Vor Ort

Reisetagebuch Teil 10: Letzte Projektbesuche, dann geht es nach Hause

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Patrick Pöhler/Malteser
Marie ist 95 Jahre alt und wohnt in einem kleinen Steinhaus in der informellen Siedlung Mathare.

Der freie Tag gestern hat gutgetan. Einmal auf andere Gedanken kommen, mal was anderes sehen. Abends haben wir uns alle noch einmal wiedergetroffen und sind zusammen essen gegangen. Katharina, Kati, Martin, Justin und ich. Immerhin ist es auch unser letzter gemeinsamer Abend. Denn heute geht es wieder nach Hause.

Doch zunächst besuchen wir noch zwei Projekte. Wir fahren nach Mathare. Mathare ist eine informelle Siedlung (Slum), fünf Kilometer nordöstlich vom Stadtzentrum in Nairobi. Wie viele Menschen hier genau leben, weiß keiner. Schätzungen gehen von mehr als 500.000 Menschen aus, die in einfachsten Wellblechhütten hausen. Die Lebensbedingungen sind äußerst schlecht. Hier gibt es wenige befestigte Straßen, keine Infrastruktur, kein Wasser, kaum Strom und nur öffentliche Toiletten. Manche Hütten werden von Familien bewohnt, andere wohnen allein. Wirklich Platz ist in kaum einer Hütte. Für die Unterkünfte müssen die Bewohner Miete zahlen.

Dreck, Schlamm, hohe Säuglingssterblichkeit und HIV

Während der Regenzeit versinken die Behausungen in Dreck und Schlamm. Die Gefahr von Seuchen ist immens. Die Säuglingssterblichkeit ist hoch, viele Bewohner sind HIV-positiv. Die Sicherheitslage ist angespannt, deshalb lasse ich die Kamera im Hotel, nehme keine Wertgegenstände mit und mache Fotos nur mit dem Handy.

Doch bevor wir in die informelle Siedlung reingehen, schauen wir und ein Krankenhaus in direkter Nahbarschaft an. Auch hier unterstützen die Malteser und unterstützen die lokalen Gesundheitsstrukturen bei der Behandlung der Menschen, die an Tuberkulose erkrankt sind. Außerdem werden schwangere Frauen mit zusätzlichen Lebensmitteln unterstützt.

Überall überfüllte Wartezimmer

Wir sind sehr beeindruckt, mit welcher Motivation die Mitarbeitenden hier ihrer Arbeit nachgehen. Überall, wo wir hinblicken, sehen wir übervolle Wartezimmer. Allerdings, so berichten die Mitarbeitenden, sei heute eher wenig los.

Wir bedanken uns und machen uns auf den Weg in die informelle Siedlung. Es ist eng, wuselig, überall laufen Menschen durcheinander. Rechts und links der Straße sind kleine Geschäfte in den Hütten. An einem Stand wird getrockneter Fisch verkauft. Wir wollen einen älteren Mann besuchen, der schwer krebskrank ist und von den Maltesern Lebensmittel erhält. Wir bahnen uns einen Weg durch verwinkelte Gassen und immer, wenn man denkt, dass es nicht mehr weitergeht, kommt eine neue Weggabelung. Schließlich sind wir am Ziel.

Peter hat Krebs, Vivien ist HIV-positiv

Wir klopfen an einer Wellblechhütte und schauen ins Dunkle. Auf den zweiten Blick erblicken einen Mann, der im Dunkeln auf dem Boden liegt. Peter ist 75 Jahre alt und hat Prostatakrebs. Ihm machen die Preissteigerungen zu schaffen, sodass er sich keine Lebensmittel mehr leisten kann. Er hat von den Maltesern so viel Lebensmittel bekommen, dass es für ihn bis August reicht. Über die frischen Früchte und Öl, dass für ihn mitgebracht wurde, freut er sich sehr.

Wir gehen weiter und besuchen Vivien. Sie ist 28 Jahre alt, hat fünf Kinder und ist HIV-positiv. Sie lebt ebenfalls in einer kleinen Hütte mitten in Mathare. Sie schildert uns ihre Lebenssituation. Ihr Mann ist Bauarbeiter, sie selbst arbeitet als Tagelöhnerin und wäscht die Wäsche für andere Leute. Und dann beeindruckt uns Marie. Marie ist 95 Jahre alt und zeigt uns voller Stolz ihr kleines Zuhause. Sie wohnt in einem kleinen Steinhaus, in dem alle Lebensmittel gut verstaut sind. Der Ratten wegen.

