Porträt

Initiator, Katalysator, Motivator – oder einfach: Der Mann fürs Neue

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Stefan Markus
Günter Hupperich

1972 kam er, nach einem Jahr hauptamtlich in der Diözesangeschäftsstelle Köln, als achter Mitarbeitender in das Generalsekretariat des Malteser Hilfsdienstes, damals noch in der Kölner Kyffhäuserstraße. Ehrenamtlich war er schon 1964, mit 15 Jahren, als Messdiener über einen Erste-Hilfe-Kurs zu der jungen Hilfsorganisation gekommen und absolvierte dort unter anderem die Ausbilderschulung. Was dann kam, war über fünf Jahrzehnte hinweg ein beruflicher Werdegang in engster Verbindung mit dem Wachstum des Hilfsdienstes, das er als Initiator und Katalysator diverser Kerndienste an vielen Stellen prägte: Schwesternhelferinnen- und Erste-Hilfe-Ausbildung, Auslandsarbeit, soziale Dienste wie etwa Hausnotruf, Rückholdienst, Malteser Service Center Köln/Oestrich-Winkel, Hospiz-Bildungsstätte Bad Kreuznach, die Zentralen Schulungen in Köln-Hohenlind als erstes Tagungshaus der Malteser in eigener Trägerschaft und schließlich auch das Beschaffungs- und Versicherungswesen: Bis zum Ende seiner aktiven Zeit 2009 war Günter Hupperich immer wieder gefragt, wenn eine Führungskraft für die Entwicklung oder Konsolidierung eines Fachbereichs gesucht wurde.

Zu Beginn: Zeiterfassung „persönlich“

Einiges war in den 70er Jahren schon anders als heute, wie der 74-Jährige erzählt. So arbeitete der Abteilungsleiter Ausbildung in der Kyffhäuserstraße in einem Büro von gerade mal 12 Quadratmetern, die dienstliche Zeiterfassung erfolgte persönlich – „Man  ging morgens zum Generalsekretär, gab ihm die Hand und sagte ‚Guten Morgen‘, und abends ging man wieder rein und sagte ‚Auf Wiedersehen‘“ – und wenn die „Malteser Mitteilungen“ an die Mitglieder verschickt wurden, saßen alle mit dem Generalsekretär Georg von Truszczynski um einen Tisch und tüteten die über tausend Hefte ein.

Bei den Schwesternhelferinnen vorne

Anfang der 70er-Jahre bildete der Malteser Hilfsdienst jährlich rund 7.000 Schwesternhelferinnen und Pflegediensthelfer aus. Unter der Leitung von Günter Hupperich steigerte sich die Zahl bis auf jährlich 20.000 in den 90er-Jahren. Als Mitherausgeber startete er schon 1971 die „SH-Korrespondenz“ als Quartalsschrift für die Schwesternhelferinnen und ließ bald darauf als erste der Hilfsorganisationen die Schwesternhelferinnen per EDV erfassen, sodass sie ohne manuellen Aufwand zu Fortbildungen eingeladen werden konnten. Und dann war da noch die – freundschaftliche – Konkurrenz zum Roten Kreuz. „Das DRK war in der Zahl der SH-Ausbildungen immer an erster Stelle gewesen. Da entwickelten wir einen gewissen Ehrgeiz zu überholen und haben es dann tatsächlich irgendwann geknackt!“

Die Größten im Rückholdienst

Und auch im Rückholdienst, den er ab 1981 aus den Ambulanten Fahrdiensten in Frankfurt und Köln entwickelte und von 1986 als eigenen Dienst bis 2003 neben anderem leitete, brachte Günter Hupperich die Malteser an die Spitze. „Als Generaldienstleister für den ADAC und mit weiteren Kooperationspartnern aus dem Versicherungswesen sowie nationalen und internationalen Assistance-Gesellschaften waren wir mit jährlich 10.000 bis 12.000 boden- und 500 luftgebundenen Einsätzen in Deutschland einer der größten Leistungserbringer.“

Im Auslandseinsatz

Viele haben Günter Hupperich als Leiter der Dienststelle Hohenlind mit der Verantwortung für den Rückholdienst einschließlich der 24/7-besetzten Rückholdienst-Zentrale, den Zentralen Schulungen und den gesamten Ausbildungsbereich kennengelernt. Doch ihn selbst haben auch seine Auslandseinsätze wie etwa 1976 in Italien bei der Erdbebenkatastrophe in Friaul oder 1978 für die Boat People aus Südvietnam im südchinesischen Meer geprägt. Und dann war da noch die Dürre-Katastrophe 1974 in Äthiopien, die er nie vergessen wird.

