„Einige Familien sind gegründet für Gedanken und Kunst. Und andere Familien verbrennen das Land, das Denken und die Kunst“, schreibt Ismail Hesso in einem Gedicht. Nach der Flucht aus seiner syrischen Heimatstadt Aleppo konnte er mit seiner charakteristischen Malerei bereits an Ausstellungen in Deutschland teilnehmen und führt Tagebuch seit Beginn des Kriegs in Syrien bis heute. Hanieh Azadkhankadi, die 2017 aus Teheran nach Deutschland kam, weiß: „Malen ist sehr gut für mich. Wenn ich male, bin ich in einer anderen Welt“. Im Iran hat die Malerin und Grafikdesignerin eine Werkstatt für die Gestaltung von Taschen, Schuhen und anderen Lederaccessoires betrieben.
Schmerzen mit Farbe heilen
„Eine Frau zu sein war nicht meine Wahl, aber als Frau zu leben ist meine Kunst. In meinem Land ist es schwer als Frau zu leben. Die Kunst war meine einzige Rettung“, bekennt Donya Hassanvand, die im September 2022 aus dem Iran nach Deutschland kam und dort nicht nur als Buchhalterin, sondern auch als Malerin und Tätowiererin gearbeitet hat. – „Mein Vorbild für die Kunst ist Frida Kahlo“, sagt Yassaman Fakurian, „denn sie hat all die Schmerzen und Leiden in ihrem Leben wunderbar mit Farbe geheilt, um zu zeigen, dass wir sogar unsere Leiden auf schöne Weise malen können.“ Die 19-jährige Malerin und Dichterin ist ebenfalls im vergangenen Jahr aus dem Iran gekommen und hat die anderen drei in einem ungewöhnlichen Projekt aus dem Arbeitsbereich „Migration“ der Malteser kennengelernt.
Raum für Gedanken, Erlebnisse, Botschaften
In bundesweit rund 50 stationären Einrichtungen mit 17.500 Betreuungsplätzen engagieren sich 1.400 Mitarbeitende der Malteser für Asylsuchende und Migranten und schaffen dort in vielfältiger Weise Vertrauen, Sicherheit und Perspektiven für die in Deutschland ankommenden Menschen. So etwa auch mit ihrem Projekt „Kunst Grenzenlos“, das einen offenen und wertfreien Raum für den Ausdruck von Gedanken, Erlebnissen und Botschaften mit den Mitteln der Kunst bietet und Malerei und Grafik genauso einschließt wie Theater und Tanz oder auch Literatur und Musik. Gezielt entstehen so an ausgewählten Orten immer wieder überraschende, auch das Kulinarische einbeziehende Begegnungen zwischen Menschen aus verschiedenen Kulturen, Professionen und Biografien.
Wobei nicht nur Menschen, die erst kürzlich Teil unserer Gesellschaft geworden sind, „Kunst Grenzenlos“ mit Leben füllen, sondern auch Mitarbeitende in den Einrichtungen, die ihnen eine künstlerische Betätigung anbieten – als eine willkommene Abwechslung von Alltag, als therapeutische Unterstützung oder auch als Einstieg in eine neue Profession.
Fenster zur Kunst
So freut sich etwa Nadia Karimi über „das Fenster, das die Malteser der Kunst geöffnet haben“. Sie hat im Iran Kunst studiert, ist seit 2012 Mitarbeiterin der Malteser, betreibt in deren Zentraler Unterbringungseinrichtung in Wickede-Wimbern eine Kunstwerkstatt für die Bewohnerinnen und Bewohner und bringt dort regelmäßig Kindern zwischen sieben und 18 Jahren sowie Erwachsenen Kunst in Theorie und Praxis näher. Besonders erfüllend ist es für sie, Anfängern durch die Vermittlung von Ideen und künstlerischen Techniken den Weg in die Kunstwelt zu ebnen. Karimi: „Einer von ihnen ist jetzt Mitglied im Projekt ‚Kunst Grenzenlos‘ – an diesen Erfolg werden wir uns immer erinnern!“
„Wir können viel geben“
Wer in „Kunst Grenzenlos“ mitarbeitet gibt viel, bekommt aber auch viel zurück. „Die Gruppe war sehr hilfreich für mich. Sie hat meinen Blick auf Deutschland verändert“, berichtet eine Teilnehmende. Und Ismail Hesso sagt: „Die Malteser helfen uns, unseren Weg zu finden als Künstler, und das ist großartig. So können wir den Menschen zeigen, dass wir nicht nur Flüchtlinge sind, sondern Künstler. Wir sind alle Menschen, und wir können viel geben und haben viel zu bieten. Dank der Malteser sehen die Leute hier in Deutschland, was wir machen können, wenn wir eine Chance dazu haben.“
