Demenz

„Das kann doch nicht so schwer sein!“

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Anna-Sophie Schedler / Malteser
Der Demenzparcours fordert das Gedächtnis eines jeden Teilnehmenden heraus.

Assunta Gräfin Huyn ist neugierig, sie kannte den sogenannten Demenzparcours nicht und kommt „blind“ ins Forum der Zentrale, wo die Fachstelle das Thema Demenz für die Mitarbeitenden durch das praktisch anwendbare Tool von "Hands on Dementia" aufbereitet hat. „Es ist beeindruckend, wenn man erfährt, wie ein Mensch mit Demenz eine alltägliche Aufgabe sieht, und wenn man merkt, was in einem vorgeht. Besonders die Scham kann ich verstehen. Man merkt richtig, wie ´die andere Seite´ aussieht, denn ich war selbst Angehörige eines Menschen mit Demenz“, sagt sie.

Der Demenzparcours stellt die Mitarbeitenden der Zentrale in Köln an 13 Stationen vor verschiedene Herausforderungen, durch die alltägliche Probleme eines Menschen mit Demenz erfahrbar werden: Die Teilnehmenden versetzen sich in die Lage von Erna Müller, die vom Frühstück bis zum Abendessen so einigen Hürden begegnet. Um eingeschränkte oder fehlende geistige und körperliche Fähigkeiten zu simulieren, werden viele der Aufgaben spiegelverkehrt durchgeführt oder durch andere erschwerte Bedingungen verschärft. Wenn man die eigenen Hände nur im Spiegel sieht, während man mit einem eigentlich zu flachen Löffel Murmeln in Plastikbecher befördern soll, ohne diese zu berühren, geht das Abendessen nicht mehr so selbstverständlich von der Hand in den Mund.

„Ich musste mich wirklich konzentrieren“, erklärt Gräfin Huyn. Selbst wenn die Aufgabe schaffbar ist, erfordert sie doch deutlich mehr Anstrengung, als man es erwartet oder gewohnt ist – und als Menschen mit Demenz aufbringen können.

Der Vorstand gibt auf

„Man ist schnell frustriert“, sagt Vorstand Ulf Reermann, als er wiederholt erfolglos versucht, die Murmeln auf den Löffel zu befördern. Er bestätigt, dass die Aufgaben nicht leistbar oder verwirrend sind. Im Selbstversuch erfährt er, wie Hilfslosigkeit und wachsende Ungeduld sich andeuteten – Emotionen, die für Menschen mit Demenz im Alltag dazugehören. So ist es für die Veranstalterinnen der Fachstelle Demenz nicht verwunderlich, dass die meisten der über 80 Teilnehmenden aufgeben, ohne die Aufgaben zu beenden.

Auch Vorstandsvorsitzender Dr. Elmar Pankau beschreibt seine Gefühle mit Ohnmacht, Hilfslosigkeit, Frustration. „Aber ich hatte auch ein Gefühl des Erfolgs, als es endlich klappte.“ Er wusste, was auf ihn zukommen würde, ist schließlich aber auch überrascht: „Es ist spannend, dass nicht nur ein Gefühl für Demenz entsteht, sondern auch für andere Einschränkungen des Alters.“ Wenn das Sehen oder motorische Fähigkeiten nachlassen, erschwert es eine alltägliche Aufgabe zusätzlich. Zu große Handschuhe beim Zuknöpfen eines Kittels oder eine die Sicht behindernde Brille beim Fangen eines Balls zeigen realistisch und nachvollziehbar, wie sich eine Gelenkkrankheit oder schlechtes Sehen anfühlen – was im Alter oft zur Demenz hinzukommt.

Andere Parcours-Teilnehmende berichten, dass sie den Parcours als frustrierend und überfordernd empfinden. Gefühle von an Demenz erkrankten Menschen, die Konsequenzen haben: „Wenn so etwas einfaches wie mit Gabel und Messer essen nicht mehr funktioniert, verliert man auch den Appetit und isst im schlimmsten Fall gar nicht mehr“, erklärt Nina Basteck, die Leiterin der Fachstelle Demenz.

