Ausstellung

Der Mann auf dem Tuch im Fokus beim Kongress der Weltreligionen

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Es ist keine Schau wie jede andere; diese Ausstellung geht an Grundsätzliches und versteht sich dabei als Spurensuche: „Wer ist der Mann auf dem Tuch?“ heißt eine Ausstellung der Malteser, in deren Zentrum das Turiner Grabtuch steht.

Erwähnt wurde dieses erstmals 1389 in den Quellen. Und spätestens seither beschäftigt nicht nur Christen die Frage, ob das gut 4,40 Meter lange und rund 1,15 Meter breite Leinentuch, das den Leichnam eines etwa 1,80 Meter großen Mannes zeigt, der alle Merkmale eines Gekreuzigten aufweist, tatsächlich das Grabtuch Jesu Christi ist. Jetzt wird die Ausstellung der Malteser in Kasachstan gezeigt und somit erstmals in einem muslimischen Land.

Erweckungsmoment

Initiator und Projektleiter ist Bernd Falk, ehemaliger Leiter des Malteser Service Centers. Bei einem Besuch im Heiligen Land hatte Falk 2006 eine ähnliche Schau zum Grabtuch im päpstlichen Gästehaus in Jerusalem gesehen, verbunden mit einem wissenschaftlichen Vortrag. „Und da bin ich wach geworden, seither hat mich das Thema nicht mehr losgelassen“, berichtet Falk. „Denn wenn der Mann in dem Tuch tatsächlich Jesus war, dann hat er so ausgesehen.“  Dabei legt Falk Wert darauf, dass man von Anfang an keinen spirituellen, sondern einen wissenschaftlichen Ansatz verfolgte: „Es ist keine katholische Ausstellung, und wir legen uns auch nicht fest. Die Besucher bekommen bei uns einen wissenschaftlichen Ansatz. Am Ende sollen sie selbst entscheiden.“

Nach sechsjähriger Findungs- und Vorbereitungszeit wurde eine mobile Ausstellung erstellt und diese 2012 im erzbischöflichen Priesterseminar in Köln erstmals öffentlich präsentiert. Sie umfasst Texte auf 27 Informationsstelen, Exponate in sieben Vitrinen, eine originalgetreue Nachbildung des Tuches sowie eine Skulptur, geschaffen aus der 3D-Betrachtung der Spuren am Tuch.

Grausam und verblüffend

Dokumentiert wird die Geschichte des Grabtuchs, und es werden die medizinisch-naturwissenschaftlichen Erkenntnisse aus diesem den biblischen Erwähnungen gegenübergestellt. Unabhängig von persönlicher Wertung stellt sich beim Betrachter große Betroffenheit angesichts eines auf das Grausamste malträtierten Menschen ein. Andererseits ist man verblüfft über die unübersehbar großen Übereinstimmungen zwischen Tuch und Heiliger Schrift. Vor allem ist es die von Professor Enzo Mattei geschaffene lebensgroße und mit Wunden übersäte Skulptur, die einen nachhaltigen Eindruck beim Besucher hinterlässt.

42 Orte und rund 300.000 Besucher

Gemäß dem mobilen Konzept hat die Ausstellung seit Eröffnung bereits an 42 Orten in Deutschland, Österreich, Luxemburg und der Schweiz Station gemacht. Hunderte von Führern und Führerinnen wurden ausgebildet, rund 300.000 Besucher und Besucherinnen gezählt. Ein Kuratorium betreut die Inhalte und koordiniert die interessierten Aussteller. Eine Gruppe engagierter ehrenamtlicher Düsseldorfer Malteser sorgt für den Transport sowie den Auf- und Abbau der Ausstellung. Eine zweite Ausstellung gleicher Machart in Südamerika zog bis heute 150.000 Besucher an. Wie Falk berichtet, gab es zwischenzeitig Überarbeitungen beziehungsweise Aktualisierungen wie etwa QR-Codes und Audio-Guides, alles stets in Einklang mit dem Custos in Turin, wo das originale Grabtuch in einer Seitenkapelle des Doms aufbewahrt wird.

Eröffnung im islamisch geprägten Kasachstan

Und nun also Astana in Kasachstan: Seit dem 1. August wird die Ausstellung der Malteser im dortigen imposanten Palast des Friedens und der Eintracht gezeigt. Eine Begegnungsstätte, die extra für den Dialog der Religionen errichtet wurde. Projektpartner ist Kirche in Not International. Ursprünglich hatten die Malteser Russland als Ausstellungsort angestrebt, aber erst Corona und dann der Ukraine-Krieg haben diesen Plan (vorläufig) vereitelt. Über Astana ist Falk aber keineswegs unglücklich, sondern sogar geradezu beglückt: „Es ist jetzt ein ausgesprochen interreligiöses Projekt geworden. In einem tiefmuslimischen Land zeigen Orthodoxe und Katholiken eine gemeinsame Ausstellung über das Leiden des gekreuzigten Mannes auf dem Tuch. Denn Kasachstan ist ein überwiegend islamisch geprägtes Land (rund 65 Prozent); die Christengemeinschaft teilt sich auf in mehrheitlich russisch-orthodoxe sowie katholische Gläubige. „Orthodoxe und Katholiken in Kasachstan verstehen sich übrigens durchaus gut. Der katholische Erzbischof und der russisch-orthodoxe Metropolit gehen vertrauensvoll miteinander um“, so Falk.

