In den Fokus

Wenn vier von fünf Menschen unter Armut leiden

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Daniel Kothöfer/BDX/Malteser International
Schauspieler Benno Fürmann zeigte sich berührt von den Gesprächen mit den Menschen vor Ort.

Gleich auf dem Vorplatz der Kirche ‚Mar Takla‘ mitten in Beirut steht ein rotweißer Transporter. Auf der im Schatten liegenden Seite ist ein großes Fenster hochgeklappt und es hat sich eine große Menschenmenge davor versammelt. Es sind vor allem ältere Männer und Frauen, die hier an diesem Mittag anstehen, um ein kostenloses Mittagessen aus der mobilen Küche zu bekommen. Im Wagen bemüht sich der Mitarbeiter des libanesischen Malteserordens Abdallah Kehdy, genannt Boudy, möglichst zügig das warme Essen in Tüten zu verpacken und rauszugeben, damit es nicht kalt wird. Je rund 200 Mahlzeiten verteilen Abdallah und seine Kolleginnen und Kollegen täglich, an zwei verschiedenen Standorten in Beirut sowie in Tripoli. Und die Menschen, die hierherkommen, können wählen, ob sie das Mittagessen gemeinsam einnehmen wollen, oder lieber allein zu Hause. 

Rund 80 Prozent der Libanesinnen und Libanesen leben derzeit unterhalb der Armutsgrenze. Devisenkonten wurden eingefroren, Menschen können nicht mehr auf ihre Ersparnisse zurückgreifen und das libanesische Pfund hat 90 Prozent an Wert verloren.

„Die Situation im Libanon hat sich für die Menschen in den vergangenen drei Jahren extrem verschlechtert. Mittlerweile ist die Armut auch in der ehemaligen Mittelschicht angekommen. Selbst Ministeriumsmitarbeitende können von ihrem Verdienst nicht mehr leben“, sagt Mireille Georr von Malteser International in Beirut.

Der Libanon und viele weitere von Krisen gebeutelte Länder sind spätestens seit dem Krieg in der Ukraine in Vergessenheit geraten

Einer, der an diesem Tag ebenfalls vor der mobilen Küche steht und sich interessiert mit den Menschen unterhält, ist Benno Fürmann. Der 51-Jährige ist ein bekannter deutscher Schauspieler, der im Rahmen der Kampagne „InDenFokus“ für drei Tage in den Libanon gereist ist, um sich selbst ein Bild von der Situation in diesem von diversen Krisen gebeutelten Land zu machen. Fürmann ist Teil einer Gruppe Journalistinnen, Journalisten und Prominenter, die die Aufmerksamkeit auf ein Land richten wollen, das nach der Explosion im Hafen von Beirut vor fast drei Jahren aus dem Blick der Öffentlichkeit geraten ist. Durch die Kampagne soll auf die vergessenen Krisen in vielen Ländern weltweit aufmerksam gemacht werden. Die Krise im Libanon ist nur ein Beispiel. Sie steht stellvertretend für viele Krisenländer, die spätestens seit dem Beginn des Kriegs in der Ukraine immer weiter aus den Medien und damit aus dem Bewusstsein der Menschen in Deutschland geraten sind. 

„Ich finde es verheerend, wie viele Menschen in diesem Land leiden, wie viele Menschen in Not sind, wie viele Menschen nichts haben. Aber diese Unterstützung, die ich hier sehe, ob von den Maltesern oder anderen internationalen Organisation ist schön zu sehen“, sagt Benno Fürmann.

