Tausche Bildung für Wohnen

Bildung und bezahlbarer Wohnraum sind ein Dauerbrennerthema in Deutschland. Die Mieten sind in München am teuersten. Dort kostet der Quadratmeter knapp 18 Euro. In Berlin und Hamburg sind es jeweils knapp 12 Euro pro Quadratmeter. Bezahlbarer Wohnraum wird immer knapper und dennoch gibt es einige Städte, in denen der Leerstand hoch ist, weil die Orte als nicht so attraktiv gelten. Wer es sich leisten kann, zieht woanders hin. Die Initiative Tausche Bildung für Wohnen e.V. nimmt sich gleich beiden Herausforderungen an. Das Stadtteilprojekt fördert die persönliche, soziale und schulische Bildung von Kindern und Familien im Duisburger Brennpunktviertel Marxloh. Engagierte Helfer wohnen mietfrei in einem WG-Zimmer, im Gegenzug betreuen sie benachteiligte Kinder in dem Stadtteil. Dafür ist der Verein von der nebenan.de Stiftung mit dem Deutschen Nachbarschaftspreis 2018 ausgezeichnet worden. Wir stellen euch den Verein und den Bildungspaten Lukas Loose vor.

Darum geht's:


Mietfrei wohnen und dafür helfen

Als Lukas Loose 2017 sein Abitur in Hattingen in Nordrhein-Westfalen macht, weiß er erstmal nicht so genau, was er mit seinem neuen Leben anfangen möchte. Er nutzt den Sommer zur Orientierung: „Ich wollte Kindern oder Flüchtlingen helfen, das war für mich klar. Ich weiß, dass ich mit Kindern gut zurecht komme und die finden mich ganz klasse, wenn ich mit ihnen spiele.“ Bei einem Kennenlerntag der Freiwilligendienste des Bistum Essen wird Lukas fündig. Er entdeckt den Bundesfreiwilligendienst und das Projekt Tausche Bildung für Wohnen e.V.: „Da waren so viele Institutionen, die sich vorgestellt haben, aber nach meinem Einzelgespräch mit Tausche Bildung für Wohnen wollte ich gar keine andere Stelle mehr sehen. Ich hab mich sofort beworben und durfte vorher schon mal hospitieren. Das war für mich wichtig, weil ich gucken konnte, ob ich das auch wirklich ein Jahr lang machen möchte.“

Es dauert nicht lange und Lukas bezieht als neuer Bildungspate sein Zimmer in einer der beiden 3er WGs in Duisburg-Marxloh. Er wurde als Bundesfreiwilliger angenommen und darf nun mietfrei wohnen. Nur für die Nebenkosten wie Wasser, Strom, Internet und Gas bezahlt er 50 Euro im Monat. Dafür bekommt er als Bundesfreiwilliger 362 Euro im Monat. Bevor Lukas allerdings als Bildungspate zum Einsatz kommt, durchläuft er im ersten Monat eine Qualifizierung. Die findet erstmal ohne Kinder statt, erklärt er: „In Workshops bekommen die Paten Methoden und Tipps an die Hand, wie man Kinder motiviert und was man zum Beispiel macht, wenn sie sich streiten.“ 

Brückenbauer für isolierte Familien

Lukas gehörte zu den Vollzeit-Bildungspaten. Morgens besucht er verschiedene Gesamtschulen im Kiez. Die ersten beiden Schulstunden von 8 Uhr bis 9.30 Uhr sind für die Schüler freie Zeit zum Lernen. Dabei werden sie von Lehrern und den Bildungspaten unterstützt. Danach betreuen die Paten ihre eigenen Gruppen. Jeden Tag sind es zwei Gruppen mit maximal fünf Kindern, die für jeweils 90 Minuten zum Verein kommen. Die meisten Kinder, die staatlich gefördert werden, kommen zweimal in der Woche. „Ich finde, jedes Kind sollte die gleichen Chancen haben. Und jedes Kind hat es verdient, Hilfe in der Schule zu bekommen. Darum finde ich das Projekt schön und bin ein Teil davon geworden“, sagt Lukas über sein Engagement. Paten und Kinder treffen sich in der TauschBar erklärt Lukas weiter: „Da machen wir dann Lernförderung, spielen und quatschen mit den Kindern, helfen bei den Hausaufgaben. Dort haben wir drei große Lernförderungsräume mit Laptops, Smartboards, Spielen und einem großen Regal mit Lernmaterialien“.

