Borussiapark: Sanitätseinsatz der Kempener Malteser beim Fußball-Klassiker Deutschland-Italien

Ganz nah dran: Während im Hintergrund das Spiel Deutschland-Italien läuft, beobachten Tanja Wagner-Sparkuhle (l.) und Nicole Jahnen aufmerksam, was sich in den Zuschauerblöcken tut. Foto: Axel Küppers

78. Spielminute, gerade fällt das 1:5 im Fußball-Länderspiel Italien-Deutschland. Die beiden Kempener Malteser-Sanitäterinnen Tanja Wagner-Sparkuhle und Nicole Jahnen stehen fünf Meter von der Eckfahne entfernt am gegnerischen Strafraumnähe. Trotz der überschwappenden Stimmung im ausverkauften Mönchengladbacher Borussiapark am 4. Spieltag der Nations-League-Gruppenphase haben die beiden Einsatzhelfer keine Augen für das erste Tor der Italiener: Der Einsatzleiter im Stadion informiert die beiden Frauen im rot-blauen Malteserdress, dass oberhalb auf der Tribüne ein Besucher einen medizinischen Notfall hat und Hilfe benötigt. Die beiden erfahrenen Sanitäterinnen spurten mit ihrem Einsatz-Rucksack die Treppe hoch. Binnen einer Minute ist der Senior versorgt und kann die letzte Viertelstunde des frenetisch umjubelten 5:2-Siegs der deutschen Elf genießen.

„Natürlich freuen wir uns bei diesem Fußball-Klassiker mit den 44.144 Zuschauern über den höchsten Sieg über Italien seit 83 Jahren. Aber unser Auftrag hier ist zunächst Ersthilfe“, sagt Irmgard Heise. Die ehrenamtliche Geschäftsführerin der Kempener Malteser organisiert seit Jahren die Einsätze im Borussiapark für die Kempener Einsatzkräfte. Sie weiß, dass Fußballspiele auf diesem Niveau nicht nur Erlebnis, La Ola und Fanglückseligkeit ist. „Wir sind die ersten und die letzten im Stadion, dazwischen liegen mindestens fünf Stunden Adrenalin pur“, berichtet Irmgard Heise, die sich seit einem Vierteljahrhundert bei den Maltesern engagiert. Fünf Stunden in voller Montur bei jedem Wetter. Konzentration weniger auf das Geschehen auf dem grünen Rasen, sondern auf die Turbulenzen in den Fanblöcken. Beim Länderspiel Deutschland-Italien kommt herausfordernd hinzu, dass die Sanitäter – als einzige Helfergruppe neben Technikern, Kameraleuten, Fotografen, Ordnern und Betreuern – in der Zone 0 ganz nah dran am Spielfeldrand FFP2-Schutzmasken tragen müssen.

„Au backe, mir schläft gleich der Fuß ein“, sagt Nicole Jahnen nach drei Stunden Stehen in Schutzschuhen mit Stahlkappen. Die 49-Jährige hat einen Achillsehnenriss auskuriert, es ist seit der Verletzung ihr erster Stadioneinsatz. „Setz dich einen Augenblick“, rät ihre Malteserkollegin Tanja Wagner-Sparkuhle, mit der Nicole heute unterhalb der berühmten Nordtribüne im Sanitätseinsatz ist. Man hilft nicht nur anderen, sondern achtet auch untereinander auf sich – das steckt in der DNA der Malteser.

Da es sich nicht um ein Risikospiel wie Gladbach-Köln handelt, vielmehr ein Familienereignis in freundschaftlicher Atmosphäre, müssen Tanja und Nicole heute zumindest keine Helme tragen. „Ein Fan hat sich heute beim Jubeln den Arm ausgerenkt“, beschreibt Irmgard Heise einen bemerkenswerten Zwischenfall, den die Malteser mit einem Stadionarzt oben im Sanitätsraum ruckzuck in den Griff bekommen.

Natürlich, das geben alle sieben Kempener Malteser zu, ist ein Sanitätseinsatz im Borussiapark immer ein besonderer Kick. Ein Foto mit Per Mertesacker und Jochen Breyer vor dem TV-Interview, ein Winke-winke mit einem strahlenden Bundestrainer Hansi Flick, eine spektakuläre Flugeinlage von Welttorhüter Manuel Neuer, ein Fachsimpeln auf dem Rückweg über das Strategietalent eines İlkay Gündoğan oder ein hautnahes Bewundern der rasanten Sturmläufe eines Leroy Sané – das ist eine weitere Belohung für den ehrenamtlichen Einsatz im sozialen Malteser-Auftrag.

„Mama, schick mir ein Foto von Kai Havertz“, schreibt Tanjas 20-jährige Tochter ihrer Mutter kurz nach der Halbzeitpause per WhatsApp. Leider kommt ausgerechnet der Starstürmer des FC Chelsea heute gegen Italien nicht zum Einsatz. Aber auch mit dem Selfie mit Leon Goretzka, der sich an der Seitenlinie eine halbe Stunde warmlaufen darf, findet die Tochter Gefallen. „Der ist ja auch wie wir sozial sehr engagiert“, schreibt Tanja, die in einer Einrichtung für gehandicapte Menschen arbeitet, ihrer Tochter zurück.


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