Interview

Carsten Haeckel: „Das Waldkrankenhaus Erlangen wird ein Gewinner der Reform sein“

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Malteser Waldkrankenhaus Erlangen
Dr. Carsten Haeckel, Geschäftsführer des Malteser Waldkrankenhauses St. Marien in Erlangen

Das Eckpunktepapier des Bundesgesundheitsministeriums vom Juli 2023 zeigt, wohin der Weg bei der anstehenden Krankenhausreform gehen soll. Gewährleistung der Versorgungssicherheit, Sicherung der Behandlungsqualität, Entbürokratisierung und Entökonomisierung werden dabei als zentrale Ziele der Reform genannt. Welche Auswirkungen die Reform für das Malteser Waldkrankenhaus in Erlangen haben wird und wie der Reform-Ansatz zu beurteilen ist, dazu nimmt Geschäftsführer Dr. Carsten Haeckel Stellung.

Herr Dr. Haeckel, das Eckpunktepapier des Bundesgesundheitsministeriums zur Krankenhausreform sieht künftig für die Krankenhäuser die Zuweisung von Leistungsgruppen vor, die medizinische Leistungen abbilden und mit Qualitätsanforderungen hinterlegt sind. Wie beurteilen Sie das?

Krankenhausplanung gibt es ja heute schon, allerdings in eher grober Form. Das Waldkrankenhaus beispielsweise hat einen Versorgungsauftrag für die Bereiche Chirurgie, Urologie und Innere Medizin. Wie man den Versorgungsauftrag erfüllt, war bisher relativ frei – durch die hinterlegten Anforderungen an die Strukturqualität wird die Planung künftig feingliedriger werden.

Wird eine Konsequenz sein, dass die Krankenhäuser sich mehr auf bestimmte Schwerpunkte fokussieren?

Genau. Solche Schwerpunkte gab es bei uns historisch immer schon – die bauen wir weiter aus. Ein besonderer Fokus liegt auf der Orthopädie. Es gibt hier in Erlangen ja das Universitätsklinikum – wir, das Waldkrankenhaus, waren über Jahrzehnte gleichzeitig die Orthopädische Universitätsklinik. Hier sind wir schon heute hochspezialisiert und haben gleich zwei Kliniken – für Orthopädie und für Wirbelsäulenchirurgie – dazu am Haus. Beide sind national und international wahrgenommene medizinische Zentren. Diese Spezialisierung werden wir weiter vorantreiben. Ein zweiter solcher „Leuchtturm“ ist die Kardiologie – das war die erste spezialisierte Abteilung am Waldkrankenhaus, die vor fast 60 Jahren eingerichtet worden ist, damals noch durch Ärzte des Universitätsklinikums. Auch hier halten wir bereits heute die mit der Reform geforderten Strukturen vor – wollen das aber ebenfalls noch weiter ausbauen.

Ein Aspekt der anstehenden Reform betrifft die Stärkung des ambulanten Sektors.

Der ambulante Sektor wird wachsen, der stationäre ein wenig verlieren. Deshalb verschaffen wir uns zusätzliche ambulante Kompetenz, indem wir Medizinische Versorgungszentren aufbauen, die darauf spezialisiert sind, ambulante Therapie anzubieten. Diese sind deutlich kleinteiliger und müssen extrem kosteneffizient angeboten werden. So haben wir im Bereich der Orthopädie bereits ambulante Leistungen an drei unabhängigen Standorten in der Region ergänzt und machen damit den Patientinnen und Patienten ein integriertes Versorgungsangebot – damit wir sagen können: Von der Einlage über die Hüftprothese bis zur Tumor-OP – bei uns gibt es orthopädisch alles aus einer Hand. Auch in der Kardiologie werden wir in 2024 ambulante Leistungen zu unserem Portfolio addieren, damit wir vom Manager-Check-up bis zur Herzinfarkt-Therapie alles unter einem Dach anbieten können.

