Frauen in Führung

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Felix von der Osten
Sie sind beim Programm Frauen in Führung dabei: (v.l.) Maria Fuchs, Julia Hübner, Renate Schmitz, Theresia Amelang und Tina Fehse.

Wenn es um weibliche Führungskräfte bei den Maltesern geht, fällt schnell ein Name: Renate Schmitz. Seit 1996 gehört die Volkswirtin der Geschäftsführung der Malteser Werke an. „Frauen können bei den Maltesern im Prinzip alles erreichen; dafür bin ich das beste Beispiel“, sagt die 58-Jährige. „Aber wahr ist auch, dass die Frauendichte von Führungsebene zu Führungsebene abnimmt.“ Dieses Phänomen gibt es nicht nur bei den Maltesern. In vielen Unternehmen dominieren historisch gewachsene Strukturen, die es für Frauen schwieriger machen, Führungsrollen zu übernehmen. So sind viele Leitungsfunktionen nicht auf die Vereinbarkeit von Familie und Beruf ausgelegt. Zusätzlich sorgen unbewusste kulturelle Prägungen dafür, dass Frauen seltener als mögliche Besetzung für eine Führungsposition wahrgenommen werden. Das ist nicht nur für die Betroffenen ein Problem. „Als Malteser können wir auf das Wissen und die Kompetenz von Frauen nicht verzichten, wenn wir weiterhin leistungsfähig und erfolgreich bleiben wollen“, sagt Renate Schmitz. „Wir müssen Frauen passende Strukturen und interessante Perspektiven bieten, um als Arbeitgeberin für sie attraktiv zu sein.“ Deshalb engagiert sich Schmitz als Mentorin im Programm „Frauen in Führung“, das mehr Malteser Mitarbeiterinnen in leitende Positionen bringen will.

16 Frauen aus ganz unterschiedlichen Bereichen

Die erste Runde von „Frauen in Führung“ startete im September 2020. Aktuell läuft der zweite Durchgang des Programms, der insgesamt anderthalb Jahre dauert. Sechzehn Frauen im Alter zwischen Mitte 20 und Ende 40 nehmen daran teil. Sie kommen aus unterschiedlichen Bereichen des Malteser Verbunds und aus dem ganzen Bundesgebiet. Was alle Teilnehmerinnen, oder Mentees, gemeinsam haben: Sie wollen ausloten, ob eine Führungsposition für sie infrage kommt. Dabei werden sie von je einer Mentorin oder einem Mentor begleitet. „‚Frauen in Führung‘ ist kein klassisches Training, bei dem Managementmethoden vermittelt werden“, erläutert Theresia Amelang, Senior-Referentin Bildung, Beratung und Training bei der Malteser Akademie, die das Programm leitet. „Stattdessen können die Teilnehmerinnen herausfinden, ob sie in Führung gehen wollen, welche Rahmenbedingungen sie dafür brauchen, wie sie Netzwerke knüpfen und für ihre beruflichen Ziele nutzen können, und welcher Führungsstil zu ihnen passt.“ Das geschieht zum Beispiel im Rahmen von Präsenz- und Online-Seminaren, regelmäßigen Mentee-Treffen und Praxislaboren, in denen jede Teilnehmerin sich mit einem für sie besonders relevanten Führungsthema beschäftigt. Herzstück von „Frauen in Führung“ ist der Eins-zu-eins-Austausch zwischen jeder Teilnehmerin und ihrer Mentorin beziehungsweise ihrem Mentor. Wie er genau abläuft, legt jedes Tandem individuell fest. Dass sowohl Frauen als auch Männer vertreten sind, sei kein Zufall und sehr hilfreich, meint Theresia Amelang. „Auf diese Weise bekommen sowohl die Mentees als auch die Mentoren die jeweils andere Geschlechterperspektive mit.“ Das habe schon zu manchem Aha-Moment geführt.

Der Rahmen muss stimmen

Besonders spannend wird es, wenn es um die Bedingungen geht, die es Frauen erleichtern würden, eine leitende Position zu übernehmen. Ist Führung in Teilzeit möglich? Lassen sich unterschiedliche Kompetenzbereiche einer Führungsposition auf verschiedene Schultern verteilen? Bei solchen Diskussionen wird ein weiterer Aspekt deutlich, der „Frauen in Führung“ von anderen Programmen unterscheidet: Es geht nicht darum, Frauen fit für althergebrachte Führungsmodelle zu machen. Sondern darum, Leitungspositionen in Zukunft besser auf ihre Anforderungen zuzuschneiden. „Solche strukturellen Änderungen würden Führung für viele attraktiver machen, auch für viele Männer“, glaubt Theresia Amelang.