Verständnis fördern

Der Parcours macht Demenz erfahrbar und führt dadurch zu mehr Verständnis für Menschen mit Demenz: „Ein gebrochenes Bein und das Laufen auf Krücken kann man erst nachvollziehen, wenn man selbst schon mal ein gebrochenes Bein hatte“, erläutert Nina Basteck. Der Demenzparcours biete nicht nur für beruflich Pflegende eine Möglichkeit der Selbsterfahrung, sondern auch für Angehörige. Denn auch Familienmitglieder sind indirekt durch die Demenz betroffen. Negative Gefühle und Ungeduld entstehen oft nicht nur im Menschen mit Demenz, sondern auch bei Angehörigen, die nicht nachvollziehen können, warum alltägliche Dinge wie das Anziehen oder Einkaufen irgendwann nicht mehr funktioniert. In den Broschüren, die den Aufgaben des Parcours erläuternd beigelegt sind, werden Teilnehmende mit Sätzen wie „Aber das konntest du doch früher auch!“ oder „Das kann doch nicht so schwer sein!“ konfrontiert. Zusätzlich fordert die Persönlichkeitsveränderung eines Menschen mit Demenz Angehörige emotional heraus. Die Selbsterfahrung durch den Demenzparcours fördert das Verständnis und damit die Beziehung zueinander.


Die Malteser Demenzkompetenz

Im Vordergrund steht die Würde des Menschen, der verdient hat, dass man ihm hilft. Drei Faktoren sind den Maltesern dabei besonders wichtig: Haltung, Wissen, Handeln. Der Expertenstandard „Beziehungsgestaltung in der Pflege von Menschen mit Demenz“ des Deutschen Netzwerks für Qualität in der Pflege liefert dazu eine nützliche wissenschaftliche Basis, die in der Praxis erprobt ist und die Beziehungsgestaltung fokussiert.

Alle Schritte eines Frühstücks in der richtigen Reihenfolge vorzubereiten, kann für Menschen mit Demenz zur Herausforderung werden.
Lara Hunt / Malteser
Alle Schritte eines Frühstücks in der richtigen Reihenfolge vorzubereiten, kann für Menschen mit Demenz zur Herausforderung werden.
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Gräfin Huyn versucht sich an ihrer ersten Aufgabe im Demenzparcours.
Lara Hunt / Malteser
Gräfin Huyn versucht sich an ihrer ersten Aufgabe im Demenzparcours.
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Die Anleitung gibt vor, was zu tun ist. Das "Wie" ist jedoch gar nicht so einfach.
Lara Hunt / Malteser
Die Anleitung gibt vor, was zu tun ist. Das "Wie" ist jedoch gar nicht so einfach.
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Eine Gelenkkrankheit in den Händen wird im Parcours mit großen Handschuhen simuliert.
Lara Hunt / Malteser
Eine Gelenkkrankheit in den Händen wird im Parcours mit großen Handschuhen simuliert.
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Vorstand Ulf Reermann macht vor, wie es geht.
Lara Hunt / Malteser
Vorstand Ulf Reermann macht vor, wie es geht.
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Vorstandsvorsitzender Dr. Elmar Pankau hat erfolgreich eine Murmel auf den Löffel befördert.
Anna-Sophie Schedler / Malteser
Vorstandsvorsitzender Dr. Elmar Pankau hat erfolgreich eine Murmel auf den Löffel befördert.
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Manche Herausforderungen gelingen dann doch.
Anna-Sophie Schedler / Malteser
Manche Herausforderungen gelingen dann doch.
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Das Team der Fachstelle Demenz ist stolz auf den Erfolg des Demenzparcours. Von links nach rechts: Monika Heinz, Dorothee Novian, Alexandra Knoll, Nina Basteck, Agathe Lülsdorff.
Lara Hunt / Malteser
Das Team der Fachstelle Demenz ist stolz auf den Erfolg des Demenzparcours. Von links nach rechts: Monika Heinz, Dorothee Novian, Alexandra Knoll, Nina Basteck, Agathe Lülsdorff.
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