in der Schweiz Ferien machen konnten. Insgesamt nahmen 14 Teamer und 33 Kinder teil. Die Schweizer Freiwilligen stellten die gesamte Infrastruktur und ein abwechslungsreiches Programm.
Malteser ist man eben nicht allein, oder auf Schwyzerdütsch: „Als Malteser bisch nie elei.“ Wobei dieser eine Spruch für die Schweizer Malteser nicht ausreicht. Schließlich sind sie in zwölf Regionalsektionen in der ganzen Schweiz tätig und damit dreisprachig aktiv. Deshalb muss es auch heißen „Malteser? On n’y est jamais seul“ und “Come Malteser non si viene mai lasciati soli”.