2012 wurde der Verein von Christine Bleks und Mustafa Tazeoğlu gegründet. Seitdem setzen sich alle Helfer für Chancengleichheit in der Bildung ein, aber auch dafür, dass mehr gebildete, junge Leute nach Duisburg-Marxloh kommen, um den Stadtteil wieder aufzuwerten. Gleichzeitig wird der Wohnungsleerstand gesenkt, was wiederum den Wert des Stadtteils steigert.

Duisburg-Marxloh – ein Nobelviertel verliert seinen Glanz

In der Nachkriegszeit war Marxloh noch ein nobler Stadtteil mit modernen Kinos, schicken Cafés und edlen Boutiquen. Dann kam in den 1990er Jahren die große Stahlkrise und der Stadtteil verlor an Glanz und Beliebtheit. Von den 19.500 Bewohnern haben aktuell 64 Prozent einen Migrationshintergrund, 23 Prozent sind arbeitslos, 41 Prozent leben von Transferleistungen wie Sozialhilfe, zehn Prozent aller Wohnungen und Geschäfte stehen leer, 25 Prozent der Marxloher sind jünger als 19 Jahre. Marxloh ist kein Einzelfall in Deutschland. Etliche andere Städte haben Kieze, die mit ähnlichen Herausforderungen kämpfen. Bei dem Nachbarschaftsnetzwerk nebenan.de können sich engagierte Nachbarn zusammentun und ihren Kiez unterstützen. Ob Gemeinschaftsgarten, Leih-Omas oder Bildungsinitiativen, jeder kann in seinem Kiez helfen.

„Die Kinder wird man nie vergessen“

Es ist nicht immer einfach für die Bildungspaten, besonders in der Anfangsphase, erzählt Lukas: „Am Anfang war es teilweise schwierig, eine Bindung zu den Kindern aufzubauen. Aber das ist keine Herausforderung. Ich würde es eher als Startschwierigkeit bezeichnen. Es ist manchmal schwierig, wenn die Kinder streiten oder keine Lust haben, zu arbeiten. Auch wenn man vorher die Qualifizierung hatte, kann man damit nicht immer umgehen. Aber mit der Zeit wird man immer sicherer.“  Inzwischen hat Lukas sein Bundesfreiwilligenjahr beendet, aber sein Engagement bei Tausche Bildung für Wohnen geht weiter. Er wird ein Studium in Bochum beginnen: Sozialpädagogik und Management. Der Verein wird sein Praxispartner sein, bei dem er regelmäßig arbeiten wird. Dann wird Lukas mit anderen Kindern zu tun haben und andere Aufgaben bekommen, aber seine Patenkinder sind eine bleibende Erinnerung für ihn, sagt er: „Die Kinder wird man nie vergessen. Wir haben mit ihnen so viel unternommen, Sommerfeste und Ausflüge. Und wenn sie dann eine gute Note in der Schule schreiben und das stolz zeigen, dann ist das schön.“ 

So wirst du Bildungspate

Es gibt mehrere Möglichkeiten, benachteiligten Kindern als Bildungspate zu helfen und das in ganz Deutschland. Du kannst dich entweder, wie Lukas, als Bundesfreiwilliger engagieren oder über das Freiwillige Soziale Jahr. Es werden auch gerne Studenten genommen und Menschen, die sich als Ehrenamtliche sozial engagieren wollen. Viele Städte bieten Bildungspatenschaften an. Lukas rät: „Findet heraus, wer der Träger in eurer Gegend ist oder geht direkt zu den Vereinen und fragt nach. Die sind meistens sehr offen und sagen euch, wie die Bildungspatenschaft ablaufen wird.“ Nicht alle Bildungspatenschaften funktionieren im Tausch gegen eine Wohnung so wie in Duisburg-Marxloh. Aber das muss ja auch nicht immer so ablaufen. Ihr könnt Kinder und Familien in eurem Kiez auch einfach unterstützen, indem ihr mit ihnen lernt, spielt oder etwas unternehmt, damit sie eine tolle Kindheit genießen dürfen und eine gute Zukunft haben.


Titelbild: ©Tausche Bildung für Wohnen e.V.

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