Vor Ort

Reisetagebuch Teil 7: Für den Maisbrei in die Schule

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Patrick Pöhler/Malteser
Die Schulspeisung ist für viele der Grund, überhaupt in die Schule zu kommen.

Am frühen Morgen zeigt sich Äthiopien von seiner schönsten Seite. Mittlerweile hat es sich bei mir eingependelt, dass ich mit weniger als fünf Stunden Schlaf auskomme. Als die Sonne aufgeht, gehe ich auf den Balkon und bin überwältigt. In schönstem rot-orange begrüßt uns die Sonne hinter den Bergen Südäthiopiens. Gut 20 Minuten dauert das Schauspiel um kurz nach sechs.Auch meine beiden Mitreisenden, Katharina Kiecol und Kati Nagel treffe ich auf dem Balkon. Akustisch begleiten uns erste hupende Tuk Tuks.

Gollo, Nuria und ihre Kinder haben durch die Flut ihr ganzes Haus verloren

Nach dem Frühstück fahren wir zu unserem ersten Projekt. Die Malteser unterstützen erst seit einigen Monaten auch die Menschen in Äthiopien. Wir fahren nach Fugugii, einer kleinen Stadt etwas nordwestlich von unserem Übernachtungsort Moyale. Dort treffen wir zunächst eine Familie, die nach der langen anhaltenden Dürre und der anschließenden Flut ihr ganzes Haus verloren hat. Es ist nicht mehr bewohnbar. Direkt neben dem alten Haus bauen sie eine neue Lehmhütte.

Gollo ist 60 Jahre alt, sitzt draußen auf einem Stuhl und gibt Katharina bereitwillig Auskunft über das Leben seiner Familie nach der Flut. Seine Frau Nuria ist 25 Jahre jünger und wir dürfen sie dabei beobachten, wie sie mit ihren Händen den Lehm an die Wand wirft. In der Hütte liegen die wenigen Habseligkeiten, die die Familie noch hat. Teller und Töpfe stehen auf dem Boden, direkt daneben sind zwei alte Matratzen, die bei uns schon längst auf dem Sperrmüll gelandet wären. An der Dachkonstruktion hängen die Kleider. Der knapp 10 Quadratmeter große Raum ist heiß und stickig.

Draußen spielt eines der Kinder mit einem alten Reifen

Draußen spielt eines der Kinder mit einem alten, ausgedienten Reifen. Die Malteser und die Partnerorganisation PACIDA haben die Familie mit Essen unterstützt. Mais, Bohnen und Öl haben zumindest die größte Not gelindert. Es ist eine von vielen Familien, die wir hier unterstützen.

Auf dem Weg zum Auto kommen uns viele Frauen entgegen, die in ihren bunten, traditionellen Kleidern bei uns stehen bleiben. Sie sind so dankbar, sie alle wollen unsere Hände schütteln. Und auch wenn wir ihre Sprache nicht verstehen, funktioniert die Kommunikation. Besonders eine ältere Frau zeigt ihre Dankbarkeit mit eigenen Gesten, die uns sehr berühren. Dabei haben WIR ja eigentlich nicht geholfen.

Den fast Vergessenen eine Stimme geben

Helfen können wir erst jetzt, wenn wir über die Reise zu den Ärmsten der Armen berichten und wir den Menschen am Äquator, die bei all den Problemen auf der Welt fast in Vergessenheit geraten, eine Stimme geben.

Wir fahren weiter zu anderen Familien. Auch sie profitieren von der Unterstützung der Malteser. Sie haben durch die Dürre viele Tiere verloren: Schafe, Kamele und Ziegen. Die Lebensgrundlage ist zerstört. Mit der Essenshilfe können die Menschen zumindest sechs Wochen so weit durchatmen, dass auch bei ihnen der schlimmste Hunger gestillt ist. Und trotz der Armut haben auch die Äthiopier häufig ein Lächeln auf den Lippen.

Es gibt Maismehl mit Öl und einer Paste, die unterernährte Kinder mit zusätzlichen Nährstoffen versorgt

Wir müssen weiter, denn wir sind um 12 Uhr zur Schulspeisung verabredet. Es geht in einen Vorort von Moyale, weiter in Richtung Norden. Als wir das Tor der Schule mit dem Auto passieren, blicken uns aus den Klassenzimmern schon viele neugierige Augenpaare an. Brav und geordnet stellen sich die Schüler zunächst beim Wasserkanister an. „Vor dem Essen Hände waschen nicht vergessen“. Mit Seife werden die Hände gründlich gereinigt, ehe es dann zur Küche geht.

Dort rührt eine Köchin mit einem riesengroßen Stock in einem Topf. Es gibt eine Art Maismehl verrührt mit Öl und einer Paste, die zusätzliche Nährstoffe hat und bei unterernährten Kindern dazu gegeben wird.