Das „Lager der kriechenden Säcke“

„Ich war nur kurz, 36 Stunden, in unserer Ambulanzstation in der äthiopischen Provinz Wollo, weil eine wichtige Entscheidung vor Ort zu treffen war. Dort betreute unser medizinisches Team 60.000 Flüchtlinge in einem abgeschlossenen Areal, das ‚Lager der kriechenden Säcke‘ genannt wurde. Unser Team durfte über Nacht nicht im Lager bleiben, sodass es jeweils nur am Morgen sah, wie viele Menschen die Nacht nicht überlebt hatten und vom Militär nach draußen gebracht werden mussten. Über Säuglinge und Kleinkinder hat man Reissäcke gelegt, damit die Fliegen sich nicht an Augen und Mund ansiedelten und Maden ablegten. Die Kinder bewegten sich natürlich – daher das Bild der „kriechenden Säcke“. Und wenn ein Sack sich nicht mehr bewegte, war es oftmals so, dass das Kind darunter tot war.“

Ehrenamt an erster Stelle

Auch wenn Günter Hupperich nach einer Auslandsreise sogar eine Flugzeugentführung direkt im Flieger miterlebt hat, beeinträchtigen solche Ereignisse für ihn in keiner Weise die vielen wertvollen Erlebnisse und Erfahrungen in seinem langen Malteser Leben. Und da stehen die Ehrenamtlichen an erster Stelle: „Die Arbeit mit den Ehrenamtlichen, die Bildungsarbeit mit ihnen war für mich in den vielen Jahren immer ganz wichtig und unwahrscheinlich motivierend gewesen. Ob es die Generaloberinnen, die Diözesanoberinnen gewesen sind, die Diözesanärzte, die Beauftragten. Für sie bin ich bis zu 36 Wochenenden im Jahr unterwegs gewesen. Aber das waren Veranstaltungen, da wusste ich, was ich tat und wofür ich es tat.“


25 000 Schwesternhelferinnen bildete der Malteser Hilfsdienst bis 1971 aus.
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25 000 Schwesternhelferinnen bildete der Malteser Hilfsdienst bis 1971 aus.
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Schwesternhelferinnen-Ausbildung in den achtziger Jahren
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Schwesternhelferinnen-Ausbildung in den achtziger Jahren
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„Flugfunk, Fernschreiber, Telekopierer und EDV-Ausstattung“: Modernstes technisches Gerät der 80er-Jahre in der ersten Rückholdienst-Einsatzzentrale in Köln
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„Flugfunk, Fernschreiber, Telekopierer und EDV-Ausstattung“: Modernstes technisches Gerät der 80er-Jahre in der ersten Rückholdienst-Einsatzzentrale in Köln
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Ein Rückholdienst-Plakatmotiv aus den 90er-Jahren
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Ein Rückholdienst-Plakatmotiv aus den 90er-Jahren
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Äthiopien 1974: Täglich wurden unterernährte Kinder und auch Erwachsene in die Malteser Ambulanz gebracht.
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Äthiopien 1974: Täglich wurden unterernährte Kinder und auch Erwachsene in die Malteser Ambulanz gebracht.
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Die ganz besondere Würdigung: Zum Verabschiedungsempfang holten Malteser Weggefährten Günter Hupperich und seine Frau mit Oldtimern zu Hause ab und brachten sie in die Kommende nach Ehreshoven.
Stefan Markus
Die ganz besondere Würdigung: Zum Verabschiedungsempfang holten Malteser Weggefährten Günter Hupperich und seine Frau mit Oldtimern zu Hause ab und brachten sie in die Kommende nach Ehreshoven.
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