Zeichen für den Dialog beim Weltkongress

Quasi das „Tüpfelchen auf dem i“ ist nun noch der Umstand, dass in diesem September der alle drei Jahre in Astana tagende Weltkongress der Führer der globalen Religionen stattfindet, und zwar ebenfalls im Palast des Friedens und der Eintracht. „Die ganze Religionswelt wird da sein, und die Teilnehmer werden natürlich auch unsere Ausstellung sehen“, sagt Falk, der ebenfalls anreisen wird. Es werden eigens Prospekte auch auf Russisch, Kasachisch und Englisch angeboten sowie Audio-Guides in Englisch, Deutsch und Russisch. „Die Ausstellung wirkt wie eine stabile kleine Flamme, bereit, um zu gegebener Zeit größer zu werden und den interreligiösen Dialog weiter in dieser Region und anderswo zu befeuern“, hofft Falk.

Aber gleich welcher Konfession die Besucher sind, ob skeptisch oder überzeugt, auch sie werden die zentrale Frage des Turiner Grabtuchs nicht klären können – wie nämlich der Abdruck der Vorder- und Rückseite eines Körpers gleichmäßig auf das Tuch gelangen konnte. Falk: „Die Fäden sind nicht durchgefärbt, ein Pinsel kann also nicht am Werk gewesen sein. Ein Theorieansatz ist, dass es eine kurzfristige, hochenergiegeladene Reaktion gewesen sein könnte. Aber wenn wir das alles erklären könnten, wäre das Turiner Grabtuch kein Glaubensdokument mehr.“              


Das Turiner Grabtuch im Mittelpunkt: Das Leinentuch zeigt den Leichnam eines Mannes, der alle Merkmale eines Gekreuzigten aufzeigt.
Das Turiner Grabtuch im Mittelpunkt: Das Leinentuch zeigt den Leichnam eines Mannes, der alle Merkmale eines Gekreuzigten aufzeigt.
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Auf den Stelen wird die Geschichte der Exponate erzählt.
Auf den Stelen wird die Geschichte der Exponate erzählt.
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Die Ausstellung stößt in Astana auf großes Interesse.
Die Ausstellung stößt in Astana auf großes Interesse.
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Großes Interesse: Die Eröffnung der Ausstellung zum Turiner Grabtuch in Kasachstan war gut besucht. "Interreligiöser Dialog wird hier gelebt", sagt Bernd Falk.
Großes Interesse: Die Eröffnung der Ausstellung zum Turiner Grabtuch in Kasachstan war gut besucht. "Interreligiöser Dialog wird hier gelebt", sagt Bernd Falk.
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Begleitet wurde die Eröffnung von vielen Reden, unter anderem der der kasachischen Kulturministerin Aida Balayeva.
Begleitet wurde die Eröffnung von vielen Reden, unter anderem der der kasachischen Kulturministerin Aida Balayeva.
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Die beiden Deutschen bei der Ausstellung: Dr. Sophie Prinzessin zu Löwenstein und Bernd Falk haben für die Malteser die Grabtuchausstellung in Kasachstan organisiert.
Die beiden Deutschen bei der Ausstellung: Dr. Sophie Prinzessin zu Löwenstein und Bernd Falk haben für die Malteser die Grabtuchausstellung in Kasachstan organisiert.
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Verschiedene Kulturen, verschiedene Sprachen - und natürlich auch verschiedene Broschüren zum Turiner Grabtuch.
Verschiedene Kulturen, verschiedene Sprachen - und natürlich auch verschiedene Broschüren zum Turiner Grabtuch.
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Bernd Falk (r.) nahm sich bei der Eröffnung Zeit, mit den Ausstellungsbesuchenden ins Gespräch zu kommen.
Bernd Falk (r.) nahm sich bei der Eröffnung Zeit, mit den Ausstellungsbesuchenden ins Gespräch zu kommen.
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Dr. Sophie Prinzessin zu Löwenstein im Gespräch mit Geistlichen bei der Ausstellungseröffnung in Astana.
Dr. Sophie Prinzessin zu Löwenstein im Gespräch mit Geistlichen bei der Ausstellungseröffnung in Astana.
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Standort der Ausstellung in Kasachstan: Die Pyramide des Friedens und der Eintracht in Astana soll die Einheit verschiedener Religionen symbolisieren.
Standort der Ausstellung in Kasachstan: Die Pyramide des Friedens und der Eintracht in Astana soll die Einheit verschiedener Religionen symbolisieren.
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Tatsächlich wird nur eine Kopie des Grabtuchs gezeigt - sonst hätte Sophie Prinzessin zu Löwenstein sicher nicht vor der Ausstellung das Bügeleisen angesetzt.
Tatsächlich wird nur eine Kopie des Grabtuchs gezeigt - sonst hätte Sophie Prinzessin zu Löwenstein sicher nicht vor der Ausstellung das Bügeleisen angesetzt.
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Zur Vorbereitung wurden die lokalen Ausstellungsguides gut vorbereitet.
Zur Vorbereitung wurden die lokalen Ausstellungsguides gut vorbereitet.
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Verschiedene Religionen und Nationen trafen bei der Ausstellungseröffnung aufeinander.
Verschiedene Religionen und Nationen trafen bei der Ausstellungseröffnung aufeinander.
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