Um gleiche Chancen für die verschiedenen Geschlechter geht es auch bei der verbundweiten Diversitätsstrategie, die die Malteser derzeit entwickeln. Geschlechtervielfalt ist eine von insgesamt sieben Dimensionen, die dort verankert werden sollen. Wie die Strategie genau aussehen wird, ist noch offen – und alle Mitarbeitenden im Malteser Verbund sind eingeladen, sie mitzugestalten. Gelegenheit dazu gibt es bei verschiedenen Workshops und bei einem Barcamp, das für den Sommer geplant ist. „Mit einem strategischen Diversity Management“, erklärt die Wirtschaftspsychologin Madeleine van Rossum, Leiterin Diversity Management, „setzen wir uns für eine inklusive und vielfaltssensible Arbeitskultur ein, in der sich alle Mitarbeitende in Ehren- und Hauptamt zugehörig fühlen und jederzeit ihr volles Potenzial einbringen.“

Kick-off des Frauennetzwerks war voller Erfolg

Idealerweise führt eine gute Diversitätsstrategie irgendwann dazu, dass Angebote wie „Frauen in Führung“ überflüssig werden. Auf dieses Ziel arbeiten die Malteser konsequent hin. Bis zukunftsfähige Führungsmodelle für alle etabliert sind, hilft das Programm Frauen dabei, ihre Leitungskompetenzen zu entdecken und auszubauen. Und macht sie als potenzielle Führungskräfte sichtbarer für diejenigen, die nach einer geeigneten Besetzung für solche Positionen suchen. Ein neues Frauennetzwerk namens „MaltesHER“ soll das auch Frauen ermöglichen, die nicht am Mentoring-Programm teilnehmen. „‚MaltesHER‘ ist ein offener Raum, in dem Frauen sich ohne Konkurrenzgedanken austauschen und bestärken können“, sagt Madeleine van Rossum. Das Interesse an dem Netzwerk ist groß: Beim digitalen Kick-off am 23. März waren über 200 Malteser Frauen live dabei!

 


Interview: Sprungbrett in die Führung

Tina Fehse, Maria Fuchs und Julia Hübner sind drei von 16 Mentees, die aktuell an „Frauen in Führung“ teilnehmen. Warum sind sie dabei? Und was nehmen sie mit?

Frau Fehse, Frau Fuchs, Frau Hübner, wie sind Sie auf „Frauen in Führung“ aufmerksam geworden?

Tina Fehse: Mein Vorgesetzter hat mich gefragt, ob ich teilnehmen möchte. Zuerst war ich irritiert, schließlich bin ich schon Teamleitung. Aber dann wurde klar, dass das Angebot sich auch an Frauen richtet, die schon in die Führung eingestiegen sind.  

Maria Fuchs: 2019 habe ich die „Kompetenzen erweitern und stärken“-Seminare mitgemacht. Dabei stellte sich heraus, dass ich Führungsqualitäten habe. Also habe ich nach Weiterentwicklungsmöglichkeiten gesucht und das Programm gefunden.

Julia Hübner: Ich habe die erste Runde des Programms begeistert verfolgt. Als die Ausschreibung für den jetzigen Durchgang kam, stand ich sofort mit den Bewerbungsunterlagen bei meinem Vorgesetzten. Er hatte die Ausschreibung natürlich auch gelesen – und wollte mir die Teilnahme vorschlagen.

Was macht die Besonderheit des Programms für Sie aus? 

Hübner: Es ist eine tolle Chance, zu hinterfragen, was einen antreibt, und zu erkunden, ob beziehungsweise unter welchen Bedingungen Führung für jemanden infrage kommt. Großartig ist auch, dass wir in einen Austausch mit vielen unterschiedlichen Führungskräften kommen, die ihre persönlichen Erfahrungen teilen. Es hilft, zu sehen, dass sie sich an früheren Punkten ähnliche Fragen gestellt haben wie wir.

