Malteser Migrationsbericht 2023

In vierter Ausgabe: Fakten statt Stimmungslage

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Andi Weiland/Malteser
Der Malteser Integrationsdienst organisiert bundesweit an über 70 Standorten zusammen mit mehr als 2.200 Ehrenamtlichen aus aller Welt rund 400 Projekte zur Unterstützung von Menschen mit Flucht- und Migrationshintergrund.

Fakten als Argumentationshilfe im nach wie vor stark emotionalisierten gesellschaftlichen Diskurs zum Thema Zuwanderung zu liefern, das war von Beginn an die zentrale Funktion des Malteser Migrationsberichts, der im Jahr 2017 erstmals erschienen ist. Nun liegt der inzwischen vierte Migrationsbericht vor, 100 Seiten stark und unter der bewährten Federführung von Professor Lars Feld, Leiter des Walter Eucken Instituts in Freiburg, mit wissenschaftlicher Akribie erarbeitet. Seit dem Erscheinen des letzten Migrationsberichts im Herbst 2021 hat ein Thema ganz wesentlichen Einfluss auf die Zuwanderung nach Deutschland genommen: der Krieg in der Ukraine, und deshalb, so Professor Feld, liegt dieses Mal „ein besonderer Fokus auf der Fluchtbewegung aus der Ukraine.“

Zuwanderung auf hohem Niveau

Rund 2,67 Millionen Menschen wanderten im Jahr 2022 nach Deutschland ein. Der Wanderungssaldo (Zuzüge minus Fortzüge) war mit 1,46 Millionen so hoch wie nie seit Beginn der Aufzeichnungen im Jahr 1950. Ende 2022 lag die Zahl der Schutzsuchenden in Deutschland bei 3,1 Millionen Menschen – davon 1,1 Millionen Menschen aus der Ukraine. Diese hohe Zahl an zugewanderten Menschen zu versorgen und zu integrieren, ist eine gewaltige Aufgabe. „Auch wir Malteser betreuen im Sommer 2023 so viele Menschen in Unterkünften wie nie zuvor in unserer Geschichte“, betont der Malteser Vorstandsvorsitzende Dr. Elmar Pankau im Vorwort des Migrationsberichts.

Arbeitsmarkt und Integration

Wie in den vorangegangenen Migrationsberichten lässt sich auch im vierten Migrationsbericht die Bedeutung des Arbeitsmarktes für die Integration belegen: Die gesamte positive Entwicklung auf dem deutschen Arbeitsmarkt im Jahr 2022 kann auf die ausländische Bevölkerung zurückgeführt werden. 407.000 Personen dieser Gruppe fanden im Jahr 2022 eine Beschäftigung. Dass der tägliche Kontakt mit deutschen Kolleginnen und Kollegen sich positiv auf die Integration auswirkt, liegt nahe. Die Beschäftigungsquote bei ukrainischen Staatsangehörigen lag im April 2023 bei 18 Prozent. Im Vergleich zu anderen Schutzsuchenden sind sie überdurchschnittlich gut ausgebildet: 30 Prozent der befragten erwerbstätigen Ukrainerinnen und Ukrainer üben eine Tätigkeit aus, die einen Hochschulabschluss erfordert. Aus den Fakten zur Migration und Integration ziehen Praktiker eindeutige Schlüsse. Der Geschäftsführer der Malteser Werke, Sebastian Schilgen, fordert: „Lange vor dem Bescheid über den Aufenthaltsstatus sollte die Qualifikation der Schutzsuchenden für den Arbeitsmarkt beginnen. Umso schneller und einfacher gelingt die soziale und wirtschaftliche Integration in Deutschland.“

Begegnen wir den zugewanderten Menschen auf Augenhöhe?

Innerhalb des umfassenden Zahlenwerks, das der Malteser Migrationsbericht liefert, setzt ein Interview mit dem Rassismus-Forscher Karim Fereidooni, Professor an der Ruhr-Universität Bochum, einen besonderen Akzent. Professor Fereidooni führt vor Augen, wie schwierig es ist, zugewanderten Menschen vorurteilsfrei zu begegnen, denn um rassistische Vorurteile verinnerlicht zu haben, reiche „ein ‚normales‘ Aufwachsen in unserer Gesellschaft.“ Sein Plädoyer: sich durch entsprechende aufklärende Lektüre, Antirassismus-Workshops und Selbstreflexion der Herausforderung zu stellen, mögliche rassistische Elemente im eigenen Denken, Sprechen und Handeln zu erkennen – und auf diese Weise zur Schaffung rassismus-sensibler Räume beizutragen: in der Familie, im Freundeskreis, im Arbeitsumfeld.