Vor Ort

Reisetagebuch Teil 3: Der Brunnen ist leer

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Patrick Pöhler/Malteser
Was ein Brunnen für die Menschen vor Ort bedeutet, zeigt sich, wenn er mal nicht funktioniert. Der Wasserspiegel ist zu niedrig. Um Wasser zu holen, müssen die Bewohner von Illeret mehrere Stunden lang schwer beladen laufen.

Früh am Morgen starten wir an Tag 3 unserer Kenia/Äthiopien-Reise wieder in unser Projektgebiet nach Illeret. Nach einer kurzen, aber erholsamen Nacht holen die Kollegen von PACIDA uns bereits um 6 Uhr, also mit Sonnenaufgang, an der Unterkunft ab.

Neun Quadratmeter für Balle Lokono und ihre fünf Kinder

Wir wollen noch einmal zurück zu der Frau, die uns gestern schon einmal in ihre Hütte gebeten hatte. Balle Lokono ist 54 Jahre alt und Witwe. Wir dürfen dabei sein, wie sie früh morgens das Feuer in ihrer „Küche“ entfacht und den Tee kocht. Ihre Hütte ist ein Rundbau aus Ästen, die mit Wellblech und Tüchern verkleidet sind. Rund neun Quadratmeter misst ihr Haus. Auf dem Boden liegen Matten, auf denen sie mit ihren fünf Kindern schläft. Möbel gibt es keine. In einer Ecke hat sie ihre Feuerstelle eingerichtet.

Nachts darf das Ziegenkitz in der Hütte schlafen. Und dann zeigt sie uns, wie sie die Ziegen melkt, damit sie Milch für die Kinder hat. Einige Kinder trinken direkt die Milch aus dem Euter.

Danach gehen wir weiter auf die andere Seite der Straße, wo viele weitere einfache Hütten stehen. Wir wollen uns ein von den Maltesern finanziertes Projekt ansehen, dass es den Menschen durch Solarkraft ermöglicht, Wasser aus einem Brunnen zu pumpen, damit sie direkt in ihrem Dorf Wasser holen können. Doch heute gibt es ein Problem. Das Wasser fließt nicht. 

So habe ich mir das Wasserholen nicht vorgestellt

PACIDA, unsere Partnerorganisation, ruft einen Techniker, der sich dem Problem annehmen soll. Die Diagnose: Der Wasserspiegel ist zu niedrig. Also müssen vor allem die Frauen und Kinder wieder viele Kilometer laufen, um morgens und abends einen 20 Liter Kanister zu füllen. Nicht selten laufen sie vier Stunden täglich. Wichtig also, dass es bald ausgiebig regnet.

Wir schauen uns an, wie die Menschen aus diesem Dorf ohne Brunnen Wasser holen. Dort sitzen Kinder und Frauen und haben Löcher in den Sand gebuddelt. Hier schöpfen sie aus 50 Zentimeter Tiefe Wasser in kleine Gefäße und von dort aus in kleine, dann in große Kanister. Den letzten Rest aus dem kleinen Gefäß schütten sie weg, weil das Wasser zu viel Sand enthält. Und so sitzen die Frauen und Kinder stundenlang in der prallen Sonne, die heute erbarmungslos von Himmel scheint.

Ich werde gebeten einer Frau einen vollen 20 Liter Kanister auf den Kopf zu heben. Ich mache das gerne, merke aber auch, wie schwer er ist. Freundlich lächelnd dankt sie mir und macht sich auf den Weg in ihr Heimatdorf. Während mir der Kanister nach wenigen Metern vom Kopf gefallen wäre, läuft sie mühelos, ohne den Kanister festzuhalten, ihres Weges. So habe ich mir das Wasserholen irgendwie nicht vorgestellt.

Auch heute lächeln uns die Kinder an, wollen uns mal eben berühren oder freuen sich, wenn wir ihnen zuwinken. Sie sind ganz fasziniert von unseren Smartwatches und wollen alle mal drüber wischen, weil die Ziffernblätter sich verändern.