Fehse: Ich finde den intensiven Erfahrungsaustausch mit den Mentorinnen und Mentoren, aber auch mit den anderen Mentees wahnsinnig wertvoll. Wir sind alle mit den gleichen Fragen beschäftigt und unterstützen uns gegenseitig – egal, aus welchem Ort oder Bereich wir jeweils kommen.

Fuchs: Die enge Zusammenarbeit mit meinem Mentor Benjamin Schreiber ist für mich das A und O. Einer so erfahrenen Führungskraft über die Schulter gucken und die eigenen Ideen mit ihr diskutieren zu können, ist eine einmalige Chance.

Welche Highlights haben Sie bisher erlebt?

Hübner: Bei einem unserer Online-Seminare haben Sophie von Preysing und Petra Dierkes vom Erzbistum Köln über ihre Erfahrungen als Führungsfrauen berichtet. Das war superspannend; ich habe seitenweise mitgeschrieben!

Fehse: Ja, die Veranstaltung hätte für mich auch ewig weitergehen können. Außerdem war der Vor-Ort-Besuch bei meinem Mentor Michael Raab in Limburg ein echtes Highlight. Es war sehr beeindruckend, zu sehen, wie breit das Spektrum seiner Führungsaufgaben ist und wie flexibel er sein muss. Das hat mir noch mal deutlich gemacht, worum es bei Führung alles gehen kann.

Warum braucht es ein Mentoring-Programm speziell für Frauen bei den Maltesern? Das Beispiel von Sophie von Preysing oder Renate Schmitz zeigt doch, dass Frauen in der Organisation weit nach oben kommen können.

Fuchs: Das stimmt, aber es sind einfach noch zu wenige Frauen in Führungspositionen. Insgesamt arbeiten ja mehr Frauen als Männer bei den Maltesern, aber ab einer bestimmten Führungsebene sind sie kaum noch vertreten. Dabei wollen viele Frauen führen, aber die Rahmenbedingungen stimmen oft nicht. Es ist wichtig, dass sich das ändert und neue, zukunftsfähige Führungsmodelle entstehen. Nicht nur für Frauen, sondern auch für die neue Generation von Männern, die sich eine bessere Work-Life-Balance wünschen. Wie solche Modelle aussehen könnten, diskutieren wir bei „Frauen in Führung“.

Was nehmen Sie aus „Frauen in Führung“ mit?

Hübner: Für mich hat sich bestätigt, dass ich Führungsverantwortung übernehmen möchte, und ich habe jetzt ein klareres Bild davon, wie das mit anderen Themen in meinem Leben zusammengehen kann. Freiwilliges Engagement spielt eine wichtige Rolle für mich, und vor „Frauen in Führung“ war ich besorgt, wie das zeitlich zusammenpasst. Jetzt denke ich, dass vieles parallel funktionieren kann, wenn wir die notwendigen Bedingungen gestalten – und dass wir diese Bedingungen einfordern müssen.

Fehse: Ich weiß jetzt nicht nur, dass ich führen möchte, sondern habe auch eine Vorstellung davon, wie. Ich möchte eine Führungskraft sein, die Vertrauen in Mitarbeitende setzt, ihre Stärken erkennt und sie gezielt fördert. Ob das so bleibt, wird sich zeigen. Führung ist ja nicht statisch, sondern ein lebenslanger Prozess. Das Programm ist für mich der Anstupser für die weitere Entwicklung.

Fuchs: Für mich hat sich herauskristallisiert, dass ich eher fachlich führen möchte. Ich kann mir gut eine geteilte Führungsrolle vorstellen, bei der fachliche und personelle Verantwortung getrennt sind. Was ich auch erkannt habe, ist, dass ich nicht nur persönlich beruflich weiterkommen will, sondern auch eine zukünftige Arbeitswelt mitgestalten möchte, in der ich selbst gern arbeiten würde. 

Was sollten Frauen wissen, die sich für eine Teilnahme an „Frauen in Führung“ interessieren?

Hübner: Das Programm bietet große Freiräume für die Mentees. Wir können zum Beispiel die Zusammenarbeit mit den Mentorinnen und Mentoren weitgehend selbst gestalten. Das bringt auch Arbeit und Verantwortung mit sich. Wer mit einer Konsumhaltung ins Programm geht, wird vermutlich nicht das Optimum für sich aus dem Angebot herausholen.