Als sie die Lebensmittel erhält, bricht sie in Tränen aus

Marie hat ein bewegtes Leben hinter sich und ist mit ihren 95 Jahren noch sehr rüstig. Als sie die mitgebrachten Lebensmittel erhält, bricht sie in Tränen aus. Auf dem Weg zurück werfen wir noch einen Blick auf den kleinen Fluss, der durch die Siedlung führt. Er ist braun und völlig verdreckt. Müllberge stapeln sich an seinen Ufern.

Für uns geht es wieder ins Hotel. Eine letzte Dusche, eine kleine Mahlzeit und dann machen wir uns auf den Weg zum Flughafen. Um 22 Uhr 25 geht es mit dem Lufthansaflug LH 591 zurück nach Frankfurt. Für uns endet eine sehr besondere Reise. Eine Reise, die wir alle so schnell nicht verarbeiten und vergessen können.

Zwischen Elend und Hoffnung

Wir haben viel Elend gesehen, Menschen, die quasi nichts haben und von Tag zu Tag leben müssen. Kinder, die nie in die Schule gehen werden und die im Alter von drei bis vier Jahren schon die Familien unterstützen müssen. Familien, die durch die Dürre und die Flut alles verloren haben, was sie besaßen: Kamele, Ziegen, Schafe, Häuser, ihre Ernte. Sie stehen vor dem Nichts.

Aber wir haben auch Hoffnung gesehen. In all den Projekten, wo Hilfsorganisationen tätig sind. Und es ist ein gutes Gefühl, dass sich die Malteser so sehr in Afrika engagieren. Nicht nur in Kenia und Äthiopien, sondern in vielen anderen Ländern auch. Und wir haben die Dankbarkeit erlebt: Die vielen Menschen, die unsere Hände schütteln wollten, weil die Malteser ihnen geholfen haben. Mit Brunnen und sauberem Wasser, mit Lebensmitteln, mit Geld und mit Tieren. Und wir werden das Lächeln der Kinder nicht vergessen. Wie unbefangen sie gespielt haben, wie sie auf uns zugekommen sind, wie oft sie uns zugewunken haben und wie glücklich sie waren, als wir miteinander Fußball gespielt haben.

Das Schicksal der Menschen lässt uns nicht los

Es hat Momente auf dieser Reise gegeben, wo wir alle Tränen verdrücken mussten. Das Schicksal der Menschen lässt uns nicht los und macht es spürbarer und erlebbarer, wenn man es live vor Ort erlebt hat. Mit diesem Tagebuch wollen wir auf die Menschen in Kenia und Äthiopien aufmerksam machen, ihnen eine Stimme geben, damit sie nicht vergessen werden. Denn auch das haben wir ihnen versprochen. Wenn Sie für die Menschen in Ostafrika spenden wollen, machen Sie das gerne hier: https://www.malteser.de/spenden-helfen.

Bevor wir jetzt ins Flugzeug einsteigen und wir das letzte Kapitel des Tagebuchs schließen, möchte ich mich bedanken. Beim Team von PACIDA, das uns über Tage im Norden unterstützt hat, bei Martin Schömburg und seinem Team von Malteser International, die uns schon weit vor der Reise bei vielen administrativen Angelegenheiten geholfen haben und die für uns alles organisiert haben und besonders bei Katharina und Kati, die für mich persönlich großartige Reisebegleiterinnen waren. Es war mir eine große Freude. Vielen Dank. Und dann möchte ich mich natürlich bei den doch sehr vielen Leserinnen und Lesern bedanken, die unser Tagebuch verfolgt haben.

Asante sana na mungu awabariki watu, kwaheri kenya!

 


Das Krankenhaus nahe Mathare
Patrick Pöhler/Malteser
Das Krankenhaus nahe Mathare
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Die Geburtenstation. Die Malteser unterstützen hier schwangere Frauen mit zusätzlichen Lebensmitteln.
Patrick Pöhler/Malteser
Die Geburtenstation. Die Malteser unterstützen hier schwangere Frauen mit zusätzlichen Lebensmitteln.
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Die informelle Siedlung Mathare
Patrick Pöhler/Malteser
Die informelle Siedlung Mathare
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In Mathare stapelt sich der Müll.
Patrick Pöhler/Malteser
In Mathare stapelt sich der Müll.
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Zu Besuch bei Peter.
Patrick Pöhler/Malteser
Zu Besuch bei Peter.
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Vivien lebt mit ihrem Mann und ihren fünf Kindern in der informellen Siedlung.
Patrick Pöhler/Malteser
Vivien lebt mit ihrem Mann und ihren fünf Kindern in der informellen Siedlung.
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Schätzungen zufolge leben hier mehr als eine halbe Millionen Menschen
Patrick Pöhler/Malteser
Schätzungen zufolge leben hier mehr als eine halbe Millionen Menschen
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