Drei Lehrer und sechs Volunteers für 850 Schüler

Wir kommen zurück zu unseren Autos und gehen vorbei an mehreren Bäumen, die dort vor einigen Jahren durch die Malteser gepflanzt worden sind. Sogenannte Neemtrees. Sie wachsen schnell und spenden den Menschen Schatten. Gerade an Tagen wie heute, wo die Sonne immer wieder unerbittlich scheint, ein willkommener Platz für die Menschen, aber auch für uns. Und dann kommen Eindrücke, die uns den ganzen Tag beschäftigen. Wir fahren weiter zu einer Schule, die wir mit Essen unterstützen. 850 Kinder gehen hier zur Schule. Verantwortlich für den Unterricht sind genau DREI (!) Lehrer und sechs Volunteers.

Wir kommen pünktlich um 12.40 Uhr zur Schulspeisung. Die meisten Kinder tragen eine Schuluniform: blaue Hosen und rosafarbene T-Shirts. Die Klassenräume sind einfach und schlicht, es gibt maximal Frontalunterricht. Viele Kinder werden in die Schule geschickt, weil sie dort etwas zu essen bekommen. 


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In einem einfachen Raum rührt eine Frau in einem riesengroßen Topf Bohnen und Mais. Je näher wir dem Topf kommen, der auf einer großen Feuerstelle steht, desto heißer und unerträglicher wird es für uns. Und dann wird das Essen in Eimer umgetopft und nach draußen gebracht. Dort sitzt die Köchin und verteilt mit einer Kelle das Essen an die Kinder. Die stehen brav aufgereiht nebeneinander und haben im Optimalfall einen Becher oder eine Art Brotdose dabei. Viele haben aber auch nur eine Flasche aufgeschnitten, den Deckel drauf und halten ihr die kaputte Flasche zum Einfüllen dahin. Gegessen wird im Schatten und mit den Händen.

Als Vater von zwei Kindern, mit denen ich täglich über das Essen diskutiere, machen die Eindrücke sehr nachdenklich

Als Vater von zwei Kindern, mit denen ich täglich über das Essen diskutiere, machen die Eindrücke sehr nachdenklich. Und trotzdem sind die Kinder "privilegiert", weil sie mittags eine Mahlzeit bekommen, im Gegensatz zu all den anderen Kindern, die nicht in die Schule gehen.

Und dann ist da wieder der Kontrast. Wir fahren zurück in unsere Unterkunft, bekommen unser Lunch und nehmen eine kurze Dusche. Und dann müssen wir das alles erstmal verarbeiten. Jeder auf seine Weise, ich durch das Schreiben. Wir bereiten uns schon mal auf den nächsten Tag vor. Es geht über acht Stunden wieder zurück und weiter Richtung Äthiopien. Doch dann kommt über Nacht der Regen. Und was das für uns bedeutet, davon berichte ich beim nächsten Mal.

Mais und Bohnen zum Mittagessen: Viele Eltern schicken ihre Kinder wegen der Verpflegung in die Schule.
Patrick Pöhler/Malteser
Mais und Bohnen zum Mittagessen: Viele Eltern schicken ihre Kinder wegen der Verpflegung in die Schule.
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Kinder und Frauen haben Löcher in den Sand gebuddelt. Hier schöpfen sie aus 50 Zentimeter Tiefe Wasser in kleine Gefäße und von dort aus in kleine, dann in große Kanister.
Patrick Pöhler/Malteser
Kinder und Frauen haben Löcher in den Sand gebuddelt. Hier schöpfen sie aus 50 Zentimeter Tiefe Wasser in kleine Gefäße und von dort aus in kleine, dann in große Kanister.
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Ein Privileg: Wasser in Flaschen im Auto zu haben, bekommt hier eine völlig neue Bedeutung.
Patrick Pöhler/Malteser
Ein Privileg: Wasser in Flaschen im Auto zu haben, bekommt hier eine völlig neue Bedeutung.
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