Freiwilligendienste

Freiwilliges Engagement fördern

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Joachim Gies
Sabine Ulonska hat in mehr als 30 Jahren Freiwilligendienste gesellschaftliche Veränderungen hautnah miterlebt.

Anfang der 90er-Jahre: Sabine Ulonska hat ihr Referendariat im Schuldienst abgeschlossen. Zur falschen Zeit. Kein Lehrermangel, sondern Überfluss. Es gibt keine freien Stellen. Dafür die neuen Bundesländer, und dort jede Menge zu tun, zum Beispiel den Zivildienst einzuführen. Ulonska geht daher – wie viele arbeitslose Lehrer - zum Bundesamt für den Zivildienst, und bearbeitet dort Anträge von Einrichtungen, die Zivis beschäftigen wollen – auch die der Malteser. Eine Stellenausschreibung der Malteser 1992 für jemanden „mit Kenntnis im Zivildienst und didaktischer Qualifikation“ scheint wie für sie geschaffen: sie startete als Referentin in der Zivildienstverwaltungsstelle der Malteser. Und bleibt mehr als 30 Jahre lang. Erlebt mit, wie der Zivildienst erfolgreicher denn je wird, dann die Zahlen abflauen, er mit Aussetzung der Wehrpflicht vollständig verschwindet.

Bei der anschließenden Schaffung des Bundesfreiwilligendienstes spielen die Malteser eine aktive Rolle, Ulonska ist die Sachverständige der Bundesregierung im Anhörungsverfahren zur neuen Gesetzgebung. Heute sind die Freiwilligendienste Bundesfreiwilligendienst und  Freiwilliges Soziales Jahr eine Konstante der Malteser mit jährlich rund 900 überwiegend jungen freiwillig Engagierten. 90 Prozent dieser Freiwilligen sagen am Ende: Es war ein gutes Jahr bei den Maltesern. 40 Prozent können sich eine hauptamtliche oder ehrenamtliche Zukunft bei den Maltesern vorstellen. 

Ihr Wunsch: Das freiwillige Engagement stärker fördern

Nach mehr als 30 Jahren blickt Ulonska auf ein großes Erfahrungswissen zum Thema Pflicht- und Freiwilligendienste zurück: „Die Frage ist doch, wo wir als Gesellschaft hinwollen. Und ob es nicht besonders das freiwillige Engagement ist, das wir fördern sollten – denn da gibt es noch viel Luft nach oben: Teilzeit, kostenlose Fahrtickets, stärkere Anerkennung eines Freiwilligendienstes bei der Studienplatzvergabe, Verkürzung von Ausbildungen bei vorrangegangenem einschlägigen Freiwilligendienst, vergünstigte Eintritte zu Kino und kulturellen Veranstaltungen und, und, und . In der Anerkennungskultur haben wir noch längst nicht alles ausgeschöpft.“


Wer weiß, was da noch kommt? Ulonska wird es aus dem Ruhestand sicher mitverfolgen, wobei sie auch noch andere Pläne hat: Ein eigenes Pferd, Klavierunterricht und Chorsingen. Ihren Bereich weiß sie in guten Händen – denen von Barbara Caron, die sie schon lange kennt, und für die die Stelle als Abteilungsleiterin Freiwilligendienste wie geschaffen scheint. 


Berufsstart mit einem Freiwilligen Sozialen Jahr

Angefangen hat Caron schließlich nach dem Abi selbst mit einem Freiwilligen Sozialen Jahr, bei der Einzelfall- und Familienbegleitung der Caritas in Koblenz. „Ich war in einem sozialen Brennpunkt und habe zum ersten Mal von Wohnungen gehört, die kein eigenes Bad hatten. Da merkt man erst, wie privilegiert man ist. Aber auch, wie viel man erreichen kann. Ich war in der Hausaufgabenbetreuung eingesetzt und eines Tages rief mich eine Lehrerin an, die begeistert war, dass der Schüler, den ich betreut habe, auf einmal lesen konnte.“

Die Erfahrungen motivierten sie, Sozialpädagogik zu studieren. Nach dem Studium landete sie bei den Maltesern in der Abteilung Freiwilligendienste. Und so schön das auch war, fiel ihr doch auf, dass auf der Führungsebene nur wenige Menschen mit einem Studienabschluss wie ihrem zu finden waren, dafür umso mehr mit Kenntnissen in Betriebswirtschaft. Caron entschloss sich, neben dem Job ihren Master in Business Administration zu machen. „Das schaffen Sie eh nicht, das schafft nie jemand mit einem Abschluss wie Ihrem“, sagte ihr am Anfang ihr Professor. Sie lernte morgens vor der Arbeit und abends danach, schrieb eine Abschlussarbeit darüber, wie man Freiwillige an die Malteser binden kann und bewies, dass ihr Professor Unrecht hatte. Und übernahm im Anschluss die Leitung eines Malteserstifts, das sich noch im Rohbau befand. 

Nach der Seniorenheimleitung machte sie Station im Betreuten Wohnen – und dann kam die Anfrage, ob sie nicht wieder in den Freiwilligendienst zurückkehren wolle. Sie wollte. Und jetzt? „Sabine Ulonska hat das 30 Jahre lang gemacht, da gibt es ganz viel, was ich noch kennenlernen muss und ganz viel Historie. Und ich bin der Meinung, man muss einen Bereich verstanden haben, bevor man etwas ändert“, sagt sie. Zu tun gibt es auch so genug: In diesem Jahr will sich der Bereich darauf konzentrieren, wie der Bereich Wohnen und Pflegen durch Freiwilligendienste unterstützt werden kann. Außerdem steht anlässlich des Jubiläums noch eine Fachtagung Inklusion an. Und vielleicht kann sie Sabine Ulonska ja doch noch überreden, neben Pferd, Klavier und Chor einen Freiwilligendienst abzuleisten.