Interview

Ehrenamtsreferent: Ehrenamt wandelt sich

/

Andi Weiland/Malteser
Die Kampagne "Fass dir ein Herz" hat junge Menschen überzeugen können, sich für ein Ehrenamt zu begeistern – zum Beispiel im Bevölkerungsschutz, in der Hospizarbeit oder der Integrationshilfe.

Herr Schomacher, was sind Ihre Aufgaben als Referent fürs Ehrenamt?

Die Tätigkeiten unserer Abteilung lassen sich auf drei Bereiche runterbrechen: Ehrenamt fördern, Engagement vernetzen und den Status quo weiterdenken. Konkret gebe ich beispielsweise den ehrenamtlichen Führungskräften in den Diözesen vor Ort Hilfsmittel an die Hand, die ihnen helfen, ihre Engagierten zu unterstützen und zu begleiten. Wenn sie Fragen zum Management ihrer Freiwilligen haben, stehe ich ihnen als Ansprechpartner zur Seite und nehme ihre Themen in unsere Strategie auf. Zusätzlich war ich in unsere große, interne Ehrenamtsbefragung involviert. Ich begleite auch die Ehrenamtsgewinnung, zuletzt im Rahmen der Online-Kampagne „Fass dir ein Herz“.

Was sind die größten Unterschiede im heutigen Ehrenamt verglichen mit früheren Jahrzehnten?

Generell liegt jungen Menschen das freiwillige Engagement auch heute durchaus am Herzen. Gerade im Kontext von Krisen erlebe ich eine große Solidarität. Aber es fällt uns schwerer, Neuzugänge auf Dauer zu halten. Die Menschen bleiben nicht mehr so lange an einem Ort, gerade im urbanen Raum, und sie verschreiben sich einer Sache nicht mehr so langfristig wie früher. Engagements, bei denen man eigenständig und projektweise arbeiten kann, werden immer beliebter. Das Ehrenamt gehört heute auch nicht mehr so selbstverständlich zum Leben dazu wie früher. Wir haben mehr Möglichkeiten bei der Freizeitgestaltung und sicherlich auch eine Tendenz, Eigeninteressen stärker zu verfolgen. Die Leute wollen heute selbst entscheiden, was sie wann und wo tun und wann wieder Schluss ist. Sie haben konkrete Vorstellungen und auch Erwartungen an ihr Ehrenamt.

Wie sehen diese Erwartungen aus?

Neuankömmlinge wollen vor allem etwas Sinnvolles tun und fragen heute sehr genau, wo ihre Hilfe ankommt. Sie erwarten einen dauerhaften Ansprechpartner, was ich durchaus berechtigt finde, sie geben schließlich ihre knappe Freizeit her. Vor 40 Jahren war das Studium längst nicht so verschult wie heute, die Schultage zogen sich nicht bis in den späten Nachmittag. Heute ist die Freizeit bei Schülern und Studierenden ein knappes Gut, also planen sie genau, wo und wie sie diese investieren. Gerade im Katastrophenschutz und Sanitätsdienst haben jüngere Leute auch ein Interesse, Qualifikationen und Zertifikate zu bekommen.

Welche Nachteile bringt die Entwicklung des Ehrenamts mit sich?

Für uns ist es unter den aktuellen Bedingungen schwieriger, die Kontinuität von Diensten und ehrenamtlichen Führungsaufgaben aufrechtzuerhalten. Bevölkerungs- und Katastrophenschutz zum Beispiel erfordern eine gewisse Qualifikation. Wenn wir die Leute ausgebildet haben, möchten wir sie natürlich möglichst lange halten. Auch in den sozialen Diensten ist die langfristige Beziehungsarbeit wichtig.

Sehen Sie im Wandel auch Chancen?

Die Menschen sind flexibler, und wenn wir uns gut darauf einstellen, gewinnen wir gerade in Krisensituationen schneller neue Leute. Im Rahmen der Fluchtbewegung 2015/2016 haben wir spontan via Facebook innerhalb von zwei Stunden ein Dutzend neue Leute rekrutiert, die die Busse mit Neuankömmlingen empfangen haben. Neue Köpfe bereichern uns mit neuen Einsichten und Ansichten und machen uns dynamischer und beweglicher. Mittlerweile decken wir mit unseren Engagierten eine große Bandbreite von Menschen ab. Und: Der Dank derer, denen man geholfen hat, ist nach wie vor ein riesiger Motivator für die Ehrenamtlichen.

Wie arbeiten Sie konkret an der Stärkung des Ehrenamts?

Gemeinsam mit der Malteser Akademie und den Verantwortlichen in den ehrenamtlichen Diensten geben wir den Leuten in den Gliederungen Hilfsmittel und Impulse, damit sie sich eigenständig weiterentwickeln können. Dabei geht es vor allem darum, die Ehrenamtlichen so anzuleiten, dass sie motiviert sind und sich wohlfühlen.


Zur Person

Gereon Schomacher lebt in Berlin und arbeitet seit mehr als 20 Jahren für den Malteser Hilfsdienst. Seit drei Jahren ist er als Ehrenamtsreferent im Generalsekretariat für die Rahmenbedingungen der ehrenamtlichen Arbeit bei den Maltesern zuständig.