Ein Jahr Ukraine-Krieg

Von Vorurteilen und ihrer Überwindung

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Julian Stähle/Malteser

Ein Jahr Krieg in der Ukraine – das macht sprachlos. Es gibt kaum Worte, die so etwas rechtfertigen könnten oder die Situation etwas angenehmer machen.

Aber vielleicht lohnt sich ein Blick auf das Geschehen, das durch den Krieg ausgelöst wurde: Die Hilfsbereitschaft war von Anfang an sehr groß, bei den Maltesern und in der Gesellschaft. Gott sei Dank! Doch es gibt auch Skeptiker, die nicht begeistert waren von weiteren Flüchtlingen in ihrer Heimat. Es galt, Fremden für unbestimmte Zeit Unterschlupf zu gewähren, sie in allen Belangen zu versorgen; und so waren diese Herausforderungen der Gesellschaft auch von Vorurteilen durchdrungen. Vielleicht haben auch Sie diese Situationen in ihrer Arbeit und ihrem Umfeld erlebt?

In einer Kleinstadt im Ruhrgebiet kamen zwei Ukrainerinnen an, die mit ihrem Hund geflüchtet waren, und fanden einen Platz im Haus einer sehr hilfsbereiten Familie. Nach ein paar Monaten mussten die beiden Geflüchteten das kleine Apartment verlassen und umziehen, da sie auf jeden Fall noch weitere Zeit in Deutschland verbringen würden, bis es in ihrem Heimatland wieder sicher ist.

Durch Nachbarschaftskontakte fand sich eine kleine möblierte Wohnung in einem Mehrfamilienhaus, in dem Haustiere auch akzeptiert wurden, endlich! Eine schöne Geste, denn der Hund machte es den beiden Frauen anfangs sehr schwer, überhaupt aufgenommen zu werden.

Die sprachliche Barriere zu den Mitmenschen konnte gut mit Englisch überwunden werden. Dennoch lebten die beiden Frauen eher zurückgezogen und ängstlich, so schien es zumindest, denn man nahm sie wenig wahr.

In der neuen Nachbarschaft gab es „Skeptiker“, die den Einzug der Ukrainerinnen sehr kritisch beäugten. Den Vermietern gegenüber wurden Vorurteile und böse Worte zuhauf geäußert. Wieder einmal erlebt man bei manchen in unserer doch so „fortschrittlichen“ Gesellschaft ein Behaftetsein von Ablehnung. Doch die Zeit kann die Wunden heilen und Grenzen überwinden – ein Hoffnungsschimmer:

Beim Wäscheaufhängen im Gemeinschaftskeller kamen die skeptischen Nachbarn aus Neugierde mit einer der Frauen ins Gespräch und siehe da, der Blick auf die Situation dieser Frauen hat sich verändert. Man ist sich nähergekommen. Die Erkenntnis: Es sind Menschen wie du und ich. Menschen, die Bedürfnisse haben und leider fürchterliche Erlebnisse durch die Flucht und den Krieg in sich tragen. Ein paar Tage nach diesem Kontakt haben sich die Nachbarn ein Herz gefasst und wollen die beiden Frauen unterstützen. Womit fragt man sich? Mit Deutschunterricht, denn das Ehepaar war sein Leben lang als Lehrer tätig.


Zur Autorin

Franziska Quevedo hat viele Jahre Freiwilligendienst in Süd- und Mittelamerika absolviert, bevor sie ihren Weg zu den Maltesern fand. Seit 2022 ist sie Teil des Teams des Geistlichen Zentrums Ehreshoven.