"Wir brauchen noch sehr viel mehr Hospizdienste und Sterbebegleiter."

Daisy Gräfin Bernstorff, Generaloberin der Malteser im Portrait
Daisy Gräfin Bernstorff, Generaloberin der Malteser

Gräfin Bernstorff, was ist unter Hospizdienst und Trauerbegleitung  zu verstehen?

Daisy Gräfin von Bernstorff: Wir Malteser begleiten Menschen in ihrer Sterbenszeit. Meistens über Stunden, manchmal Tage, selten Monate und noch seltener Jahre sind wir den Strebenden und ihren Angehörigen sehr nahe, begleiten sie auf ihrem  Weg zum Tod. Wir bleiben in dieser schweren Zeit  an der Seite der Menschen, reden mit ihnen, sprechen ihnen Mut zu oder halten einfach nur die Hand. 

Warum begleiten die Malteser Sterbende auf dem Weg zum Tod? 

Bernstorff: Weil wir Malteser es aus unserer christlichen Überzeugung seit 900 Jahre als Auftrag ansehen, Menschen in schwierigen Situationen nicht allein zu lassen. Das ist ein wichtiger Dienst am Nächsten. 

Seit wann gibt es Hospizarbeit bei den Maltesern und warum? 

Bernstorff: Seit über 25 Jahren, weil wir Malteser die gesellschaftliche Notwendigkeit erkannt haben. Der Tod findet heute irgendwo weit weg statt, gesellschaftlich verdrängt und ausquartiert. Nicht mehr wie früher in den Familien. Der Tod gehört zum Leben wie die Geburt. Wir wollen, dass der Tod wieder in unserem normalen Umfeld stattfinden kann. Das schaffen die Angehörigen häufig nicht alleine. Sie brauchen Hilfe. Und die geben wir gerne mit unseren Hospizhelfern und Trauerbegleitern. Wir wollen, dass niemand, auch wenn er keine Angehörigen hat, allein sterben muss. Neben jedem Sterbenden sollte jemand sitzen, der - wenn gewünscht - seine Hand hält.

Wie viele Menschen werden betreut und wo geschieht das?

Bernstorff: Wir Malteser betreuen pro Jahr weit über 22.000 Menschen. Ein Drittel davon sind Sterbende, die anderen Angehörige. Fast immer fahren die ehrenamtlichen Sterbe- und Trauerbegleiter zu den Familien nach Hause bzw. an den Ort, wo die letzte Lebensphase gelebt wird, und leisten dort ihren Dienst - dem Sterbenden und den Angehörigen.

Wie viele ehrenamtliche Malteser engagieren sich Sterbe-Begleitdienst?

Bernstorff: Im Augenblick sind es 3350 ehrenamtliche Helfer. Die Tendenz ist steigend, weil viele Menschen mitmachen möchten. Oft haben sie in der Nachbarschaft erlebt, wie viel Trost die Begleiter dem Sterbenden, aber auch der Familie geben.

Kann jeder Sterbebegleiter werden?

Bernstorff: Ja, aber bevor jemand die Ausbildung beginnt, müssen wir klären, welche Motivation die Person hat, um eine Sterbebegleitung anzufangen. Wer z. B. auf dem Sterbebett noch missionieren will, kommt nicht in Frage. Es wird auch geschaut, ob diese Person dazu fähig ist und sich dabei nicht selbst kaputt macht. Bei Eignung müssen sie eine längere Vorbereitungszeit durchlaufen, die sie befähigt, erfolgreich Sterbe- und Trauerbegleitung durchzuführen. 

Was lernt man in der Vorbereitung auf diese Dienste?

Bernstorff: Die Ausbildung der ehrenamtlichen Sterbebegleiter ist sehr umfangreich. In rund 100 Stunden, meistens verteilt auf ein halbes oder ein ganzes Jahr, werden die Helfer auf ihren Dienst vorbereitet. Sie bekommen vermittelt, was auf sie zukommen kann. Auch später werden die Sterbebegleiter noch intensiv von erfahrenen, hauptamtlichen Koordinatoren betreut, damit sie Fragen klären und Unsicherheiten beseitigen können. 

Muss man Malteser sein, um Sterbebegleiter zu werden?

Bernstorff: Nein. Aber sehr häufig stellen wir fest, dass die von uns Ausgebildeten schließlich Malteser werden. Denn sie haben gemerkt, dass wir aufgrund unseres christlichen Hintergrundes das Malteser Ordensmotto "Helfe den Bedürftigen" selbst leben. Ein schönes Kompliment!

Was kostet die Sterbe- und Trauerbegleitung?

Bernstorff: Für diejenigen, die sich begleiten lassen möchten, ist der Dienst kostenlos. Das heißt allerdings nicht, dass der Dienst nichts kostet. Die lange Vorbereitungszeit, die dauernde Betreuung und Fortbildung der Ehrenamtlichen sind teuer. Insbesondere die Angebote für Trauernde und unsere Projekte in Schulen entfalten eine große Strahlkraft entfaltet, benötigen aber auch zunehmend Spenden. 

Was muss man unternehmen, um von den Maltesern betreut zu werden?

Bernstorff: Man fragt bei einer Dienststelle in der Nähe nach, ob der Dienst dort angeboten wird. Dann meldet sich jemand. Wichtig ist, dass der Sterbende und der Hospizbegleiter gut zueinander passen. 

Wie schätzen Sie insgesamt die Versorgungslage für Sterbende in Deutschland ein?

Bernstorff: Die jährlich 800.000 Sterbenden in Deutschland sind schlecht versorgt. Wir brauchen noch sehr viel mehr Hospizdienste und Sterbebegleiter. Vor allem brauchen wir noch viel mehr Menschen, die anderen aus christlicher Nächstenliebe helfen – auch im Angesicht des Todes und die dies ehrenamtlich tun. Das ist für viele Angehörige ein Mut machendes Beispiel, sich selbst ans Bett zu setzen. Wir Malteser haben dieses Jahr ein sehr schönes Jahresmotto: "Ich vergesse dich nicht." Und die Gewissheit, dass ich als Sterbender nicht vergessen bin, weil gerade jemand neben mir sitzt und meine Hand hält, finde ich wunderschön.


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