Eine Arbeit, die zu mir passt

Warum arbeiten Frauen gern bei den Maltesern? Vier ganz unterschiedliche Mitarbeiterinnen erzählen, was sie jeden Tag aufs Neue motiviert.

Fee Gloning ist ehrenamtliche Zugführerin der Malteser Höhlenrettung: „Die Malteser Höhlenrettung wurde 1986 von Höhlenforschern gegründet, um Höhlenforschern helfen zu können, die in Not geraten sind. Da ich ebenfalls mit Leib und Seele Höhlenforscherin bin, mich gerne mit Technik beschäftige und gerne Menschen helfe, hat das optimal zusammengepasst.“
U. Lenze
Fee Gloning ist ehrenamtliche Zugführerin der Malteser Höhlenrettung: „Die Malteser Höhlenrettung wurde 1986 von Höhlenforschern gegründet, um Höhlenforschern helfen zu können, die in Not geraten sind. Da ich ebenfalls mit Leib und Seele Höhlenforscherin bin, mich gerne mit Technik beschäftige und gerne Menschen helfe, hat das optimal zusammengepasst.“
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Anna Strecker macht eine Ausbildung zur Notfallsanitäterin: „Ich habe mich für die Ausbildung entschieden, weil Notfallsanitäterin ein sehr abwechslungsreicher Beruf ist. Wenn ich zur Arbeit fahre, weiß ich noch nicht, was mich an diesem Tag erwartet. Die Abwechslung spiegelt sich auch in den Kolleginnen und Kollegen und natürlich auch bei den Patientinnen und Patienten wider. Man arbeitet mit vielen verschiedenen Menschen und lernt sie kennen.“
Anna Strecker macht eine Ausbildung zur Notfallsanitäterin: „Ich habe mich für die Ausbildung entschieden, weil Notfallsanitäterin ein sehr abwechslungsreicher Beruf ist. Wenn ich zur Arbeit fahre, weiß ich noch nicht, was mich an diesem Tag erwartet. Die Abwechslung spiegelt sich auch in den Kolleginnen und Kollegen und natürlich auch bei den Patientinnen und Patienten wider. Man arbeitet mit vielen verschiedenen Menschen und lernt sie kennen.“
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Hagar Mohamed leitet den Integrationsdienst in Stuttgart: „Das Schöne ist, den Menschen zu helfen, ihre Fähigkeiten und Kompetenzen zu entdecken. Sie zu befähigen, ihr Leben selbst in die Hand zu nehmen, ihnen neue Perspektiven zu zeigen. Die Arbeit und das Team sind so vielfältig, und es ist toll, dass ich meine eigenen Ideen einbringen und umsetzen kann.“
Vierfussmedia
Hagar Mohamed leitet den Integrationsdienst in Stuttgart: „Das Schöne ist, den Menschen zu helfen, ihre Fähigkeiten und Kompetenzen zu entdecken. Sie zu befähigen, ihr Leben selbst in die Hand zu nehmen, ihnen neue Perspektiven zu zeigen. Die Arbeit und das Team sind so vielfältig, und es ist toll, dass ich meine eigenen Ideen einbringen und umsetzen kann.“
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Jutta Fries, Referentin Ausbildung für die Diözesen Mainz und Speyer: „Ich habe lange die Dienststelle der Malteser in Worms geleitet. Seit Kurzem bin ich Referentin Ausbildung für die Diözesen Mainz und Speyer. Über die neue Aufgabe freue ich mich unglaublich, weil ich den Malteser Spirit jetzt noch besser voranbringen und viele neue Ideen umsetzen kann – zusammen mit all den tollen Menschen, die ich bei meiner Arbeit jeden Tag treffe. Ich hoffe, dass meine Begeisterung ansteckend wirkt.“
Jutta Fries, Referentin Ausbildung für die Diözesen Mainz und Speyer: „Ich habe lange die Dienststelle der Malteser in Worms geleitet. Seit Kurzem bin ich Referentin Ausbildung für die Diözesen Mainz und Speyer. Über die neue Aufgabe freue ich mich unglaublich, weil ich den Malteser Spirit jetzt noch besser voranbringen und viele neue Ideen umsetzen kann – zusammen mit all den tollen Menschen, die ich bei meiner Arbeit jeden Tag treffe. Ich hoffe, dass meine Begeisterung ansteckend wirkt.“
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