Malteser Werke

Abwarten und Schach spielen

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Dirk Jochmann/Malteser
Bereit für den nächsten Zug: Petra Drewitz, Aleksej Litwak, Andrea Froese und Fisaha Gebrezgiabhier (von links) kümmern sich um Sorgen und Langeweile der Bewohnerinnen und Bewohner.

Beim Gang durch die Erstaufnahmeeinrichtung für Geflüchtete in Mönchengladbach kehrt ein Muster immer wieder: das Schachbrett. Auf Tischen in Gemeinschaftsräumen oder sogar im Außenbereich auf dem Rasen. „Viele Bewohnerinnen und Bewohner lernen Schach in ihren Herkunftsländern, und auch bei mir hat die Integration über Schach gut geklappt“, sagt Aleksej Litwak, stellvertretender Betreuungsleiter. Er kam vor über 20 Jahren aus der Ukraine nach Deutschland und ist seitdem in verschiedenen Vereinen unterwegs, war sogar Landesmeister in NRW. Seine Leidenschaft für das weltbekannte Brettspiel hat der 39-Jährige auch in das Einrichtungsprogramm einfließen lassen. Er selbst hat es von seinem Opa gelernt und hatte schon in der Grundschule Unterricht. „Viele der Bewohner und Bewohnerinnen können sehr gut Schach spielen. Es ist schön, wenn man ihnen etwas Gutes tun kann.“

Auch für die Kleinen hat Litwak Unterricht organisiert. Er berichtet, wie gut die Schach-Stunde des ehrenamtlichen Lehrers bei den Kindern angekommen ist: „Als er fragte, welche Züge an der magnetischen Schach-Tafel möglich sind, haben sich fast alle Kinderhände gehoben.“ Und er berichtet von einem Ausflug, den er zusammen mit einem Trainer begleitet hat – dort konnten die Jungen und Mädchen an einem Turnier teilnehmen.

Gutes tun hat viele Gesichter

Petra Drewitz ist im Gewaltschutz-Team der Einrichtung. Neben Papierkram besteht ihr Arbeitsalltag aus Zuhören: Zu ihr kommen Menschen, die die schlimmsten Seiten des Lebens erfahren haben – Folter, Verstümmlung, Zwangsprostitution. „Ich gehe davon aus, dass 90 Prozent der Bewohner und Bewohnerinnen Dinge erlebt haben, die man sich nicht vorstellen kann“, sagt die 45-Jährige. „Viele haben mentale Probleme, sind traumatisiert und kommen von selbst zu uns“, berichtet sie. Aber es gibt auch die aufsuchende Betreuung, bei der das Team zwei Mal pro Woche an Türen klopft und einfach nachfragt, wie es den Menschen geht. Nachfragen? Das klappt oft auf Englisch, oder mit Händen und Füßen: „Manchmal habe ich den Eindruck, dass ich mehr Arabisch verstehe, als so manche glauben würden, weil sich aus Mimik, Gestik und den einzelnen Worten viel erschließen lässt“, erklärt Drewitz. Kommt sie mal nicht weiter, sind Drewitz´ Kolleginnen und Kollegen da – viele von ihnen haben andere Muttersprachen als Deutsch und können weiterhelfen.

Auch wenn sie oft Schlimmes mitbekommt, würde die gelernte Bürokauffrau mit dem Katzen-Tattoo am Handgelenk ihren Job nicht tauschen wollen: „Es ist ein schöner und lebendiger Arbeitsplatz. Die Bewohnerinnen und Bewohner sind sehr dankbar für das bisschen, was wir versuchen zu machen. Im ersten Jahr kam ein älterer Herr aus Afghanistan, mit Krückstock, der britisches Oxford-English sprach, und sich mit Handkuss von mir verabschiedete. Das fand ich total knuffig“, sagt sie und lacht. Drewitz versucht, das meiste aus „dem Bisschen“ herauszuholen, zum Beispiel indem sie einen Weg findet, dass eine 15-Jährige an den Boxsack kann, auch wenn der Fitnessraum eigentlich erst ab 16 Jahren genutzt werden soll. „Sie hat sich so gefreut.“

Chancen geben

Noch einen Zug mehr machen, das können die Malteser. Litwak würde gerne andere Einrichtungen unterstützen, ein Schach-Angebot auf die Beine zu stellen. Drewitz hat dabei mitgeholfen, ein Brettspiel zur Einarbeitung von neuen Mitarbeitenden zu entwickeln, damit sie die mehrere Hektar große Anlage mit ihren 48 Gebäuden und den verschiedenen Bereichen wie Wäscherei, Kiosk und Kleiderkammer kennenlernen. Und Mitarbeitende werden gefördert: Fisaha Gebrezgiabhier ist seit Ende 2016 Malteser und macht gerade seine B-Lizenz als Trainer, finanziert durch die Malteser. So darf er auch das Fitnessstudio beaufsichtigen und beim Training anleiten. Der 29-jährige Eritreer ist selbst geflüchtet und hilft den Menschen gern. „Wenn sie sich hier beschäftigen können, freue ich mich auch“, sagt er und lächelt beim Blick in die Halle, in der über 20 Kinder lautstark den Ball kicken.

Neben den 150 Mitarbeitenden gibt es auch Ehrenamtliche, die sich für die Geflüchteten engagieren. Andrea Froese ist seit drei Jahren die Ehrenamtskoordinatorin der Einrichtung – sie hatte „die Nase voll“ von ihrem Bürojob: „Die Arbeit hier ist so vielfältig und man kann schöne Möglichkeiten schaffen, damit die Bewohnerinnen und Bewohner aus ihrem Trott herauskommen.“ Eigentlich sollten Geflüchtete nach der Registrierung nur zwei Wochen bleiben. Mittlerweile sind es drei bis vier Monate, bis es weiter in eine Zentrale Unterbringungseinrichtung geht. Froese und ihre Ehrenamtlichen sorgen für Abwechslung: durch Bastelstunden, Häkelkurse oder Ausflüge. Die 58-Jährige zeigt stolz ein Foto: Sie hat einer Schwangeren gezeigt, wie sie eine Rassel für ihr Kind häkeln kann. Der Teddy-Kopf mit Halstuch sieht aus wie im Laden gekauft.