Die Schüler nehmen einen Teil ihres Essens mit nach Hause für ihre Familie

Der Direktor der Schule wird uns später erzählen, dass viele Schüler einen Teil des Essens mit nach Hause nehmen, weil es nicht nur für sie die einzige Mahlzeit ist, sondern auch für die Eltern und die Geschwister. Wieder so ein Moment auf der Reise, wo wir alle drei schwer schlucken müssen und versuchen, uns auf unseren Job zu konzentrieren. Das Leben ist nicht fair.

Aktuell nehmen deutlich weniger Kinder am Mittagessen teil, weil vor fünf Tagen erst der Ramadan angefangen hat. Und das bedeutet, dass sie tagsüber nichts essen dürfen. Dabei wurde die Essenausgabe extra in den Mittag gelegt, damit die Schüler zur Hälfte des Tages essen können und die Zeit bis zum nächsten Essen somit nicht ganz so lang ist.

Drei Monate lang können die Malteser die Schule unterstützen, wie es dann weitergeht, ist ungewiss

Für drei Monate können die Malteser die Schule mit dem Geld unterstützen. Wie es dann weitergeht, ist unklar. Und die drei Monate sind bald schon um. Die Vergangenheit hat gezeigt, so erklärt es uns Afewerk, der Direktor, dass die Kinder im Unterricht nicht gut aufpassen, wenn sie nichts gegessen haben. Seit es die Schulspeisung gibt, kommen auch wieder deutlich mehr Schüler in den Unterricht.

Und davon bekommen wir dann auch noch eine Kostprobe. Wir dürfen mit in den Matheunterricht, denn die Schüler machen extra für uns noch eine Zusatzstunde. Wir sind begeistert. Mehr als 70 Schüler bei einem Lehrer, der sehr sympathisch die Klasse mit in die Welt der Mathematik nimmt. Dann ist endlich Schulschluss. Auf dem Weg zurück winken uns viele Kinder zu. Hoffentlich gibt es einen Weg, dass die Schüler weiter unterstützt werden können.

Äthiopien ist ein anderes Land als Kenia: ärmer, aber auch reich an Menschen

Nach einem letzten äthiopischen Kaffee für Kati und Katharina und einem Tee für mich, geht es für uns zurück zur Grenze. Es war wieder eine beeindrucke Erfahrung für uns. Äthiopien ist ein anderes Land als Kenia. Ärmer, aber auch reich an Menschen, die auf ihre Weise ihr Leben meistern. Und mit einer beeindruckenden Natur, die in den schönsten Farben schillert.

Der Grenzübertritt verläuft ohne große Probleme. Gegen 16 Uhr sind wir wieder in Kenia und übernachten ein weiteres Mal in Moyale. Dieses Mal aber eben wieder auf der anderen Seite der Grenze. Nach einem Lunch gönnen wir uns heute einen Wassermelonensaft und beschließen, uns einfach mal in den Garten zu setzen und das Erlebte zu verarbeiten. Und dann will ja noch das Tagebuch weitergeführt werden. Auftrag erfüllt.

Morgen geht es langsam aber sicher wieder in Richtung Nairobi. Aber erst machen wir noch einen Stopp in Marsabit, wo wir die nächste Nacht verbringen werden. Ich werde berichten.


Der Sonnenaufgang über Moyale
Patrick Pöhler/Malteser
Der Sonnenaufgang über Moyale
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Das alte Haus von Gollo und seiner Familie wurde durch die Flut zerstört.
Patrick Pöhler/Malteser
Das alte Haus von Gollo und seiner Familie wurde durch die Flut zerstört.
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Mit den Händen wirft Nuria Lehm an die Wand.
Patrick Pöhler/Malteser
Mit den Händen wirft Nuria Lehm an die Wand.
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Ein alter Reifen als Spielzeug.
Patrick Pöhler/Malteser
Ein alter Reifen als Spielzeug.
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Die Frauen wollen sich bei den Maltesern bedanken.
Patrick Pöhler/Malteser
Die Frauen wollen sich bei den Maltesern bedanken.
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Die Köchin bereitet den Maisbrei für die Schulspeisung vor.
Patrick Pöhler/Malteser
Die Köchin bereitet den Maisbrei für die Schulspeisung vor.
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Vor dem Essen werden die Hände gründlich gewaschen.
Patrick Pöhler/Malteser
Vor dem Essen werden die Hände gründlich gewaschen.
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Für viele Kinder ist die Schulspeisung die einzige Mahlzeit, trotzdem nehmen viele einen Teil mit nach Hause für ihre Familie.
Patrick Pöhler/Malteser
Für viele Kinder ist die Schulspeisung die einzige Mahlzeit, trotzdem nehmen viele einen Teil mit nach Hause für ihre Familie.
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Mit vollem Magen lernt es sich besser.
Patrick Pöhler/Malteser
Mit vollem Magen lernt es sich besser.
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