In einem Gemeindesaal, gleich hinter der mobilen Küche, sitzen an diesem Tag rund 50 Menschen zusammen. Doch bevor gemeinsam mit den deutschen Gästen gegessen wird, beginnen die Libanesinnen und Libanesen mit einem Gesang, einem Dank an Gott für die Speisen, die sie an diesem Tag erhalten. „Es liegt Liebe in der Luft“, kommentiert der deutsche Musiker MoTrip diese Begegnung. „Ich spüre hier viel Wertschätzung und wenige Grenzen.“

Kein Gedanke an den Ruhestand – und zu wenig Gehalt, um Essen zu kaufen

Virginia Ibrahim gehört zu den Menschen, die hier an diesem Tag ihr Mittagessen aus Reis und Bohnen einnehmen. Sie ist 74 Jahre alt und arbeitet noch immer an einer Schule. In den Ruhestand zu gehen kann sie sich nicht leisten: „Ich lebe ganz allein. Ich habe keine Familie mehr, die mich unterstützt. Aber mein Gehalt, 35 Dollar im Monat, reicht nicht, damit ich mir etwas zu Essen kaufen kann. Das Geld geht für Benzin für den Generator drauf, für Wasser und so weiter. Ich bin auf diese Unterstützung angewiesen.“ Der älteren Frau fällt es sichtlich schwer über ihre Situation zu sprechen, doch abbrechen möchte sie das Gespräch auch nicht. Ihr ist es wichtig, dass sie und die anderen bedürftigen Menschen im Libanon nicht vergessen werden.
Die mobile Küche ist eines von vielen Projekten, die Malteser International im Libanon unterstützt und die vom libanesischen Malteserorden umgesetzt werden. Gekocht wird das Essen in einer eigens angemieteten Küche von Menschen, die auf diesen Verdienst angewiesen sind und so gleichzeitig die Möglichkeit haben, aus der häuslichen Isolation herauszukommen. „Ich bin hier, weil ich positives Feedback von den Menschen bekomme und gleichzeitig auch an sie weitergebe. Ich bin hier, weil ich happy bin“ sagt Abdallah.

„Wir dürfen diese Krise, diese Menschen nicht vergessen“

Benno Fürmann, Schauspieler

„Nachdem ich mit Menschen gesprochen habe, die nur hier etwas zu essen bekommen und ansonsten keinerlei Unterstützung haben, bin ich berührt und traurig. Aber gleichzeitig finde ich es so inspirierend die Menschen zu treffen, die hier arbeiten, die hier den Menschen zur Seite stehen, die einen Unterschied im Leben der Menschen machen. Wir dürfen diese Krise, diese Menschen nicht vergessen“, sagt Benno Fürmann.


#IndenFokus

Die Kampagne #InDenFokus wird von den Johannitern organisiert und vom Auswärtigen Amt unterstützt. Neben Malteser International sind 29 weitere Organisationen an der Kampagne beteiligt. Im Fokus stehen Menschen aus den Ländern Libanon, Südsudan und Bangladesch. Aber auch viele weitere Länder sind in Vergessenheit geraten. Mehr Information zu der Kampagne, die am 5. Mai begonnen hat, gibt es auf der Seite: www.indenfokus.de

Eine Gruppe Journalisten und Prominenter hat den Libanon besucht, um darauf aufmerksam zu machen, dass es Krisen gibt, die in der Öffentlichkeit kaum noch wahrgenommen werden.
Daniel Kothöfer/BDX/Malteser International
Eine Gruppe Journalisten und Prominenter hat den Libanon besucht, um darauf aufmerksam zu machen, dass es Krisen gibt, die in der Öffentlichkeit kaum noch wahrgenommen werden.
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Die mobile Küche ist eines von vielen Projekten, die Malteser International im Libanon unterstützt.
Daniel Kothöfer/BDX/Malteser International
Die mobile Küche ist eines von vielen Projekten, die Malteser International im Libanon unterstützt.
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Die 74 Jahre alte Virginia Ibrahim arbeitet an einer Schule - und kann sich kein Essen leisten.
Daniel Kothöfer/BDX/Malteser International
Die 74 Jahre alte Virginia Ibrahim arbeitet an einer Schule - und kann sich kein Essen leisten.
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Fürmann: „Ich finde es verheerend, wie viele Menschen in diesem Land leiden."
Daniel Kothöfer/BDX/Malteser International
Fürmann: „Ich finde es verheerend, wie viele Menschen in diesem Land leiden."
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