Ein Ziel der Reform soll eine Entbürokratisierung sein …

… was extrem notwendig wäre – unser Pflege- und ärztliches Personal verbringt einen Großteil der Zeit mit Dokumentationsaufgaben. Nach meiner Einschätzung und auch der von Kolleginnen und Kollegen wird der aktuelle Reform-Ansatz jedoch eher zu einem höheren Bürokratieaufwand führen. Wir sind beispielsweise heute schon gesetzlich verpflichtet, jährliche Qualitätsberichte aufzustellen, und wenn man wie unser Haus etliche Zertifizierungen medizinischer Fachgesellschaften hat, müssen Sie darüber fortlaufend berichten, Audits absolvieren, etc. Das Krankenhaustransparenzgesetz als Teil der Krankenhausreform wird nun eine zusätzliche Qualitätsberichterstattung zur Folge haben – mit Entbürokratisierung hat das nichts zu tun.

Und wie steht es mit dem Reform-Ziel der Entökonomisierung, indem Fallpauschalen durch Vorhaltevergütungen ersetzt werden?

Das Waldkrankenhaus gehört zu den fünf bis zehn Prozent der Krankenhäuser in Deutschland, die aktuell noch schwarze Zahlen schreiben. Aber es gibt viele Krankenhäuser, die wirtschaftlicher Unterstützung bedürfen. Zum Beispiel kleine Häuser mit wenigen Betten in bevölkerungsarmen Gebieten. Auch einzelne Fachbereiche sind grundsätzlich schwer finanzierbar – Notaufnahmen etwa sind extrem schwer kostendeckend zu betreiben. Bei kleinen Häusern, welche die Grundversorgung in einer Region sicherstellen, und auch bei solchen kritischen Fachbereichen könnte man durchaus sagen: Okay, die vergüten wir nicht mehr nach Fällen, sondern einfach dafür, dass sie zur Verfügung stehen – ein Angebot vorhalten – und zahlen dafür einen „Betrag X“. Aber ganz allgemein gesehen halte ich das für den falschen Weg, denn ich halte einen ökonomischen Anreiz in Krankenhäusern durchaus für sinnvoll. Wenn mündige Patienten entscheiden: Ich möchte in ein ganz bestimmtes Haus, weil es einen besonders guten Ruf, eine besonders gute Expertise hat oder es gute Erfahrungen von Freunden und Verwandten gibt – dann sollte ein Krankenhaus, das sich deshalb erhöhter Nachfrage erfreut, auch wirtschaftlich dafür belohnt werden. Solch ein Wettbewerb ist gut für Patienten. Ein Problem sehe ich vielmehr darin, dass das Preis-Leistungs-Verhältnis für medizinische Leistungen in Deutschland grundsätzlich nicht stimmt. Nirgendwo im westeuropäischen Vergleich werden Krankenhausleistungen so gering vergütet wie in Deutschland. Wenn man hier manche Kalkulationslogiken entschärfen und sachgerechte Preise ansetzen würde, dann könnte man auch beim bisherigen System bleiben.

Kurzes Fazit: Wie sehen Sie das Waldkrankenhaus aufgestellt für die anstehende Krankenhausreform?

Als sehr gut aufgestellt. Das eine ist: Wir sind hier vor Ort der einzige Grund- und Regelversorger und daher unverzichtbar. Das andere: Wir haben schon heute hochspezialisierte Fachbereiche und Angebote, die wir weiter ausbauen und durch ambulante Komponenten ergänzen. Am Ende der Reform wird es so sein, dass es weniger Krankenhäuser in Deutschland geben wird, zugleich wird es durch das ansteigende Durchschnittsalter der Bevölkerung eine steigende Nachfrage nach Gesundheitsleistungen, also einen wachsenden Markt geben. Wer von den Häusern übrigbleiben wird, wird zu den Gewinnern gehören. Wir werden ein Gewinner der Reform sein, da bin ich mir sicher.